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WIEN/ Kammeroper: DIE SCHULE DER EIFERSUCHT von Antonio Salieri. Vierte Vorstellung

24.05.2017 | Oper

WIEN / Kammeroper: Salieris „Die Schule der Eifersucht“

24.5.2017 : Vierte Aufführung  – Karl Masek

 

Bildergebnis für wiener kammeroper die schule der Eifersucht
Copyright: Herwig Prammer

Die opera buffa des italienischen Librettisten Caterino Mazzola, „La scuola de‘ gelosi“, mit der Musik von Antonio Salieri wurde 1778 während der Karnevalszeit in Venedig uraufgeführt. Bald fand das Werk auch seinen Weg nach Wien. Hier gelangte eine leicht veränderte Fassung (mit hinzukomponierten Arien und Rezitativen sowie verfeinerter Instrumentation) nach Wien. Die Fassung, welche jetzt an der Wiener Kammeroper gespielt wird, ist eine Mischfassung. Das Werk entsprach dem damaligen musikalischen Zeitgeist und wurde in den Jahren 1783 bis 1786 in Wien mit rauschendem Erfolg aufgeführt.  Übrigens: Anklänge vor allem an Mozarts „Cosi fan tutte“ sind kein Zufall. Hat doch Lorenzo da Ponte das „Cosi“-Libretto  ( „La scuola degli amati“) Salieri überlassen – als Fortsetzung der besprochenen Oper. Salieri hat die Komposition aber bald abgebrochen und das Libretto Mozart überlassen …

  In der der turbulenten Geschichte von krankhafter Eifersucht und Obsession, vom Karussell der Liebe, vom Fremdgehen und der scheinbaren Unmöglichkeit von Beziehungen, sind drei Paare im Zentrum: Das adelige Paar (Graf und Gräfin), das bürgerliche Paar (Der Kornhändler Blasio und seine Gattin Ernestine) sowie das Dienerpaar (Lurnaca und Carlotta, die in einer freien Beziehung leben).

Der Graf vergleicht die Welt mit einer Mädchengalerie (Mozart/da Pontes Leporello weckt Assoziationen mit seiner Registerarie!), stellt ungeniert Ernestine nach. Der Gräfin kommt hier (mit allem Leidensdruck) die Rolle der Eifersüchtigen zu. Blasio würde seine (zuweilen ziemlich genuss-süchtige, zwischen Treue und Fremdgang changierende) Frau am liebsten zu Hause einsperren. Ein überdimensionaler Zweitschlüssel ist ein wiederkehrendes Bühnenrequisit. Die Dienstboten halten von einer bürgerlichen Ehe überhaupt nichts. Zwischen diesen drei Paaren steht der Leutnant, Freund des Grafen, zugleich potentieller Liebhaber der Gräfin. Er ist der Intrigant, der das Karussell bis zu schwindelerregendem Tempo in Gang bringt, um die Paare nach vielen Wirrnissen zum lieto fine doch wieder zusammenzubringen. Die Protagonisten machen sich in dieser „Parabel von der Lächerlichkeit der Liebe“, so Regisseurin Jean Renshaw,  zum Narren und sind schließlich buchstäblich in Zwangsjacken gefangen. Die Liebe, ein Narrenhaus. Sie belauern einander ständig, horchen einander aus, der Blick durchs Schlüsselloch ist allgegenwärtig.

 Christof Kremer stellte dafür ein funktionelles Türen- und Rahmenkarussell auf die Bühne mit vielschichtigen Blautönen, auf die Franz Tscheck mit ästhetischem Lichtdesign wechselweise ein männliches und weibliches Aktbild projiziert (Nach den Fettwülsten und Fleischbergen im 1. Akt des neuen Münchner „Tannhäuser“ geradezu ein Plädoyer dafür, dass nicht immer alles hässlich und scheußlich sein muss auf der Bühne, wenn von Erotik die Rede ist!).

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Copyright: Herwig Prammer

Alles dreht sich, alles bewegt sich (vom polnischen Tenor Aleksander Rewinski als umtriebigem Leutnant, hintergründig gespielt, schön, aber vielleicht eine Spur zu unauffällig gesungen –  und seiner eleganten tänzerischen Assistentin, der Wienerin Irene Bauer, als Perpetuum mobile in Schwung gehalten). Drastische Situationskomik, Slapstick, ist hier ausgereizt bis zu absurder Überdrehtheit, ähnlich wie in den späteren Stücken des Georges Feydeau. Die fantasievoll-kreativen Kostüme verstärken gekonnt das Buffoneske der Gesamtszenerie, bleiben indes immer geschmackvoll und „tänzeln schelmisch durch die Jahrhunderte“, wie Stefan Ender im Standard treffend formulierte.

Jean Renshaw (sie kommt unverkennbar vom Tanz) ließ das szenische Geschehen temporeich und durchchoreografiert abschnurren. Situationskomik kommt ausgiebig zu ihrem Recht, wird immer aus der Musik heraus entwickelt. Salieri erweist sich dabei als gekonnt satirischer Musiker, der witzige Nummern schreibt und dem zum genialen Mozart nur der psychologisch aufs äußerste verfeinerte „Kommentar des Orchesters“ abgeht. Dieser bleibt dem Cembalo vorbehalten. Dazu etwas weiter unten!  Da wird auch köstlich geblödelt und reichlich „dem Affen Zucker“ gegeben. Ein Bügelbrett wird so zum  heiß umkämpften Hauptrequisit zwischen dem Dienstmädchen-Hausdrachen und der darauf  „Klavier -spielen- wollenden Gräfin. Chaplinesk die Szene, wenn Blasio ein kompromittierendes Schriftstück kurzerhand verschluckt und dann gewisse körperliche Beschwerden bekommt. Das junge Ensemble bestach durch unbändige, exzessive Spielfreude, Pointensicherheit, geschmeidige Beweglichkeit und eine exzellente sängerische Gesamtleistung.

Die israelische Sopranistin Shira Patchornik setzte als Gräfin mit einer ausufernden Schmerzensarie im 2. Akt (die auch Mozart alle Ehre gemacht hätte, man denkt an „Le Nozze“) ein bejubeltes musikalisches Glanzlicht samt willkommenem Handlungsstillstand im Slapstick-Furor. Am anderen Ende der Skala kam die darstellerisch profilierteste Leistung von der fulminanten, urkomischen russisch-georgischen Mezzosopranistin Anna Marshania als Dienstmädchen Carlotta (Mozarts „Despina“ ließ grüßen!).

Der kolumbianische Tenor Julian Henao Gonzalez war der knackige junge Graf mit Verführungspotenzial zur gesamten Damenwelt im Stück mit stimmlicher Affinität zu Mozart und Rossini. Die hübsche Stimme korresponierte wunderbar mit der äußeren Erscheinung.

Die italienische Sopranistin Carolina Lippo wartete als resolute, durchaus resche  Kaufmannsgattin Ernestina mit dramatisch legierten Tönen auf (Blasio hat in dieser Ehe keinen leichten Stand und will mit völlig untauglichen Mitteln Respekt und „Besitzanspruch“ erzwingen). Der italienische Bariton Matteo Loi gibt ihn mit durchschlagskräftigem Organ und selbstironischem Spiel.

Der einzige Österreicher im Sängerensemble, Florian Köfler, der seit der Spielzeit 2016/17 dem Jungen Ensemble des Theaters an der Wien angehört, empfahl sich mit aufhorchen lassendem, schönem Bass und starker Bühnenpräsenz für kommende Aufgaben am Theater an der Wien. Wie da überhaupt höchst talentierter Nachwuchs nachdrängt!

Fundament für den großen Erfolg dieser Produktion war die erstklassige musikalische Realisierung durch das Bach Consort Wien. Dieses Ensemble sollte man  noch mehr als bisher sowohl in der Kammeroper als auch im Haupthaus „festnageln“! Mit hörbarer Lust und Spielfreude setzte das Orchester die Akzente, machte seinem Ruf als mittlerweile auch international beachtetem, exzellentem Klangkörper alle Ehre. Stefan Gottfried, Nachfolger des unvergessenen Nikolaus Harnoncourt beim Concentus Musicus, leitete den Abend inspiriert, kundig, mit profundem Wissen und Können, lieferte am Cembalo den eindrucksvollen Beweis, dass auch bei Salieri psychologisch grundierter Kommentar zum musikalisch-darstellerischen Geschehen auf der Buffo-Bühne nicht nur möglich ist, sondern auch gebührenden Raum einnimmt. Ein besonderes „Bravo“ diesem herrlichen Musiker!

Ein gut gelauntes Publikum spendete auch in der vierten Aufführung dieser Inszenierung allen Mitwirkenden starken, ausdauernden Beifall und geizte auch nicht mit Bravorufen.

(Weitere Aufführungen: 29.5. und 1./7./9./11./13.6., jeweils 19.00 Uhr; Ende ca. 21.50 Uhr)

Karl Masek

 

 

 

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