Kammeroper des Theaters an der Wien: COMBATTIMENTI nach Claudio Monteverdi – 29.9.2024 (Premiere am 27.9.2024)
Foto: Herwig Prammer
„Il combattimento di Tancredi e Clorinda“ ist ein dramatisches Madrigal von Claudio Monteverdi mit einer Gesamtdauer von etwa 30 Minuten. Aufgeführt wurde es 1624 während des Karnevals in Venedig im Palast seines Förderers Girolamo Mocenigo aufgeführt und 1638 im achten Madrigalbuch, „Madrigali guerrieri ed amorosi“ als dessen Höhepunkt gedruckt. Im Vorwort dazu weist Monteverdi daraufhin, dass er für diese Madrigale einen neuen Musikstil erfunden habe, mit dem er Affekte wie Wut und Zorn, aber auch Kämpfe musikalisch darstellen könne. Der Combattimento reiht sich in eine ganze Reihe von Vertonungen nach Motiven aus Torquato Tassos „Il Gerusalemme liberata“, das in freier Form Ereignisse aus dem 1. Kreuzzug um 1100 n.Chr. behandelt. Monteverdi folgt dabei dem 12. Gesang, in dem der christliche Kreuzfahrer Tancredi mit der als Mann verkleideten äthiopischen Prinzessin Clorinda, seiner Geliebten, als Muslima aufgewachsen, selbst aber Tochter einer Christin, kämpft und sie schließlich tötet. Hochaktuell sind dabei die Themen, die dieser 12. Gesang thematisiert: Mann und Frau, Liebe und Hass, Krieg und Frieden, Christen und Muslime, Europa und Orient. Das berühmte „Lamento d’Arianna“ ist das einzige erhaltene Stück aus Monteverdis 1608 entstandener Oper L’Arianna und seine wohl berühmteste Komposition, in der die von Theseus verlassene Ariadne ihr Los beklagt. Als Paradebeispiel seines genere concitato, eines erregten Musikstils, ergänzt diese Arie Monteverdis Combattimenti perfekt.
Foto: Herwig Prammer
Die Partitur dieses ältesten erhaltenen musikdramatischen Werkes von Monteverdi ist für drei Singstimmen, zwei Tenöre und einen Sopran, gesetzt. Ihnen steht ein Streichersatz von zwei Violinen, vier Viole da braccio mit einer Bassgambe und einem Cembalo als Basso continuo, gegenüber. Gleich zu Beginn des Abends imitiert das Streicherensemble detailliert das Galoppieren von Tancredis Pferd, was 1624 etwas völlig Neues war. Für die Nacht, in der der Kampf stattfindet, verwendet Monteverdi die Tonart g-moll, die bei ihm immer etwas Bedrohliches bedeutet, denn die Kämpfenden können einander in der Dunkelheit nicht sehen und sind folgerichtig auch verwirrt. Darüber hinaus führte Monteverdi auch zwei neue Spieltechniken ein, nämlich das Tremolo, um die kämpferische Erregung wiederzugeben, und das Pizzicato als Höhepunkt einer musikalischen Steigerungslinie. Der Dirigent und Lautenist David Bergmüller und der britisch-französische Regisseur Olivier Fredj haben in ihrem gemeinsamen Projekt die Besetzung auf sechs Sänger erweitert und durch Einführung anderer Madrigale von Monteverdi und seines Dixit Dominus diesen spannungsreichen Abend auf 80 Minuten Gesamtspielzeit gestreckt. Zu Beginn sehen wir drei Damen und drei Herren allesamt schwarz gekleidet als Chor, die einen Text von Francesco Petrarca (1304-74), „Hor che’l ciel e la terra“ aus dem 8. Madrigalbuch „Madrigali guerrieri ed amorosi“ vortragen. Hierauf ertönen die Strophen 1 bis 2 aus dem Combattimento: Tancredi (Ilya Dovnar) und Clorinda (Ambra Biaggi), beide historisch kostümiert (Kostüme: Petra Reinhardt), treffen erstmals aufeinander und der Kampf wird von Testo (Ferran Albrich) kommentiert. Für die Kampfesszenen haben der Dirigent und der Regisseur Gesten des 17. Jhd. rekonstruiert und diesen Kampf pantomimisch dargestellt. In dieser Technik bewegen sich die Protagonisten auf die Gegenwart mit Maschinengewehren zu (Bühnenbild und Video: Thomas Boudewijn) und am Ende hört man eine Nachrichtensprecherin über die Ukraine und Gaza berichten…
Foto: Herwig Prammer
David Bergmüller und seinem Ensemble Proxima D. gelingt es hier, einen teilweise unbekannten Komponisten, der an manchen Stellen die elektronische und psychedelische Musik von Pink Floyd, Tangerine Dream oder Klaus Schulze vorwegnimmt, in ein elektrisierendes Spannungsfeld zu setzen. Außer den bereits genannten Sängern wirkten noch Johanna Rosa Falkinge, Luciana Mancini und Lazar Parežanin , gesanglich mit äußerster Präzision und darstellerisch engagiert mit. Franz Tscheck sorgte wieder einmal für eine spannende Lichtregie und Dramaturg Kai Weßler verdanke ich in seinem aufschlussreichen Einführungsvortrag wieder einmal zahlreiche wertvolle Hinweise für meinen Bericht. Der Abend endete mit viel Applaus für alle Beteiligten.
Harald Lacina