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WIEN / Kammeroper: CURLEW RIVER / THE PRODIGAL SON

26.03.2013 | Oper

WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
CURLEW RIVER / THE PRODIGAL SON von Benjamin Britten
Eine Produktion der Neuen Oper Wien in Koproduktion mit dem OsterKlang ’13
Premiere: 25. März 2013

Seit Jahren ist der “Osterklang” ein kleines, aber überaus feines Festival, bei welchem es dem Theater an der Wien gelingt, im weitesten Sinn „religiöse Musik“ in verschiedensten Rahmen zu präsentieren. Nun „in Besitz“ der Kammeroper, hatte man die idealen Räumlichkeiten, um die Neue Oper Wien (die ja programmatisch ein „vazierendes“ Unternehmen ist) für einen Benjamin-Britten-Abend einzuladen. Geboten wurden zwei seiner drei so genannten „Kirchenparabeln“, in denen der Komponist religiöse, genauer gesagt spirituelle Themen behandelte. In voller Tonalität, die der Musik teils ihre pastose Würde verleiht, teils ihre spannende, „farbliche“ Vielfalt ermöglicht, wobei die geistige Welt der Kirchenchöre sich als besonders befruchtend erwies.

„Curlew River“ ist an einem undefinierbaren Fluß angesiedelt, zwar nicht dem Lethe selbst, aber die Überfahrt zum Heiligtum ist auch mit dem Tod verbunden, vor allem im Schicksal einer exzessiv klagenden Frau, deren Sohn tatsächlich bei der Überfahrt gestorben ist. Hier hat Regisseur Carlos Wagner in einer schlichten Ausstattung von Christof Cremer (es gibt nur den Nachen, der sich bewegt, und die immer wieder zitierten „Vögel“, die vom Chor geschwenkt werden) mit jener Ruhe inszeniert, die Britten auch seiner Musik gab – und nur Alexander Kaimbacher in der Rolle der „Irren“, sprich: der klagenden Mutter, bringt mit durchdringendem Tenor exzessives Leben ins Geschehen. Man hat ihn, da Britten in diesen Werken ja auch eindeutig vom japanischem Nô Theater beeinflusst war, in den Kimono einer asiatischen Heldin gesteckt, während Peter Edelmann als Fährmann wie eine antike Statue agiert und Sebastian Huppmann als Reisender wie aus einem mittelalterlichen Stich gestiegen scheint – der müde, gebückte Wandersmann. In einer Szene darf dann der tote Junge erscheinen, wieder einmal der filigrane, mittlerweile zwölfjährige Leonid Sushon. Stephan Rehm schritt pastos den hervorragend intonierenden Herren des Wiener Kammerchores voran, die diesen ersten Teil des Abends barfuss im Frack absolvierten…

Nach der Pause zogen sie wieder würdevoll durch den Zuschauerraum ein (in Ermangelung eines Kirchenraumes, man nimmt, was man hat…), diesmal mit Schuhen und in dunklen Anzügen. In „The Prodigal Son“ geben sie das „Volk“, vielmehr die Bediensteten des reichen Vaters (mit pastoser Würde: Peter Edelmann), der zwei Söhne hat, den „braven“ (Sebastian Huppmann) und den nicht so braven jügeren (Gernot Heinrich), der aus dem (faden) Alltag ausbüchst und erst nach vielen schlechten Erlebnissen reumütig heimkehrt. Als „böser Genius“ hat ihm der Versucher seinen Ausbruch suggeriert, wieder eine Rolle für den nachdrücklichen Tenor und die nachdrückliche Persönlichkeit von Alexander Kaimbacher (diesmal mit wilden Villazon-Locken).

Carlos Wagner und Christof Cremer haben es dankenswerterweise verschmäht, szenisch eine Variation des ersten Werks zu bieten, zumal der „Prodigal Son“ auch musikalisch ungleich lebhafter und bewegter ist. Um den Charakter der Parabel, des Gleichnisses und der Verfremdung zu sichern, agieren die vier Hauptdarsteller mit überdimensionalen weißen Gesichtsmasken, was dem szenischen Eindruck etwas „Antikes“ verleiht – und gar nicht einförmig wird. Jeder, der einmal eine „Masken“-Vorstellung gesehen hat, konnte die Erfahrung machen, wie „lebendig“ die an sich unbewegten Ersatz-Gesichter wirken…

Ganz nebenbei: Die Geschichte vom „verlorenen Sohn“ ist übrigens von klassischer Unmoral und Ungerechtigkeit, denn der Vater feiert bekanntlich die Heimkehr des Ausreißers mit einem großen Fest und ist überglücklich, während der immer brave, unbedankt rackernde ältere Sohn kaum je seine Beachtung fand… Kein Wunder, dass die Kunst und Literatur immer die Außenseiter feiern, die ja viel interessanter sind – und nur im letzten Augenblick „Entschuldigung“ sagen müssen: Dann ist alles wieder gut, sie hatten das lustige Leben und in den Himmel kommen sie auch. Und die anderen, die immer nur brav gerackert haben… ja, das sind die anderen 99 Prozent, die sich dann Abends im Theater oder im Kino die „Verlorenen“ ansehen. Ist ja auch gut so. Spannendes Leben aus zweiter Hand…

Walter Kobéra, der für seine Neue Oper Wien im Herbst gleich zwei Uraufführungen (!) ankündigt, Kompliment, hat hier mit dem amadeus ensemble-wien wieder einen bemerkenswerten Opernabend gestaltet. Er ist zwar im ersten Teil vielleicht ein bisschen „heilig“, legt aber nach der Pause auch an Temperament zu. Ein Festival wie OsterKlang ’13 stellt für dergleichen die idealen Rahmenbedingungen her.

Renate Wagner

 

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