WIEN/ Jugendstiltheater: „ABENDSONNE“ – Kammeroper von Tomasz Skweres (*1984) am 10.11.2025

Copyright: Andreas Friess
Tomasz Skweres (*1984) präsentierte am 10.November 2025 seine Kammeroper „ABENDSONNE“ als Uraufführung im Jugendstiltheater Wien für Wien Modern. Das Auftragswerk entstand für das sirene Operntheater nach Text und Regie von Kristine Tornquist. Skweres studierte Komposition und Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Im Zentrum der Oper steht die Seniorenresidenz Abendsonne, die für die alten Bewohner die letzte Station ihres Lebens darstellt. Für das junge Pflegepersonal ist sie eine arbeitsreiche Umgebung, für die Leitung eine Geschäftsgelegenheit mit Potenzial. Die Handlung setzt ein, als der Bewohner Büxenstein eine Krebsdiagnose erhält. Als pensionierter Arzt erkennt er, dass ihm wenig Zeit bleibt. Ein Gespräch mit Stella, die sich in metaphysischen Fragen auskennt, inspiriert ihn zu dem Gedanken, seine Wiedergeburt aktiv zu planen. Unterstützt wird er dabei von seinen Freunden Hagedorn und Sägebarth, die sich nach anfänglichem Zögern auf seinen Plan einlassen. Nach Stellas Rezept soll ein junges Liebespaar zur Wiedergeburt verhelfen. Die Senioren versuchen daher, Mira, eine junge Pflegerin, und Mirko, den neuen Pfleger, zu verkuppeln. Büxenstein setzt sein Testament zugunsten von Mira und ihrem zukünftigen Kind – also sich selbst – auf. Die Liebesgeschichte zwischen Mira und Mirko entwickelt sich tatsächlich, doch Stella, die nichts von den Plänen weiß, spürt Unheil und sorgt sich. Als das Liebespaar schließlich von den alten Herren in die Liebesnacht geführt wird, scheint der Plan aufzugehen – allerdings kommt es im letzten Moment anders. Stella stört die „geplante „Zeugungsnacht“ und Büxenstein stirbt, ohne dass sich sein Plan, in dem vermeintlichen Embryo wiedergeboren zu werden, erfüllt… Im Fokus stehen die Übergänge des Lebens: Zeugung, Geburt und Tod, sowie die drei Zeitreiche – Nichtexistenz, Leben, Tod. In der Residenz Abendsonne treffen junge und alte Lebende, heraufbeschworene und erinnerte Tote sowie das entstehende Leben aufeinander. Der Ort dient als Schnittstelle zwischen Existenz und Nichtexistenz, an dem Werden und Vergehen, Vergangenheit und Zukunft, Ungeborene und Tote zusammenkommen.

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Die Vertonung des Librettos „Abendsonne“ stellte für den Komponisten eine anspruchsvolle und lohnende Aufgabe dar, da ihm die literarische Vorlage die Möglichkeit bot, musikalisch innovative Wege zu gehen. Charakteristisch für diese Tragikomödie sind die raschen Übergänge zwischen grotesken, absurden Elementen und tragischen, dramatischen Passagen. In der Komposition finden sich zahlreiche Verweise auf bekannte Werke der Operngeschichte sowie stilistische Anleihen aus vergangenen Epochen, um die zentralen Aspekte der Oper wirkungsvoll hervorzuheben. Diese Rückgriffe auf verschiedene musikalische Traditionen stehen im direkten Zusammenhang mit dem Kernthema der Oper – dem Alter und dem Umgang mit dem unaufhaltsamen Fortschreiten der Zeit. Der Stil von Skweres ist zeitgenössisch expressiv, ohne avantgardistisch zu sein. Ihm ist die Balance zwischen emotionaler und intellektueller Seite der Kunst wichtig. Komponieren und Cellospiel betrachtet er als sich ergänzende Tätigkeiten, die ihm helfen, eine eigene Ausdrucksqualität zu entwickeln. In seinen Werken setzt er sich intensiv mit dem Phänomen Zeit auseinander. Ein zentrales Stilmittel sind Klangflächenveränderungen, insbesondere Glissandi in Kombination mit dynamischer Entwicklung. Kontrastierende wiederholte Töne oder Akkorde schaffen zeitliche Orientierung und laden das Publikum ein, die Zeit in der Musik unterschiedlich schnell wahrzunehmen. Kristine Tornquist setzte in ihrer Regie humorvolle Akzente wie einen einknickenden Weihnachtsbaum oder die missglückte Gehstock-Aktion der Pflegerin Mira. Johann Leutgeb überzeugte als Heribert Büxenstein, unterstützt von Horst Lamnek und Andreas Jankowitsch. Juliette Mars glänzte als Stella Sorell, Christa Stracke übernahm die stumme Rolle von Lotte Lange. Das Pflegepaar wurde von Ewelina Jurga und Vladimir Cabak humorvoll gespielt. Die Direktorin und der Hausarzt wurden von Maida Karišik und Dieter Kschwendt-Michel als berechnendes Anstaltspaar erschreckend verkörpert. Das Ensemble Phace, unter Leitung von Antanina Kalechyts, sorgte mit vielfältiger Instrumentation für musikalische Untermalung. Markus und Michael Liszt gestalteten die Bühne, während Nora Scheidl für passende Kostüme sorgte. Alexander Wanko übernahm die Lichtregie, Bärbel Strehlau entwickelte die Choreografie und Germano Milite ergänzte Videoprojektionen, die mich stark an die Animationen der Zauberflöte in der Volksoper erinnerten. Luisa Liebe schuf authentische Masken. Nach fast zwei Stunden erhielt das Ensemble begeisterten Applaus – auch der Rezensent applaudierte überzeugt mit.
Harald Lacina

