WIEN / Jüdisches Museum:
EUPHORIE UND UNBEHAGEN
DAS JÜDISCHE WIEN UND RICHARD WAGNER
Vom 25. September 2013 bis zum 16. März 2014
Nirgends solche Verehrung,
nirgends solche Feindschaft
Die Österreichische Nationalbibliothek hat sich im Wagner-Jahr dem Thema Richard Wagner und Wien bereits gewidmet. Dennoch besteht jede Berechtigung, dass das Jüdische Museum sich Wien und Wagner noch einmal vornimmt – aus jüdischer Sicht. Das bedeutet einerseits Wagner als Antisemit, was ja ein Hauptthema dieses Wagner-Jahres war, andererseits aber auch die Problematik jüdischer Wagner-Verehrung und jüdischer Wagner-Attacken – beides hat sich wohl nirgends so zugespitzt wie in Wien. Der Wagner-Kult kulminierte in dieser Stadt, und nicht umsonst hat sich der Komponist so lange hier aufgehalten. Aber dabei wehte ihm auch eiskalter Wind um die Nase…
Von Renate Wagner
Wagner in Wien Ein Foto zeigt die Villa in Hietzing, am Beginn der Hadik-Gasse, wo Richard Wagner in Wien residierte: Es gibt das Haus heute noch. Man wundert sich im Grunde, dass es nicht zum Wagner-Museum umgestaltet wurde – gab es ein solches doch einmal in dieser Stadt, eine Wagner-Bibliothek desgleichen. Die Verehrung war enorm. Und doch bereitete gerade Wien Wagner auch schwere Enttäuschungen, vor allem die Nicht-Aufführung von „Tristan“. Dass der Jude Gustav Mahler seinen „Tristan“ in Alfred Rollers Bühnenbildern später so genial herausgebracht hat, dass die Aufführung mit Anna Mildenburg bis heute legendär ist, hat Wagner nicht mehr erlebt. Dass jüdische Künstler sich von Wagners Antisemitismus nicht von ihrer Bewunderung abhalten ließen – Mahler ist wohl das bedeutendste Exempel dafür.
Das Judentum in der Musik Die Ausstellung, von Andrea Winklbauer kuratiert, steigt in das „Judentum in der Musik“ – so lautete Wagners antisemitische Kampfschrift – mit Beispielen für eine hohe jüdische Musikkultur in Wien ein: Von Wagners Zeitgenossen Salomon Sulzer, der bewusst „jüdisch“ komponierte, gibt es ein Harmonium zu sehen. Es war die Epoche von Meyerbeer (der durch seine Erfolge besonders Wagners Neid erregt hatte), Offenbach oder Mendelssohn. Die für Wagner entscheidenden Juden seiner Wiener Jahre waren allerdings seine Feinde…
Die Feinde in Wien Eduard Hanslick, Meister des Musik-Feuilletons und einer Formulierungskunst, die seine Opfer vernichten konnte, war ein Gegner Wagners, der keine Gnade kannte. Obwohl er später eingestand, in mancher Kritik über das Ziel hinausgeschossen zu haben, war er es doch, der Wagner in Wien am tiefsten verletzte. Doch es ging nicht nur gegen das Werk, sondern auch gegen den Menschen – die nobel, geradezu unspektakulär gehaltene Ausstellung (Gestaltung: Bernhard Denkinger) bringt im nächsten Raum mit tiefrot samtigen Vorhängen jenes Element ein, das der Journalist Daniel Spitzer einer höhnischen Umwelt nahebrachte: Wagners Hang zum Luxus, der sich in den Briefen an die jüdische Putzmacherin Bertha Goldwag manifestierte. „Das ungeheure Toben und Tosen –Wie schrieb er das nur in Atlashosen?“ spöttelte Eduard von Bauernfeld, nachdem Spitzer der Welt Wagners Sorge um seine rosaseidenen Unterhosen mitgeteilt hatte…
Wagner-Aufführungen und -Fans Der nächste Raum allerdings zeigt, mit zahlreichen elegant in der Luft schwebenden Theaterplakaten, die frühen Wagner-Aufführungen in Wien, dazu jede Menge Rollenfotos: Man kennt den hohen Anteil jüdischer Sänger, die herausragende Wagner-Interpreten waren. Von da an geht es zu den jüdischen Wagnerianern weiter – von Herzl bis Weiniger herrscht kein Mangel an großen Namen. Ein Foto des Richard Wagner-Vereins zeigt inmitten honoriger Herren auch Hugo Wolf, der zu den glühendsten Wagner-Verehrern zählte.
„Es ist viel Hitler in Wagner“ Es war Thomas Mann, selbst ein großer Wagnerianer (wenn auch, wie intelligente jüdische Wagner-Verehrer, zwischen Liebe und Verachtung hin- und hergeworfen), der dies so formulierte, und das stimmt natürlich. Gerade dank Wagners Bedeutung konnte der Antisemitismus diesen Künstler mühelos instrumentalisieren. Die Ausstellung zeigt dazu nicht nur Schönerer, Liebenfels und eine Juden würgende Karikatur von Karl Lueger. Hitler hat an Wagner nicht nur die Macht seiner Musik, sondern auch die Judenverachtung seiner Weltanschauung bewundert. Darum kommt man nicht herum. Und darum auch wünscht Israel aus Respekt vor den Opfern des Holocaust keine Wagner-Aufführungen. Und wiederum sind es Juden wie Daniel Barenboim, die sich dagegen stellen… Juden sind einfach zu große Musiker, um nicht auch Wagners Größe zu sehen. Der Zwiespalt ist nicht aufzulösen. Die Ausstellung stellt ihn hin.
Jüdisches Museum, Dorotheergasse 11, 1010 Wien.
Bis 16. März 2014. Täglich außer Samstag von 10 bis 18 Uhr.
Katalog