WIEN / Theater in der Josefstadt:
LADY WINDERMERES FÄCHER von Oscar Wilde
Premiere: 18. Oktober 2012
„Lady Windermeres Fächer“ von 1892 ist die etwas dünne Vorform des drei Jahre später uraufgeführten „Idealen Gatten“: Geht es in beiden Fällen um ein verwirrtes Ehepaar, gibt es in beiden Stücken einen Dandy und eine gnadenlos gezeichnete Londoner Gesellschaft, so ist die „Böse“ bei Lady Windermere ja letztlich doch eine sentimental-liebende Mutter, während im „Idealen Gatten“ später die Sache ausreichend griffig gemacht wird, indem die wirklich böse Intrigantin die Frage aufwirft, wie weit die Lords im Oberhaus käuflich waren – also doch ein paar politische Implikationen und nicht die grenzenlose, fast belanglose Harmlosigkeit der „Lady Windermere“. Die in der Josefstadt auch noch so dargeboten wird, dass der pausenlos-eindreiviertelstündige Abend länger erscheint als eine Wagner-Oper und man eigentlich nicht begreift, warum man ein Stück wie dieses heute noch spielt.
Denn man kommt nicht darum herum, dass Wilde die Hohe Schule der ultimativ brillanten Konversationskomödie darstellt, und wer dies verweigert wie Regisseur Janusz Kica nimmt dem Autor schon einmal grundsätzlich Farbe und Wirkung. Was im übrigen – auch angesichts eines sehr, sehr „Seitenblicke“-tauglichen Josefstädter Premierenpublikums – noch nachvollziehbar schiene, nämlich die totale Geckenhaftigkeit und auch Verlogenheit einer Gesellschaft, wird satirisch kaum angekratzt.
Immerhin, da ist Sona MacDonald, der man stundenlang zuschauen könnte, weil sie als einzige den richtigen Ton trifft, aber sie hat vergleichsweise nur einen kleinen Auftritt als klatschsüchtige Herzogin, die teils mit verlogener Anteilnahme, teils mit frontaler Giftigkeit ihre Bosheiten versprüht – eine erkennbare Figur. Und auch Andrea Jonasson als Mrs. Erlynne tänzelt und gurrt mit ihrer unvergleichlichen Stimme noch so souverän über die Bühne, wie man es bei Wilde seiltanzend können muss.
Sona MacDonald, Andrea Jonasson & Pauline Knof (Fotos: Barbara Zeininger)
Der Rest der Schauspieler darf dank der Regie nur wie dröge Marionetten über die Bühne geistern, und das ist schade, denn es sind sehr gute darunter. Aber Janusz Kica erlaubt dem Ehepaar Windermere in Gestalt von Pauline Knof und Christian Nickel keine wahre Demontage der scheinbar ach so braven Bürger, die dann ja doch fünfe gerade sein lassen – da wäre, wenn man dieses Stück schon spielen muss, mehr zu holen gewesen.
Früh, zu früh ins ältere Fach, das ihm hier noch nicht so recht passt, geht André Pohl als jener Lord Augustus, der sich von Mrs. Erlynne widerstandslos einfangen lässt – das ist sehr liebenswürdig, aber etwas mehr töricht gepolt wäre überzeugender gewesen. Geradezu nicht vorhanden ist Martin Niedermair als Lord Darlington – und müsste doch so elegant und präsent und ein Star des Abends sein. Aber er lässt sich sogar von einem absoluten Nebenrollendarsteller (Bernd-Christian Althoff als Cecil Graham) an die Wand spielen. Nichts zu vermelden in Nebenrollen, die wirksam sein könnten (Raphaela Möst, Alexander Waechter, Matthias Franz Stein), dafür haben die Windermeres in Gideon Singer einen beneidenswerten Butler. Schade, dass das keine Riesenrolle ist…
Einzige Ausstattungsidee im fast leeren Raum von Karin Fritz ist ein moderner Luster, der je nach verschiedenem Schauplatz (die paar modernistischen Fauteuils bleiben sich immer gleich, gelegentlich hebt sich eine Wand) eine andere Form annimmt. Immerhin sind alle sehr geschmackvoll angezogen (was ja absolut keine Selbstverständlichkeit ist), zumal die Hosenanzüge von Andrea Jonasson bilden einen Blickpunkt an einem Abend, an dem es im Grunde wenig zu sehen gibt – optisch und leider auch darstellerisch.
Das Publikum klatschte zwar brav, aber man wird den Eindruck nicht los, der Regisseur habe an diesem bleischweren Abend doch glatt dafür gesorgt, dass Oscar Wilde fast durchgefallen ist…
Renate Wagner