WIEN / Theater in der Josefstadt:
HOCHZEIT AUF ITALIENISCH – FILUMENA MARTURANO von Eduardo De Filippo
Premiere: 3. Oktober 2013,
besucht wurde die Generalprobe
Wiener Theater hat oft einen „privaten“ Aspekt: Eben erst hat der Direktor des Volkstheaters ein Stück für seine Frau gespielt und inszenierte es selbst. Gleich darauf spielt der Direktor des Theaters in der Josefstadt ein Stück für seine Frau und findet dabei eine männliche Hauptrolle für sich. Das war immer so, und niemand findet etwas dabei. Da wird schließlich nicht die unbegabte Freundin eines Politikers auf die Bühne geschoben, sondern alles bewegt sich auf jenem Niveau, auf dem in Wien Theater gemacht werden muss.
Dennoch muss dergleichen nicht gut gehen. „Glorious!“ im Volkstheater war als Werk zu unangenehm, um wirklich Freude zu bereiten, und wenn man jetzt der „Filumena Marturano“ des Eduardo De Filippo wieder begegnet, erscheint sie uns heute gar nicht mehr als besonders gutes Stück. Selbst wenn man es anders und stimmiger auf die Bühne brächte, als es in der Josefstadt geschieht.
Eduardo De Filippo, das war Pirandellos Nachfahre im Geist auf einer volksstückartigen Ebene, und manches Vielschichtige ist ihm sehr gut gelungen. Die Geschichte der Filumena Marturano allerdings, 1946 in Neapel uraufgeführt, wo sie auch spielt, ist allzu simpel. Bis zur Pause eine Komödie um das in Italien beliebte Motiv des Betrugs am vermeintlichen Sterbebett (siehe „Gianni Schicchi“), nach der Pause dann ein Melodram um eine „Mamma Italia“, die letztendlich alles nach ihren Wünschen zum Guten zwingt – Mann, Söhne, alles unter einem Dach, es lebe die italienische Familie.
1964 hat Vittorio De Sica das Stück unter dem Titel „Hochzeit auf Italienisch“ mit – wie anders? – Sophia Loren und Marcello Mastroianni verfilmt. Nun gäbe es nichts Dümmeres, als Sandra Cervik und Herbert Föttinger vorzuwerfen, dass sie nicht die Loren und Mastroianni sind. Dennoch bedeuten diese beiden Persönlichkeiten das „Programm“, nach dem man dieses Stück angehen muss, wenn es funktionieren soll. Wenn Cervik / Föttinger unter der Regie Thomas Birkmeir ihren eigenen Weg suchen, kommt eine düstere Tragödie heraus, deren erzwungene Humorversuche das Ganze nicht retten. Zumal in einer so unfreundlichen Ausstattung wie dem Bühnenbild von Christoph Schubiger: Vor dunklen Wänden, die sich öffnen und schließen, kann man alles spielen. Die gerade hier so dringend benötigte Atmosphäre wird man vergeblich suchen. Dass immer wieder italienische Schlager geträllert werden, reicht absolut nicht.
Sandra Cervik ist der schmale, energiegeladene Frauentyp, der nie die große Sinnlichkeit der Filumena ausstrahlen kann, noch weniger das „Muttertier“ glaubhaft machen. Wenn sie sich sterbend stellt, um Domenico Soriano nach Jahren, in denen sie sich unbedankt in seinem Leben herumdrücken durfte, die Ehe abzuluchsen, hat das dünne komische Momente, aber wenn sie dann den nunmehrigen Gatten nach allen Regeln der Kunst beschimpft und verächtlich heruntermacht, wird sie nachgerade unsympathisch. Gerade diese Szenen hätte man mit einem „Ist ja gar nicht wahr“-Gefühl warm unterfüttern zu müssen, um aus Filumena nicht das bittere, verbiesterte und letztlich reizlose Weib zu machen, das in dieser Interpretation aus ihr wird.
Herbert Föttinger und der Regisseur wollten sich für den Domenico nicht zu dem Klischee des eitlen Latin Lovers entschließen, mit dem De Filippo hier geradezu meisterlich abrechnet, aber so bleibt nur ein schlecht gelaunter Herr mittleren Alters, der weder komisch noch liebenswert noch sonderlich begehrenswert erscheint: Und wenn dieses Stück nicht auch vor Erotik vibriert, fehlt ihm ein wichtiger Bestandteil.
Aber, wie gesagt, Regisseur Thomas Birkmeir wollte es düster und befrachtete das Geschehen in Richtung Tragödie, vermutlich in dem Bewusstsein, dass wir ja sowieso nicht einmal annähernd eine vor Vitalität platzende neapolitanische Komödie auf die Bühne bringen können. Aber ein Leichenbitter ist nicht unbedingt ein Ersatz. Und solide Nebenrollen – Marianne Nentwich, Hilde Dalik, Sylvia Eisenberger (die Studie einer verrückten Alten kann ja doch leicht aus dem Ruder laufen), Eva Mayer, Siegfried Walther, Gideon Singer u.a. – putzen nicht wirklich auf. Diese italienische Hochzeit ist eine trübe Sache.
Renate Wagner