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WIEN/ ImPulsTanz im mumok: Trajal Harrell mit „Sister or He Buried the Body“

07.08.2024 | Ballett/Performance

WIEN/ ImPulsTanz im mumok: Trajal Harrell mit „Sister or He Buried the Body“

Nach dem zweieinhalbstündigen Spektakel „(M)imosa“, das er gemeinsam mit Cecilia Bengolea, François Chaignaud und Marlene Monteiro Freitas performte, schlägt Trajal Harrell mit seinem halbstündigen Solo „Sister or He Buried the Body“ sehr viel ruhigere Töne an. Er erforscht hier mit subtilen Bildern einen Ausschnitt der Tanz- un dder Emanzipations-Geschichte und dessen Manifestation im zeitgenössischen Tanz.

Angekündigt wird dieses Stück mit: „Hier trifft Butoh-Begründer Tatsumi Hijikata nicht nur auf Katherine Dunham, Pionierin des afroamerikanischen Tanzes, Harrell erklärt beide sogar zu Geschwistern.“ So fiktiv, wie es klingt, ist es nicht. Hijikata und Dunham hatten ein gemeinsames Studio in Japan. Er bezeichnete sie als „seine Schwester im Tanz“. Und über die Herkunft jenes „Er begrub den Körper“ darf man spekulieren …

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Trajal Harrell: „Sister or He Buried the Body“ © Reto Schmid

Uraufgeführt im MUDAM Luxemburg im Juli 2022 und hier als Österreichische Erstaufführung gezeigt, installiert der US-amerikanische Tänzer und Choreograf Trajal Harrell einen geschützten Raum im Raum, in dem er die vielfältigen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Implikationen, die den zeitgenössischen Tanz prägen, sammelt und verschmelzen lässt.

Seine Performance ist dramaturgisch einfach angelegt. Er setzt sich auf einen schwarzen Klumpen Stoff in diesem abgegrenzten, längliche Areal, startet die Playlist auf seinem Handy, bewegt sich und tanzt zuerst im Sitzen, zuletzt im Stehen zu ein paar Songs. Sechs wählte er aus für dieses Stück, unter anderem von Joni Mitchell und „Why Don’t You Do Right“ von Benni Goodman und Peggy Lee in einer Bearbeitung für Klavier und Gesang. Die Songs führen inhaltlich durch das Stück und durch die Gefühlslagen. Von Sehnsucht und Versunkenheit über expressive Grimassen und das Blecken der Zunge bis in die bewusste, aufrechte, klagende und anklagende Offenbarung seiner Selbst.

Harrell verschränkt Tanzgeschichte mit politischem Engagement und der Suche nach Authentizität.

Tatsumi Hijikata gilt als der Begründer des „dunklen Butoh“, der diverse in Körper und Seele verborgene Aspekte sichtbar machen wollte. Katherine Dunham, Tänzerin, Choreografin, Pionierin des Black Dance, Anthropologin und Bürgerrechtsaktivistin, bereicherte ihren Tanz durch karibische Einflüsse. Als 82-Jährige kämpfte sie mit einem 47 Tage währenden Hungerstreik um Aufmerksamkeit für das Schicksal Haitis.

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Trajal Harrell: „Sister or He Buried the Body“ © Reto Schmid

Nachdem er sich erhebt, den vielschichtigen und -farbigen Rock, in dem er gekommen war, abgelegt hat, tanzt er im Stehen zum letzten Song, „Jezebel“ von Sade, in dem sie von der Selbstermächtigung einer arm geborenen Frau erzählt. Jeglicher Verkleidungen entledigt, nur noch in Schwarz mit Shirt und kurzer Hose, wird ein Mensch sichtbar, der gelitten hat und immer noch leidet. Einer von so vielen. Mit schmerzvollem Gesicht verbeugt er sich tief, geht ab und erscheint nicht wieder.

Es sind die Feinheiten, mit denen er aus dieser Schlichtheit Tiefe generiert. Die Innigkeit, mit der er  performt, berührt immer wieder. Trajal Harrell’s Ringen um Wahrhaftigkeit im Tanz und sein abgrundtiefer Humanismus prägen auch dieses kurze, reduzierte, fokussierte und wegen seiner emotionalen Tiefe so bewegende Solo. Großartig!

Trajal Harrell mit „Sister or He Buried the Body“ am 06.08.2024 im mumok im Rahmen von ImPulsTanz.

Rando Hannemann

 

 

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