WIEN/ ImPulsTanz im MAK: Festival-Eröffnung mit „Choreografic Objects“ von William Forsythe
Das größte europäische Festival für zeitgenössischen Tanz und Performance-Kunst feierte seine Eröffnung mit vier bis zum 18. August zu erlebenden partizipativen Installationen des 1949 in New York geborenen Ausnahme-Choreografen William Forsythe, der erst unlängst mit dem renommierten Kyoto-Preis für Kunst und Philosophie ausgezeichnet wurde. ImPulsTanz präsentiert die Arbeiten in erstmaliger Kooperation mit dem Museum für angewandte Kunst MAK Wien.
William Forsythe: „Attempt to walk without rhythm“
„Attempt to walk without rhythm“ entstand 2023. In einem zu durchquerenden leeren Raum wird dem Titel gemäß dazu eingeladen, das für gewöhnlich gleichmäßig Fließende der eigenen Gangart aufzubrechen. Irgendwie. Sei kreativ!
William Forsythe: „Putting one foot in front of the other“
„Putting one foot in front of the other“ aus dem Jahr 2019 besteht aus einer auf den Boden geschriebenen 20 Meter langen Liste von Handlungsanweisungen, die von den BesucherInnen ausgeführt werden (sollten).
Aus dem Jahr 2000 ist „City of Abstracts“, eine Videowand, auf die die BesucherInnen und deren Bewegungen zeitverzögert und verfremdet projiziert werden. Abhängig vom Ausmaß der eigenen Bewegung erscheint Sekunden später ein amplitudenmoduliertes, wellenförmig verzerrtes Abbild. Neben dem Amüsement beim Spiel mit der Projektion entstehen so Choreografien auf der Freifläche davor, deren Solo- mit spontan entstehenden kollaborativen Parts eine faszinierende Visualisierung von vordergründig physischen Prozessen erzeugen. Die Arbeit weist äußerst vergnüglich auf die Verzerrungen der Selbst- und Fremd-Wahrnehmung hin.
William Forsythe: „City of Abstracts“
Das Zentrum dieses Parcours bildet jedoch die Installation „Nowhere and Everywhere at the Same Time“ von 2013. Man ist eingeladen, sich in einem Pendelfeld zu bewegen, ohne die Pendel zu berühren. Die damit provozierten Choreografien entstehen als Interaktion mit einer Umwelt, die wir arrangieren, die aber auch uns formt. „Die Installation greift zwei zentrale Themen in Forsythes Werk auf: den Kontrapunkt und die unbewusste choreografische Kompetenz, die aus choreografischen Situationen entstehen kann.“ So der Programmzettel.
William Forsythe: „Nowhere and Everywhere at the Same Time“
Das Pendelfeld mag für die fast unendliche Zahl von äußeren Einflussfaktoren und die Unvermeidbarkeit der bewussten und unbewussten Interaktion mit ihnen stehen. Das in einem ständigen Wandel, in unaufhörlicher Entwicklung sich befindende Resultat ist ein physisch und psychisch hochkomplexes Individuum. Individuum, weil die Einzigartigkeit der äußeren Faktoren in ihrer momentanen Konstellation und Wirkmacht, die Position des Einzelnen in ihnen und die körperliche und psychische Prädisposition als prägende Momente singulär, also einzigartig sind.
Zu Beginn der vorgelagerten Presseführung eröffneten die Generaldirektorin des MAK Lilli Hollein und ImPulsTanz-Intendant Karl Regensburger mit dieser kooperativen Premiere das Festival. Julian Richter, Direktor von Forsythe Productions, der in Vertretung des verhinderten Choreografen sprach, zitierte Forsythe so: „Kunst als Erfahrung“. Denen, die über das Spielerische hinaus eintauchen in diese Arbeiten, ermöglichen sie durch das Körperliche evozierte intellektuelle und emotionale Erkenntnisse. Zudem legen die Installationen durch das Ausmaß der individuellen Reaktion auf das vorgeschlagene Verhalten wesentliche Aspekte der psychischen Grunddisposition frei.
Choreografic Objects von William Forsythe im Museum für angewandte Kunst Wien. Im Rahmen von ImPulsTanz gezeigt vom 11. Juli bis 18. August 2024.
Rando Hannemann