ImPulsTanz im Finale: Nix mehr für Walzertänzer! (11.8.2021)
Zu bewundern ist, welche Anzahl an diversen Veranstaltungen – größere in Volks- oder Akademietheater, kleinere und kleinste in ganz Wien verstreut – die heurige sommerliche ImPulsTanz-Reihe zu organisieren verstand. Insgesamt über hundertfünfzig! Der gebotene Genuss: Ja, die besser Eingeweihten konnten gewiss mit interessanten Begegnungen rechnen. Für ein breiteres Wiener Publikum ist das große Angebot mit den vielen angereisten Ensembles, kunterbunten Grüppchen, Einzelgängern aus nicht weniger als einundvierzig Ländern wohl etwas im Abseits gelegen. Sehr passabel zurecht gemacht – wie es für ein sich körperfreudig in Szene setzendes internationales Völkchen gehört. Für das ImPuls-Völkchen. Für die alten Wiener Walzer-Tänzer hat es sich allerdings ausgespielt. Dies ist aber auch keine Neuigkeit mehr.
Unter anderen im Angebot der letzte Tage des ImPulsTanz-Finales: AKRAM KHAN COMPANY mit „Outwitting the Devil“ (Volkstheater): Choreograph Akram Khan genießt mit seiner kleinen englischen Gruppe einen guten Ruf. In dieser 2019 entstandenen Kreation lässt er sein 6er Team, vom düsteren Gilgamesch-Epos inspiriert, zu einer noch düstereren Untergangsszenerie in einer schaurigen kargen Natur- und Ruinenlandschaft antreten. Ähnlich wie in mehreren heuer von ImPulsTanz präsentierten Stücken: Auf eine einziges Motiv reduziert. Und dieses wird eine Stunde (oder wie hier noch um einiges länger) im bedrohlichen Spektrum von zersetzerischen Beschwörungsgesten und Todesvisionen, Abschlachtriten total ausgewälzt. Ein gehöriger Kraftakt in diffusem Licht, doch ein gar nicht vergnüglicher. Wie auch nicht der quälend elektronisch dröhnende Standardsound. Alles wird jedoch mit ungemeinem Elan und körperlichem Einsatz in den vielen sich ähnlich wiederholenden Sequenzen mitreißend von den TänzerInnen interpretiert – und diese haben sich den starken Beifall verdient.
Auf innere oder weiter gereichte Schönheit der Menschen stoßen wir insgesamt in diesen Performances hier nur in ganz wenigen Momenten. Bleibt diese spezielle Modeszene weiterhin eine Randkultur? Impulse werden vermittelt, doch eine richtig große wie nachhaltig aufbauende eigenständige Produktion hat sich durch die Jahre zur eigenen Glorie niemals ergeben. Nochmals: Nix mehr mit Walzer oder Quadrille; die Wiener Walzerkultur und ihre Poesie haben ruppigen Klangorgien weichen müssen. Nicht nach Idealen wird gesucht, sondern die Abgründe der Welt werden angespielt, auf den latenten Untergang der Natur wird hingewiesen. Mit immenser tänzerischer Dynamik erfolgt die Annäherung an menschliche Schattenseiten.
Meinhard Rüdenauer