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WIEN/ ImPulsTanz/ Burgtheater/Bühne: Olivier Dubois mit „My Body of Coming Forth by Day“

22.07.2023 | Ballett/Performance

 

WIEN/ ImPulsTanz/ Burgtheater/Bühne: Olivier Dubois mit „My Body of Coming Forth by Day“

Bis zu 1000 Menschen hat der französische Choreograf und Tänzer Olivier Dubois bereits in einer Arbeit als Teilnehmer involviert. Mit „My Body of Coming Forth by Day“ zeigt er den Gegenpol, ein Solo, hier als Österreichische Erstaufführung. Jedoch auch das kommt nicht aus ohne Publikumsbeteiligung. Freiwillige entscheiden, aus welchem Stück seiner reichen künstlerischen Vergangenheit er Auszüge präsentiert und zu welcher Musik das geschehen soll.

Er ist Entertainer par excellence. Vom ersten Moment an plaudert er mit dem Publikum, schenkt einem Jubilar Geburtstags-Sekt aus, alle gratulieren singend. Er redet englisch, etwas französisch (mit zunehmender Erschöpfung mehr), animiert dazu, Zurückhaltung aufzugeben. „Lauter!“ „Yes!“ Die Show soll beginnen. Sein Arbeitsplatz mit Notebook und Papieren hinten wird zum Ausgangspunkt für eine unvorhersehbare Zusammenstellung von Präsentationen aus seinen über 60 Arbeiten, an denen er als Tänzer, Performer oder Choreograf beteiligt gewesen ist.

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Olivier Dubois: „My body of coming forth by day“ © Pierre Gondard

Nach jedem Stück ausgetauschte drei Freiwillige aus dem Publikum nehmen hinten auf der Bühne Platz, ziehen aus den ihnen dargereichten Zetteln eine „Karte“, also ein Stück, wählen aus einer Liste eine Musik und Dubois beginnt, Geschichten zu diesem Stück zu erzählen. Zur Entstehung, den Produktions- und Aufführungsbedingungen, zur Bühnensituation, zu Besonderheiten der Choreografie. Sehr lebendig, unterhaltsam, informativ und mit viel Humor gewürzt.

Er startet die Musik, tanzt eine Sequenz die an drei Seiten umsessene Bühne ausnutzend, gerät schnell außer Atem und ins Schwitzen und stoppt die Musik. Des weißen Hemdes und seines Anzugs entledigt er sich peu a peu. Sein kräftiger Körper mit einem beachtlichen, über die Hose hängenden Bauch lassen die Anstrengung verständlich erscheinen. Auswechseln der drei Freiwilligen, neues Stück, nächstes getanztes Fragment.

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Olivier Dubois: „My body of coming forth by day“ © Pierre Gondard

Wir reisen mit ihm durch die Jahrzehnte, von Festival zu Festival, in den Papstpalast in Avignon zum Beispiel, durch Theater und in mit sehr verschieden vielen Beteiligten aufgeführte Stücke.  Und wir reisen durch Arbeiten großer Choreografen, ihn eingeschlossen, er arbeitete für Jan Fabre, Sasha Waltz, Angelin Preljokaj, Cirque du Soleil, Dominique Boivin und andere, deren Uraufführungen oder Vorführungen zu bedeutenden Anlässen oder an besonderen Orten.

Caen in der Normandie 1998, The Doors: „Riders on the Storm“. 2007 in Lyon mit 14 ägyptischen TänzerInnen ein Stück über die Beziehung zwischen Marc Antoine und Cleopatra, dazu haucht und stöhnt Donna Summer „I love to love you baby“. Avignon 2012 „Around the World“ mit 18 nackten TänzerInnen. Zu einem berührenden Moment wird ein Tanz mit einer Zuschauerin zu „Ti amo“. Ganz vorsichtig, langsam, mit Augenkontakt, der sogar dem Publikum ins Herz dringt. Und der Botschaft, dass wir alle gut sind, liebenswert und schön. Die kam an. Der spontane Jubel zeigte es.

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Olivier Dubois: „My body of coming forth by day“ © Julien Benjamou

Das letzte Stück, von dem er uns erzählt und tanzt, ist Romeo und Julia von Angelin Preljocaj aus 1990 (es hat in der Publikumsentscheidung gegen Sasha Waltz gewonnen). Prokofjews Musik dröhnt. Und dann soll eine Überraschung kommen, ein Stück, das so noch nie getanzt wurde: Er lädt alle ein, zu tanzen. Mit der Bitte, seiner Hand, seinen Armen, Beinen und überhaupt allem Aufmerksamkeit zu schenken. Er hängt sich einen Pelzmantel um, streut Glitzer auf sein Gesicht, als Diva nun und Disco-Queen mischt er sich ins tanzende Volk.

Tausende von Erinnerungen wohnen in seinem Körper, und viel mehr noch, so scheint es, in seinem Geist. Der Detailreichtum seiner Schilderungen, alle kommen spontan und nur durch die Auswahl von ZuschauerInnen getriggert, ist beeindruckend. Mehr noch aber sein Tanz. So die wegen seiner Körperfülle wohl so manchen überraschende Flexibilität, vor allem aber die Eleganz seiner Bewegungen und seine Expressivität. Vielfach preisgekrönt wurde Olivier Dubois 2011 von der Zeitschrift „Dance Europe“ in die Riege der 25 besten TänzerInnen der Welt gewählt. Er tanzt zeitgenössisch, klassisch, Disco, Stepptanz, Flamenco, tanzt zwischen Improvisation und Zitaten seines Materials, mit Rhythmus, Leichtigkeit und Präzision. Er ist ein begnadeter, ausdrucksstarker Tänzer, er hat den Tanz im kleinen Finger, hat eine einzigartige Präsenz und Ausstrahlung.

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Olivier Dubois: „My body of coming forth by day“ © Francois Stemmer

Olivier Dubois ist Entertainer und eine ungemein integrative Persönlichkeit. Acht ZuschauerInnen etwa sollen ihn anschreien („Man muss die Venen am Hals sehen!“) und mit Knüllpapier bewerfen. „Die Geschichte der darstellenden Künste wurde von Millionen von Körpern geschrieben.“ Ein wesentliches Werkzeug für seine Arbeit als Tanz-Pädagoge scheint ihm der Spaß zu sein, den der Tanz bereiten soll. Damit adressiert er alle Altersgruppen und Professionalitäts-Level. Ein besonderes Anliegen sind ihm junge Menschen. Mit „My Body of Coming Forth by Day“ sucht und findet er den Künstler in sich, sucht nach den vielen Facetten, die ein Meisterwerk beschreiben können. Er hat sein Leben dem Tanz gewidmet. Und der Freude, die er bereitet. Und die zu vermitteln gelingt ihm hervorragend.

Olivier Dubois mit „My Body of Coming Forth by Day“ am 20.07.2023 im Wiener Burgtheater/Bühne im Rahmen von ImPulsTanz.

Rando Hannemann

 

 

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