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WIEN/Heumarkt: LA TRAVIATA – Beweinter Tod unter freiem Himmel beim Wiener Opernsommer

13.07.2025 | Oper in Österreich

Wien/ Heumarkt: Beweinter Tod unter freiem Himmel:

Verdis La traviata beim Wiener Opernsommer (12.7. 2025)

Seit Joji Hattori letztes Jahr den „Wiener Opernsommer“ gebar, vergeht im Osten Österreichs praktisch keine Woche mehr ohne Opernspielbetrieb: Nun werden also – neben unheilbar dürstenden Heimischen – auch jene Touristen bedient, die in der ersten Juliwoche nach Wien gelangen und bislang enttäuscht feststellen mussten, dass die Wiener Staatsoper, wiewohl übers Jahr der emsigste Operntempel der Welt, soeben für volle zwei Monate schloss. Schon nach einem Sommer verlegte Hattori jedoch den Schauplatz vom Belvederegarten auf den Heumarkt, wo im Winter der Wiener Eislaufverein ist, den Blicken des Publikums also immerhin noch die Seitenfassade des Konzerthauses aufgeigt.

Hier hat nun Dominik am Zehnhoff-Söns im monumental-tempelhaften Bühnenbild Manfred Wabas Verdis La traviata inszeniert: Das ist bis auf Details wie den Krankenstuhl der Titelfigur im letzten Akt eine Oper in Samt und Seide, die wohl auch dezidiert Neulinge ,abholen‘ soll. Dagegen ist unter den gegebenen Umständen nichts einzuwenden, und Aufbauten wie die zahllosen Kerzen am Schluss erzeugen durchaus beklemmende und doch spirituelle Stimmung. Doch gerade wenn es gilt, Verdis schäumendes Sozialdrama dem Anfänger zu vermitteln, dürfte sich der Chor in den Soiréen des ersten und zweiten Aktes schon etwas mehr bewegen: Sonst wird es nämlich schnell einmal zäh, statt – wie zu Verdis Zeit – die Spaßgesellschaft bissig-aktuell zu beleuchten.

Durchaus erfreulich gelingt es dagegen, Verdi persönlich als (Deutsch sprechenden) Erzähler zwischen den Szenen auftreten zu lassen; Karl Markovics spielt ihn, das kann also fast nur gut gehen, doch verbindet sich damit spielerisch zweierlei: Einerseits schließt diese Rahmenhandlung um den Schöpfer des Werks an eine Strömung an, die man auf Opernbühnen schon häufig, aber meist ohne Zusatztext erlebte – vor allem in den Arbeiten Stefan Herheims –, andererseits informieren die Worte des Verdi-Kommentators die Zuschauer darüber, was als Nächstes passieren wird. Untertitel kann jeder in drei Sprachen (Italienisch, Deutsch, Englisch) auf seinem Mobilgerät verfolgen.

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Foto: Schima

Hattori, der das Wiener Kammerorchester und den Philharmonia Chor zwar inbrünstig, aber seinerseits etwas schleppend leitet, bietet starke Sänger auf (wobei die größeren Rollen doppelt besetzt sind): Die international bereits allenthalben akklamierte Cristina Pasaroiu verkörpert die Titelrolle mit hoher Musikalität, aber nicht minder draufgängerisch, während David Kerber als Alfredo zwar ein dringlicher Liebhaber mit durchschlagskräftiger Stimme ist, man darin aber etwas den Schmelz vermisst – umso mehr, weil mit Thomas Weinhappel ein Vater Germont die Bühne betritt, der ihm trotz des zeitüblichen Spazierstocks schon äußerlich starke Konkurrenz macht. Gesanglich lässt es Weinhappel aber gerade nicht bei den Lehren des klassischen Belcanto bewenden, sondern schattiert, ja raut seine Linien absichtsvoll auf: selbst in lullenden Ariosi wie „Di Provenza il mar“. Das ist Geschmackssache, zeugt aber jedenfalls von starkem künstlerischen Willen und beträchtlicher Konsequenz. Ghazal Kazemi (Flora) und Juliette Khalil (Annina) überzeugen in ihren Rollen, Aaron McInnis (Gaston), Ejnar Čolak (Baron Douphol) und Alexander Dimitrov (Marquis d’Obigny/Doktor Grenvil) runden die Darbierung anständig ab.

Gregor Schima

 

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