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WIEN / Gloria Theater: DIE SPANISCHE FLIEGE

02.12.2012 | Theater

WIEN / Gloria Theater:
DIE SPANISCHE FLIEGE von Franz Arnold und Ernst Bach
Premiere: 9. November 2012,
besucht wurde die Vorstellung am 2. Dezember 2012

Es ist gar nicht sooo lange her. Vor einem Jahrzehnt noch konnte das Josefstädter Publikum ziemlich sicher sein, in den Kammerspielen immer wieder einen deftigen deutschen Schwank vorzufinden, der noch dazu mit der vollen Darstellerprominenz des Hauses bestückt war. Mittlerweile hat man den Spielplan der Josefstädter Bühnen dem Zeitgeist angeglichen – aber deutsche Schwänke sind noch immer verlässlich gute Unterhaltung, wenn man nichts will als lachen.

Dafür gibt es in Wien mittlerweile nur einen einzigen Ort mehr, wo man keinerlei (intellektuelle) Hemmungen hat, dergleichen zu pflegen: Das publikumsfreundliche Gloria Theater jenseits der Donau, verlässlich bestückt mit Direktor / Hauptdarsteller / Regisseur Gerald Pichowetz, der sich in jeder Lage als Meister der todsicheren Pointen erweist.

Arnold & Bach hieß das Duo, das zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die deutschen Bühnen mit ihren Schwänken bestückte, die zwar nicht so leichtfüßig witzig waren wie der absurde französische Wahnsinns-Boulevard von Feydeau, aber in dessen Sinn die bürgerliche Doppelmoral immer effektvoll aufs Korn nahm. Dass eine Tänzerin gleich ein paar betuchte Herren für einen (echten oder angeblichen Sohn) zahlen lässt, wird wohl auch schon mal vorgekommen sein – und wie ein Ehemann zappelt, dessen moralinsaure Frau davon absolut nichts erfahren soll, davon handelt „Die spanische Fliege“.

Es ist das Stück für die Weihnachtszeit – ein Riesenchristbaum ziert das wohlhabende Wohnzimmer des Senffabrikanten im Jahre 1913, die Frau des Hauses fegt hektisch herum, will sie doch die Tochter (ungefragt) an einen unbekannten Sohn einer moralischen Gesinnungsfreundin aus der Schweiz verheiraten, die Verwandten und Schmarotzer wieseln herum, junge Mädchen haben ihre eigenen Ideen über ihre Zukunft… das rundet sich innerhalb kürzester Zeit zum farbigen „Sittenbild“, in dem die Männer zunehmend rastloser und die Damen immer lästiger werden.

Gerald Pichowetz als Regisseur bekommt das einigermaßen präzise hin, und er selbst – viel zu jung wirkend! – amüsiert, meist mit darstellerischer Exaktheit, in der Rolle des geplagten Familienvaters, den die Sünden der Vergangenheit einholen. Dass er keine Angst vor platten Witzen hat, ist in diesem Genre verzeihlich. Freilich gehört ihm die Bühne nicht ausschließlich: Wer in solchen Stücken eine Art „Defekt“ hat (und auch ein extremer Schweizer Tonfall und besondere Schüchternheit und Ungeschicklichkeit gelten als solcher), der kann bei einiger Geschicklichkeit „abräumen“, und Marcus Ganser tut es hemmungslos. Wenn er und Pichowetz im Kampf der Wagen und Gesänge sich dann gegenseitig zum Lachen bringen, aus den Rollen aussteigen und das Publikum zum Zeugen anrufen, dass sie eigentlich sie selbst sind („Stehen Sie einmal mit dem auf der Bühne!“, ruft Ganser anklagend, und sogar die „Dancing Stars“, in denen sich Pichowetz derzeit umtut, kommen dann plötzlich zur Sprache) – dann ist Jubel, Trubel, Heiterkeit diesseits und jenseits der Bühne nicht zu bremsen. Nicht sehr „solide“, aber zum Teufel, das ist ein Schwank!

Ideal besetzt die sauertöpfischen Damen – ob Elisabeth Osterberger, ob Lotte Loebenstein, die können sich herrlich humorlos entrüsten. Nina Neumann und Susanna Hohlrieder sind die jungen Mädel, die ihre Erwählten natürlich doch in die Arme schließen dürfen (Erstere Marcus Ganser, Letztere Robert Notsch). Wie meist bei Pichowetz bekommt Peter Lodynski seine Pointen und Rudi Pfister auch, und diese Stücke sind so geschickt gemacht, dass selbst noch Nebenrollen (Isabell Pannagl als Dienstmädchen, Franz Mifkovic, Josef Pechhacker und sogar ein Dienstmann in Gestalt von Jürgen Grill) noch ihre kurzen Momente haben, in denen sie glänzen können.

Pichowetz spielt dergleichen selbst am Sonntagnachmittag in der Adventzeit vor so ausverkauftem Haus, dass die meisten Wiener Bühnen nur davon träumen können. Der Hunger nach schlichtem, unreflektiertem Spaß scheint enorm…

Renate Wagner

 

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