12.2.2016: Gesellschaft für Musiktheater: „URLICHT“ mit MARISA ALTMANN-ALTHAUSEN und STEPHAN MÖLLER
Stephan Möller, Marisa Altmann-Althausen. Copyright: Herta Haider
Musiktheater kann auch in einem kleinen Konzertsaal (9.Bez., Türkenstr. 19) stattfinden. Es ist unabhängig von der Größe der Sängerstimme. Es kann ohne Gestik auskommen. Das Klavier kann das Orchester ersetzen. Und das Publikum hört nur den Inhalt des Gesungenen und Gespielten und ist gebannt.
Die Tiroler Mezzospranistin Marisa Altmann-Althausen hat eine Bombenstimme, die „eigentlich“ für Fricka, Erda oder Dalila prädestiniert ist. (Ich habe sie in Kassel in allen “Ring“-Partien ihres Fachs gehört.) Vorige Saison sang sie an gleicher Stelle die Wesendonck-Lieder und Brahms‘ Zigeunerlieder (s. „Merker“ 7/15). Diesmal Brahms, Mahler und R. Strauss. Sie versteht es, ihr riesiges Stimmvolumen zur Intensivierung des Ausdrucks zu nützen. Sie spinnt aber auch piano- und pp-Phrasen, um in ätherische Gefilde vorzudringen und kann mit schlanken mezzoforte-Bögen große Spannung aufbauen. Exemplarisch ist nicht nur ihre Wortdeutlichkeit in allen Lagen, sondern auch die Prägnanz der Aussage, die sie damit erreicht. Markante Konsonanten, die aus dem vorhergehenden Text organisch herauswachsen, setzen Fixpunkte: z.B. bei Mahler nach dem forte „Du hältst die Wacht“ der fff-Schluss „um Mitternacht.“ – gefolgt von atemloser Stille im Publikum.
Während Brahms`“Auf dem Kirchhofe“ mit dunklen Stimmfarben die sturmbewegte Luft über den Gräbern vermittelt, trägt uns die Stimme in Eichendorffs „Mondnacht“ („Es war, als hätt der Himmel…“) in hellere Sphären. In „Immer leiser wird mein Schlummer“ bringt die Sängerin den beängstigend stillen Schmerz zum Ausdruck; in größeren Intervallsprüngen die schwärmerische „Sapphische Ode“ mit den Rosen, die die Dichterin „am dunklen Hage“ brach; im vokalen Gleichmaß „Von ewiger Liebe“ in die Gewissheit von deren Dauer. Das sind nicht nette Lieder, wie sie auch jeder lyrische Sopran oder Tenor singen kann, sondern sie vermitteln uns das Mysterium Brahms, dessen Seelenkraft sich ja nicht bei jeder Wiedergabe so ohne weiters offenbart.
Stephan Möller hatte uns zu Beginn des Konzerts – auf dem wunderbaren Steinway-Flügel – mit den „Drei Intermezzi“ op.117 in die Brahms-Welt eingeführt: einmal im Es-Dur-Andante moderato mit animiertem Spaziergang, einmal mit dem b-Moll-Andante non troppo e con molto espressivo in lebhafterem, fluchtartigem Gang, umdüstert von dunklen Wolken, und zuletzt in wildem cis-Moll „andante con moto“ heftig vorwärtsdrängend zu symphonischer Größe und fast prometheischem Verlangen. Mit gleicher Expessivität verhalf er den Gesangsnummern zur beabsichtigten Tiefenwirkung. Das begeisterte Publikum wollte schon zur Pause das Künstlerduo nicht von der Bühne lassen.
Gustav Mahlers Gesänge brachten erwartungsgemäß noch eine Steigerung an umfassender musikalischer Aussage. „Urlicht“ – welch ein zutreffender Titel! Dieses Licht leuchtet aus dunklen Tiefen, die dem Zuhörer von einer so profunden Frauenstimme sehr viel näher gebracht werden können. Im Wechselgespräch aus „Des Knaben Wunderhorn“ – „Wo die schönen Trompeten blasen“, nützte Marisa Altmann-Althausen die Möglichkeit, die Erzählpassagen sowie die Äußerungen der beiden Liebenden vokal unterschiedlich zu färben und mit dem prägnant artikulierten finalen „mein Haus von grünem Rasen“ auf das fatale Ende hinzuweisen.- „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ – fern dem Weltgetümmel, im stillen Gebet, nur im Lieben und im Lied lebend – Rückerts wunderbarer Text in Mahlers wunderbarer Vertonung – da ist eine Verinnerlichungs-fähige, ruhig geführte Altstimme gefragt. Hier ebenso wie „Um Mitternacht!“ – da wacht man gerne mit den Autoren und deren Interpreten.
Mit 2 der 5 Klavierstücke Op.3 zeigt der Pianist seine Richard Strauss-Kompetenz, wie dann auch bei „Allerseelen“, „Die Georgine“ und den beiden uns aus der Jenseitigkeit befreienden Liedern „Befreit“ und „Zueignung“, gemeinsam mit der Sängerin. Richard Strauss versank nicht im Weltschmerz, er blieb immer auch ein Diesseitiger. Das siegreich herausgschmetterte „habe Dank!“ hat es bestätigt. Damit war ein breites Spektrum an Seelendramen abgeschlossen.
Die beharrlich geforderten Draufgaben von ganz anderer Art (Zeller, Lehár, Sieczyński) sollten wohl das Publikum heiter entlassen.
Sieglinde Pfabigan