Wiener Konzerte:
6.5.2019: Gesellschaft für Musiktheater: MARISA ALTMANN-ALTHAUSEN und STEPHAN MÖLLER –
Brahms, Dostal, Dvořák – Große Dramatik im kleinen Saal…
Sie sind ein perfektes Team: der fabelhafte Pianist für alle Bereiche die dramatische Mezzosopranistin, die ja eigentlich auf die Wagner-Bühne gehört! Aber ein so dramatisches Programm habe ich von den beiden noch nicht gehört.
Der 1. Teil des Abends, zur Gänze Johannes Brahms gewidmet, begann mit der Rhapsodie h-Moll, op.79/1, so fulminant, dass man den Verdacht hegte, es werde bei diesem Konzert keine Chance auf ein gemütliches Zurücklehnen geben. Aber: ein fortissimo eines wirklich erstklassigen Pianisten bedeutet nicht, dass dieses einen erschlägt. Nein, dieses belebte einen, denn Stephan Möller spielte seine Crescendi und lebhaften ff-Passagen so voller Inbrunst, dass man nur überlegte, was der Komponist damit eigentlich sagen wollte. Leidenschaftliche Liebe? Reiselust zu Frühlingsbeginn? Oder einfach überbordende Lebensfreude??? Die leiseren, melodiösen Passagen – wie kurze Atempausen – , dienten nur zu weiteren Höhenflügen. Die Wahl dieses Stückes mochte aber auch einfach der Sängerin zuliebe erfolgt sein, die auch immer wieder zu fesselnder Dramatik fand. Aber diese kam ganz natürlich, klar und schön, mit metallischen Höhen und manchmal geradezu balsamischen Alt-Tiefen; es gab kein Forcieren, kein Zeichen von besonderer Anstrengung.
“Neun Lieder und Gesänge für eine Singstimme und Klavier, Op.63“ betitelte der Komponist seinen Zyklus. Die Titel hören sich alle recht schwärmerisch-romantisch an: „Frühlingstrost“, „Erinnerung“, „An ein Bild“, „An die Tauben“ sind aber gänzlich unsentimental, vielmehr sprühend vor Leben. Ich bin mit Marisa Altmann-Althausen zusammen einmal den Brahms-Wanderweg in Mürzzuschlag gegangen – da haben wir viel erfahren, mit welcher Passion er gewandert ist und manchmal in einem Tempo, dem begleitende Freunde nicht folgen konnten, bis es einmal wieder Besinnungsmomente gab, mit Betrachtung von Naturphänomenen und erhebende Ausblicke auf das Hochgebirge (Schneeberg, Rax). Viel Naturverbundenheit spricht aus diesen Gesängen, wobei die Titel der einzelnen Lieder manchmal irreführend sind. „Meine Liebe ist grün“ etwa fängt schon im Forte „animato“ an, fürs Klavier-Zwischenspiel dann „stringendo“, und in jeder Folgestrophe ebenso feurig-dramatisch, bis hinein in die finalen „liebestrunkenen Lieder“ – für eine so dramatische Stimme wie geschaffen. „Wenn um den Hollunder“ beginnt „zart bewegt“, aber fürs Klavier „poco forte“, für den Sänger/die Sängerin „p dolce“, kulminierend in Besingung der „heiligen Gottesgewalt“. Die wiederholten Intervallsprünge verlangen der Stimme große Beweglichkeit ab, doch am Ende kann die Sängerin mit ihrer schönen Alttiefe punkten. Bei den letzten 3 Liedern, „Heimweh“, „O wüsst ich doch den Weg zurück“ und „Ich sah als Knabe Blumen blüh‘n“, dominiert eine verträumte Rückschau. Der einst geflochtene Blumenkranz erschien Brahms zuletzt – bei animierendem Rhythmus – neu und frisch.
Stephan Möller entließ uns mit einer furiosen g-Moll-Rhapsodie, Op.79/2, angeregt in die Pause.
Franz Eugen Dostals (des Präsidenten der Gesellschaft für Musiktheater) „Drei Gesänge um Orpheus“ sind (in Moll-Tonarten) in tragisch-düsterem Grundton gehalten: „Orpheus an Eurydike“, „Orpheus unterwegs in den Hades“, „Orpheus unter Efeu“. Sie verlangen von der Stimme, vom Klavier wie auch von der Emotion her Hochdramatik und ihre Intensität fordert von den Interpreten enorme Spannungsbögen. Der selbstverständlich anwesende Komponist sagte mir dann, dass ihn die Wiedergabe seiner Kompositionen durch eine Frau mit solch flexibler Stimme mehr überzeugt hatte als von Männern gesungen.
Der Rest des Abends gehörte den „Zigeunern“!
Antonin Dvořáks „Zigeunermelodien“ – eine Vollblut-Musik, angesiedelt in den Weiten der Puszta und angesichts der Tatra-Höhen, schien die beiden Interpreten genauso zu fesseln wie uns Zuhörer. Sie konnten mit den böhmischen Rhythmen, mit manch eindringlichem Legato (auch pianistisch!) oder wunderbaren Glissandi berühren, bis hin zum hinreißenden Höhepunkt in „Horstet hoch der Habicht auf den Felsenhöhen“: „Hat Natur, Zigeuner, etwas Dir gegeben? Ja! Zur Freiheit schuf sie mir das ganze…Leben!
Hochdramatischer Applaus des Auditoriums legte es nahe, dass – um bei den ZigenuerInnen zu bleiben, als Draufgaben Azucenas „Stride la vampa“ und Carmens „Seguidilla“ Opern-gerecht zu erleben waren.
Zur Beruhigung des Publikums gab es die Wiederholung des ersten Brahms-Liedes: „Frühlingstrost“.
Sieglinde Pfabigan