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WIEN/ Gesellschaft für Musiktheater: MARISA ALTMANN-ALTHAUSEN / STEPHAN MÖLLER

Dramen auf der Konzertbühne

14.11.2018 | Konzert/Liederabende


Marisa Altmann-Althausen, Stephan Möller. Foto: Herta Haider

WIEN/ Gesellschaft für Musiktheater, 1090 Wien, Türkenstr. 19: Marisa Altmannn-Althausen / Stephan Möller –
Dramen auf der Konzertbühne. Am 13.11.2018)

Diese beiden Künstler, die Mezzosopranistin und der Pianist, rechtfertigen den Namen der veranstaltenden Gesellschaft: So viel fesselnde Dramatik bei exzellentem Liedgesang ohne ungebührliches Auftrumpfen des instrumentalen Begleiters wird wohl in diesen Räumen selten zu Gehör gebracht. Stephan Möller ist sicherlich heute einer der Spitzenvertreter dieser Branche. Was der nicht mit großer Gestik agierende Musiker an Klangzauber und Klangintensität seiner Vokalpartnerin vom Steinway-Flügel aus zuspielt, ist ein Erlebnis für sich. Die Tiroler Mezzosopranistin mit der enormen Wagner-Stimme von starker Ausdruckskraft gestikuliert auch in den dramatischesten Momenten keineswegs, sondern überlässt alle „Aktion“ ihren Stimmbändern – allerdings mit einer unglaublichen Wortdeutlichkeit. Bei so manchem geradezu plastisch artikulierten Liedbeginn wähnte man sich selber inmitten der dargebotenen Gefühlsphase oder an einem bestimmten Schauplatz und blieb bis zum letzten Ton in dessen Bann.

Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Franz Liszt, John Cage und Richard Wagner hießen die 4 Komponisten des Abends. Die ausgewählten Lieder hätten unterschiedlicher nicht sein können. Die 6 russischen Lieder auf Texte von 5 verschiedenen Dichtern (Tolstoj, Mej nach Goethe, Apuchtin, Polonski, Chomjakow) wurden deutsch gesungen, was ihrer Kantabilität keinen Abbruch tat. Das erwies sich gleich im 1. Lied,  Inmitten des Ballesträumt eine Frau voll – schmerzlich kraftvoll gesungener – Sehnsucht und in piano-Seligkeit von der Erlösung vom Liebesschmerz, endet aber sehr harmonisch mit der Überzeugung,Dein ist mein Herz“.  Tschaikowski lässt Goethes  Mignon in mehreren Varianten bekennen:Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide“, lässt, sich glutvoll steigernd, die „Eingeweide brennen, was der dramatischen Tiefe der Sängerin entgegen kommt, aber auch mit dem sanften Sehnsuchts-Schluss überzeugt sie.  Reine Lyrik bot sie in „So bald vergessen alles Glück“. Vom Klavier in bewegtem ¾-Takt rhythmisch packend vorgegeben und getragen, hörte man das „Lied der Zigeuner“. Das Lied „Heldentat“ stellt der „Größe“ von Kämpfen und Streiten, Bosheiten und Gewalt, sowie beflügelten Taten und Leiden die noch größere Bedeutung von Liebe und Geduld gegenüber.  Ein „Crescendo poco a poco“ macht das Lied aufregend, zuletzt berührt aber die gewonnene Einsicht. Dem bewegten Vortrag der beiden Künstler folgt mit „Durch das Fenster seh ich schimmern…“ ein witziger, kurzer Abschluss des Tschaikowski-Blocks, der dem Publikum den lang zurückgehaltenen Applaus aus den Händen reißt.

Den uns aus bekannteren, weit lyrischeren Vertonungen vertrauten Heine- und Goethe-Liedern hat Franz Liszt weit mehr Dramatik gegenüber gestellt.  Er lässtIm Rhein, im schönen Strome“ die Wellen mächtig aufrauschen und bei „das große, das heilige Köln“ beinah heroisch crescendieren. Marisa Altmann-Althausen nimmt bei der Beschreibung des Bildnisses auf goldenem Leder gemalt, wie gefordert, ins dolce zurück. Obwohl von einem Mann an eine geliebte Frau gesungen, werden dessen Gefühle auch mittels der kräftigen Mezzo-Stimme glaubhaft ausgedrückt. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ begann die Sängerin rezitativisch so eingängig, das man sofort gefesselt lauschte. Liszts mehrfache Wortwiederholungen ließen einem dank der anhaltend markanten Artikulation des Textes Zeit zum Überlegen, was für Liszt eigentlich die Hauptaussage des Gedichts sei, zumal sein Lied mit dem x-mal wiederholten „Das hat mit ihrem Singen die Loreley getan“ endet. Die Legende von der „schönsten Jungfrau“, die „da oben sitzet“ hat wohl auch ihn gefesselt?  – Fast gebetsartig hat Liszt „Du bist wie eine Blume“ in Töne gesetzt.  Die Beruhigung, die den Zuhörern hier gegönnt wird, wandelt sich schnell wieder in „Mignons Lied: „Kennst du das Land...“ zu bewegterer, sich ständig steigernder Aussage, von den Interpreten in einem weiten Spannungsbogen dargeboten. 

Mit „Three Early Songs“ von John Cage (1912 – 1992) begann der 2. Teil des Konzerts sehr erheiternd.  Mit Titeln wie „Twenty Years After“, „Is It As It Was“ oder „At East And Ingredients“ bietet er auch musikalisch humoristische Wortspiele – in gebotener Kürze. Ein Spaßvogel!

Zuletzt wurde es „ernst“ – aber wunderschön! Mit Richard Wagner. Stephan Möller spielt von ihm eine Polka in G-Dur, WWV 84, einen Notenbrief G-Dur für Mathilde Wesendonk (Keine WWV-Nummer) und „Eine Sonate für das Album von Frau M.W., As-Dur“, WWV 85 – alles ein pianistisches Vergnügen. Studien, die in die „Tristan“-Zeit fallen. Die 5 Wesendonck-Lieder bildeten den erwartungsgemäßen Höhepunkt des Abends, zumal Marisa Altmann-Althausen in seinen Mezzo- und Alt-Partien auch ihre Glanzrollen gefunden hat. „Der Engel“, so ebenmäßig gesungen und ebenso betörend schön begleitet, führt den „Geist“ des Zuhörers tatsächlich „himmelwärts“. „Sausendes, brausendes Rad der Zeit…“, das im Lied „Stehe still“ zum Stillstand aufgefordert wird, lässt sich im Grund nur aus „Tristan“-Sicht wirklich verstehen. Die beiden Interpreten vermochten die richtige Atmosphäre Klang werden zu lassen, durch Wohlklang und sinngemäßen Ausdruck. „Hochgewölbte Blätterkronen“ schienen sich auch „Im Treibhaus“ über uns auszubreiten. „Unsre Heimat ist nicht hier“ wurde uns glaubwürdig versichert, aber wir waren alle glücklich, in ihr Gast sein zu dürfen!
Auch Mathildes Dank für die „Schmerzen“ nahmen wir gerne hin. Und die „Träume“, vermittelt durch eine so gewaltige und aussagekräftige Stimme und pianistische Suggestionskraft, erweisen sich als ungemein faszinierend.

Nicht enden wollender Applaus führte zu zwei  Zugaben: Schuberts „Litanei“ und „An die Musik“. Bis zum nächsten Mal….

Sieglinde Pfabigan

 

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