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WIEN/ Gesellschaft für Musiktheater: EIN SONNTAG MIT MICHAEL HELTAU

01.05.2017 | Feuilleton

 

  1. 4. Matinee der Gesellschaft für Musiktheater: Ein Sonntag mit MICHAEL HELTAU

Viele Besucher und vor allem –Innen waren in die Türkenstraße gekommen zu einem Künstlergespräch, initiiert vom Präsidenten der Wiener Volksopernfreunde, Dr. Oliver  Thomandl, rund um Publikumsliebling KS Michael Heltau. Zunächst jedoch drehte sich, vom Präsidenten der Gesellschaft für Musiktheater, Prof. Franz Eugen Dostal,  höchst eigenhändig aufgelegt, das Jacques Brel-Chanson Karussel in exzellenter deutscher Übersetzung von Werner Schneyder auf dem Plattenteller. „… Und hernach dann in der Garderobe / hab ich längst den sich‘ren Beweis, /  dass ich selbst das Karussell bin / weil ich mich ewig drehe im Kreis!“ lautet das Ende dieses Songs ohne Ende.  Und dann kommt er herein, dieser Jüngling, der den Achtziger schon um einiges hinter sich gelassen hat, voller Schwung wie ein Frühlingstag. Der Begrüßungsbeifall will gar kein Ende nehmen, bis er ihn wie ein Dirigent mit einer Handbewegung abbremst.

„Großer Magier“ nennen ihn die Medien, und wenn man das Leporello der Rollen und Sparten aufblättert, die er in seinem Bühnenleben schon gespielt hat, so stellt er sich als wahrer Don Giovanni des Theaters und in weiterem Sinne auch des Films heraus. Der Kammerschauspieler-Titel, die Kainz-Medaille und das obligate Portrait im Vestibül des Burgtheaters  haben ihn  längst erreicht, obwohl er seit 17 Jahren keine Rollen mehr spielt, sondern nur noch seine Soloabende mit den Wiener Theatermusikern gibt, die alle seine Stückeln vom französischen Chanson, speziell von Jacques Brel, über Operettenmedleys, Schlager der 20er Jahre bis zum Wienerlied mitspielen und abrunden. Das ist für ihn interessant, weil man nicht weiß, wie es ausgeht: „Da häng‘ ich selbst meinen Kopf in die Schlinge und schau, wie ich ihn wieder herauszieh“, meint er lachend.

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Jacques Brels Grab befindet sich auf dem Friedhof von Atuona auf der Marchesa-Insel Hiva Oa, Französisch-Polynesien, in unmittelbarer Nachbarschaft von Paul Gauguin. © Szynkariuk

Wie das alles begonnen hat? Ja mei – der Inbegriff des Wiener Schauspielers mit Kultformat kommt gleich auf seinen bayrischen Migrationshintergrund zu sprechen. Geboren in Ingolstadt, wo sein Großvater Leibkoch des Prinzen Luitpold von Bayern war und somit dem Militärstatus angehörte, wuchs er in ländlichem Umfeld wohlbehütet am unteren Ende einer begüterten Großfamilie von vier Generationen auf.  Besonders der Mutter, die bei seiner Geburt erst 18 Jahre alt war, fühlte er sich eng verbunden. Sie verstand es, ihn anzuleiten und zu fördern, ohne ihm Entscheidungen aufzuzwingen, so dass er seine Begabung und seine Berufung selbst entdecken und entwickeln konnte.

Sein  theatralisches Urerlebnis hatte er als Fünfjähriger bei einem Bunten Abend mit Musikclowns und Coupletsängern in einem Gasthof  in Kemating bei Seewalchen im Salzkammergut, wohin ihn seine Eltern, die  inzwischen dorthin verzogen waren, mitgenommen hatten. Da trat u.a. ein Zauberer-Ehepaar auf  in bunten Kostümen, aus denen sie Tauben auffliegen ließen, die die Phantasie des Knaben im wahrsten Wortsinn beflügelten. Noch heute, meinte er, hätte keines der vielen Bühnenerlebnisse, die er im Laufe seines  Lebens gehabt hätte, dieses eine übertroffen. Da passte natürlich das Lied Bringt mir die Clowns, wo es, und da denkt man ein bisschen an Shakespeare, heißt: „… Jetzt steh‘ ich da vor leerem Haus / ich bin ein Narr …“   

Sein Debut gab er wenig später im Rahmen eines Kindertheaters, das eine Wienerin in Sommerfrische namens Rosel Waldmann initiierte. Schauspielerin mit Leib und Seele, konnte sie auch im Urlaub das Theaterspielen nicht lassen und studierte im Gasthof  Stallinger mit Kindern aus der Umgebung und mit Unterstützung von Pater Corbinian ein Theaterstück ein. Nachdem das Biwerl, wie ihn sein Großvater nannte, beim täglichen Milchholen dort vorüberkam und große Augen machte, wurde der entzückende Bub hereingeholt und erhielt, da das Stück ja schon fertig war, zunächst eine stumme Rolle als Hofmarschall Zitronat in grellgelbem Kostüm. Dennoch fiel der Kennerin seine schöne Sprechstimme auf, und es wurde eigens ein Prolog für ihn geschrieben. Nachdem ihn auch befreundete urlaubende Burgschauspieler auf der Bühne  gesehen hatten und entzückt waren, war es Käthe Dorsch, die das Talent des Buben erkannte und den Anstoß für die spätere Berufslaufbahn gab. Besondere Förderer in den Jahren seiner Anfänge waren u. A.  Fred Liewehr, Leopold Rudolf, die hochverehrte Alma Seidler und Gustav Manker.

Und das ist auch seine Botschaft: Nichts im Leben ist wichtiger als die Begegnung mit den richtigen Menschen; die Sympathie ist alles. Und da schließt er das Publikum, bestehend aus lauter Talenten, die mit ihrer Eintrittskarte ein Stück von ihm selbst gekauft haben, durchaus mit ein. Die unvergleichliche Interpretation als Higgins aus My Fair Lady mit Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht in einem Live-Mitschnitt der Volksoper rief nicht nur beim Publikum, sondern auch bei Michael Heltau selbst wegen ihrer Unmittelbarkeit und der Qualität der Wiedergabe große Begeisterung hervor. Damit konnte sich Dr. Thomandl diskret in Erinnerung bringen, denn das Gespräch war auf weite Strecken der Monolog eines großen Verwandlungskünstlers, der dennoch in all‘ seinen Rollen er selbst blieb.                                                                                                                     

Ursula Szynkariuk          

 

 

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