Heimkehr zur „Winterreise“ 31.1.2020
Bass-Bariton Huub Claessens+Blasinstrumente/ RA Dr. Martin Schuppich am Flügel
Foto: Studio TONAL Wien, Alexander Grün
„Am Anfang war…“ vorgesehen und kam so zu ihrer Erstaufführung – die ganz besondere Form von Franz Schuberts „Winterreise“! Im Rahmen einer Veranstaltung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kooperierend mit den „Wiener Vorlesungen“ (letztere waren damals noch organisiert von Universitäts-Professor Dr. Christian Hubert Ehalt). Das reichhaltige Jahresprogramm 2017 enthielt unter anderem die Durchführung einer „peripatetischen Wanderung“ im Sinne der griechischen Antike und der Schule des Philosophen Aristoteles – eine Rückbesinnung auf die heilsame Wirkung von Physis und Psyche nach einem Spaziergang. So kam es damals im Sommer zu einem Ausflug ins Waldviertel mit vielen Interessenten, zumeist angereist aus Wien auf die historische Burg Raabs in den Rittersaal. (Gastgeber am Ort waren „Freunde und Förderer der Burg Raabs“, sowie der Verlag „Bibliothek der Provinz“).
In der wohl temperierten kühlen Burg erwartete das Publikum erstmalig, in Form einer quasi „musikalischen Installation“, Franz Schuberts auskomponierte Depression seiner „so genannt schrecklichen Lieder“. In einer neuen, ungewöhnlichen und vor allem emotional spannenden Dimension als Kunstprojekt gab es ein Wechselspiel; sowohl durch den niederländischen Bass-Bariton Huub Claessens, als auch durch sein außerordentliches Musizieren mit 4 von ihm selbst dazu gespielten Blas-Instrumenten in der Form improvisierter Miniaturen. Ein spezielles Hör-Erlebnis durch diese ungewöhnliche „Les-Art“ der Komposition war schon damals zu erwarten. Zusätzlich zur dunklen Stimme des Sängers – gab es von ihm abwechselnd dazu jeweils – musikalische besonders berührende Einwürfe vom 110 Jahre alten historischen C-Saxophon oder einem Flügelhorn. Daneben in freier Improvisation sich jeweils anschmiegend bzw. dazu kontrastierend, Wilhelm Müller´s Gedicht-Zyklus, teils instrumental persönlich ein-begleitet oder als solistischer Abgesang, durch Blasinstrumente paraphrasiert. Zum Teil lediglich frei vorgetragen vom Sänger wurden durch Schubert nicht auskomponierte Zitate aus den Gedichten.
Unverändert blieb jedoch die Original-Form von Schuberts Vertonung vom Klavier aus. Der Jurist Doktor Martin Schuppich hat sich ebenso die Musik erkiest, wie auch Studien absolviert in Gesang und gilt als ein sehr versierter Liedbegleiter. Damals nützte er den im Rittersaal verfügbaren betagten Flügel der Marke „Petrof“ – und entlockte ihm beachtliche behutsame Klänge. Kein Wunder, denn Flügelmann Schuppichs Begleitung stand in der einfühlsamen Tradition des legendären Wiener Liedbegleiters Erik Werba. Die Resonanz des Publikums – von ungewöhnlichem Zauber dieser neuen Lieder-Zyklus-Fassung in einer etwas anderen Form berührt – es sparte nicht am Beifall!
„Winterreise 2019 Kittsee“. Foto: privat/unbezeichnet
Zu einer Reprise 2019 kam dieses originale Programm mit den selben Musikern als Gäste im denkmalgeschützten Schloss Kittsee zur Feier der Fertigstellung der kulturhistorischen Renovierung. Auch hier wurde das Konzert mit den beiden Musikern in gleicher Form und Zusammensetzung vom Publikum ebenso gefeiert.
Nun die Heimkehr nach Wien zum 223. Geburtstag des „Liederfürsten“ am 31.1.2020
Es hat sich offenbar herumgesprochen, welche Strahlkraft dieses „Winterreise“-Kunstprojekt einer „musikalischen Installation“ hatte!. Die Schubert-Gesellschaft Wien-Lichtental entschloß sich aus Anlaß vom Schubert-Geburtstag zu einem Festkonzert in Amtshaus und Festsaal der Bezirksvorstehung Alsergrund 1090 Währingerstraße 43. Zur Feier des Abends und im Rahmen von „Kultur im Alsergrund“ wurde ein Fazioli-Flügel vom Klavierhaus Stingl freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Offenbar wollten sehr viele Zuhörer/Innen bei diesem besonderen Geburtstags-Fest teilnehmen, und so verlief der Beginn der Veranstaltung eher recht turbulent. Besucher, die keine Eintrittskarte hatten, gesellten sich ohne Karte dazu, nahmen den zahlenden Gästen die Sitzplätze weg und etliche konnten nur entlang der Wände stehen. Doch auch dieses Problem wurde kurzfristig gelöst durch das Dazustellen von herangekarrten Sitzgelegenheiten, und so konnte zum Glück mit leichter Verspätung begonnen werden.
Trotz der Dämpfung des vollen Saales durch das nun randvolle Publikum fand ich persönlich diese großzügige Location doch als etwas problematisch und eigentlich zu hallig. So geriet Huub Claessens dunkle Stimme für mein Gefühl besonders zu allem Anfang etwas zu martialisch. Nach einer eigentlich nicht notwendigen und vorallem zu langen Pause nach dem Zyklus-Lied Nr.12 „Einsamkeit“ gelang ihm eine reife und ergreifende Leistung im zweiten Teil. Dr. Martin Schuppich als Flügelmann und „Lordsiegel-Bewahrer“ vom Notentext des „Liederfürsten“ Schubert hatte bereits von Anfang an mit seinem Spiel das Publikum gefangen und konnte dank seiner Agogik der sehr persönlichen sozusagen „sprechenden“ Spielweise in seinem Klavier-Spiel vollends überzeugen.
Diese erfolgreiche „Winterreise-Stationen-Konzert-Reihe“ hatte insgesamt drei Aufenthalte – zuerst die romantische Burg Raabs, dann das historische Schloß Kittsee und nun das Finale „zurück zum Ursprung“ an Schuberts Alsergrund-Lichtental. Damit gelang eine glückliche Heimkehr an den historischen Geburtsort und ein wichtiges und würdiges Gedenken!
Norbert A. Weinberger