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WIEN/ Festival „Fremde Erde“/Barockkirche St. Ulrich. „Verfemte Musik – immer mit Tiefgang. Francois-Pierre Descamps, Alma Rosè-Quartett, Jeremias Friedl (Cello).

27.04.2025 | Konzert/Liederabende

Wiener Festival „Fremde Erde“ – verfemte Musik, immer mit Tiefgang

lalo
Foto: Lalo Jodlbauer

Es ist ausschließlich in die Tiefe gehende Musik. Rund ein Jahrhundert zurück, in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts führt die zweite Ausgabe des Wiener Musikfestivals „Fremde Erde“ (bis 4.Mai, diverse Spielstätten im 7. Bezirk). Das Anliegen der Initiatoren Julitta Dominika Walder & Gerald Buchas: „Musik als Ausdruck von Menschlichkeit, als Spiegel der Zeit und als Ort des Widerstandes – in diesem Geist widmet sich unser Festival jenen Stimmen, die zwischen 1933 und 1945 zum Verstummen gebracht werden sollten. Komponist:innen, die aufgrund ihrer Herkunft, politischen Haltung oder künstlerischen Überzeugung verfolgt, entrechtet, ins Exil getrieben oder ermordet wurden. Viele von ihnen gerieten in Vergessenheit, ihre Werke wurden verdrängt, ihre Biografien ausgelöscht“.
 
Der erste Abend unter dem Titel „Verlorene Klänge“ in der Barockkirche St. Ulrich (ideale Akustik!) hat durch die hohen Qualitäten der Ausführenden wie der vier aufgeführten Kompositionen verblüfft. Polnische Interpreten spielten mit höchster Intensität Kammermusik des in die USA emigrierten Wieners Erich Zeisl (1905 – 1959) wie des vor den Nationalsozialisten in die Sowjetunion geflüchteten Polen Mieczyslaw Wajnberg (1919 – 1996). Und das Alma Rosé Quartett der Wiener Musikuniversität glänzte mit dem 3. Streichquartett des 1944 in Auschwitz ermordeten Viktor Ullmann – sein „Der Kaiser von Atlantis“ ist zur Zeit im Repertoire der Volksoper zu sehen.
 
Und zum Abschluss, konträr mit groß besetztem Orchester unter Francois-Pierre Descamps, brillierte der Kärtner Jungcellist Jeremias Fliedl mit absoluter Klangschönheit in Max Bruchs „Kol Nidrei“  – nun, bereits 1880 komponiert, hat dieses musikalische Gebet zum jüdischen Versöhnungsfest dem in seiner Zeit so berühmten Komponisten den Verdammungsfluch der Nationalsolisten gebracht. Insgesamt: Ausdrucksstarke Kompositionen mit langen Melodielinien – doch sie zählen in ihrer Aussagen wohl auch nicht immer zu den so ganz glücklich machenden. Weiters im Programm von „Fremde Erde“: Lieder und Kammermusik von Frank Schreker, Erich Wolfgang Korngold, Alexander Zemlinsky sind im „Von ewigem Leben“-Abend zu hören. Und komponierende Damen aus diesen Jahren gibt es in Folge der Reihe nach: Henriette Osmans, Viteslava Kaprálová, Ruth Schönthal, einige mehr. Ohne den Namen Arnold Schönberg wird jetzt hier dieser untergegangenen Kultur gedacht.
Information: www.fremde-erde.at
 
Meinhard Rüdenauer

 

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