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WIEN/ F 23/ Breitenfurterstraße/ehem. Sargfabrik: Teil 4: „Der Fremde“ von Gerhard E. Winkler. Premiere

07.10.2020 | Oper in Österreich


Die Familie in ihrem Haus: Romana Amerling (Mutter), John Sweeny (Vater), Johanna Krokovay (Tochter) und Bernd Fröhlich (Sohn) Foto: sirene operntheater/Helmut Hussian

Kammeropern-Festival des „sirene“-Operntheaters: Teil 4: „Der Fremde“ von Gerhard E. Winkler (Premiere: 6. 10. 2020)

 Wie vom Online-Merker schon berichtet, findet zurzeit unter dem Titel „Die Verbesserung der Welt“ ein Kammeropern-Festival des „sirene-Operntheaters“ in sieben Folgen statt.  Am 6. Oktober fand im 23. Bezirk von Wien (in einer aufgelassenen Sargfabrik) die Uraufführung des 4. Teils des Festivals statt: „Der Fremde“ von Gerhard E. Winkler.

Die Handlung der Kammeroper, dessen Libretto Martin Horváth verfasste, in Kurzfassung:

Ein Fremder bittet um Unterschlupf.  Der Vater der Familie nimmt den Fremden auf, wobei er sich auf das Gesetz der Nächstenliebe beruft. Der Sohn ist empört, denn das Beherbergen eines Fremden ist gegen das Gesetz. Die Mutter ist von der ihr fremden Kultur anfangs  irritiert und mag vor allem nicht, dass der Fremde und die Tochter einander näherkommen. Allein die Tochter sieht den Fremden mit den Augen des Herzens – vorurteilslos und mitfühlend. Als sich der Fremde schließlich vom Haus wieder entfernt, bittet die Tochter: „Schenk mir zum Abschied ein Lied.“ Die Kammeroper endet, indem der Fremde ein Lied auf Farsi singt.

Der im Jahr 1959 in Salzburg geborene Komponist Gerhard E. Winkler absolvierte das Studium der Musikwissenschaft, aber auch der Philosophie und Psychologie. Nach diversen Unterrichtstätigkeiten in Salzburg und Innsbruck  ist er seit 1999 als freischaffender Komponist tätig. Er schrieb die Oper Heptameron (1998 – 2002), Orchester- und Kammermusikwerke – zum Teil mit Live-Elektronik.

Die Inszenierung von Kristine Tornquist, die in allen bisher aufgeführten Teilen des Kammeropern-Festivals Regie führte, war packend und zeichnete sich vor allem durch ihre exzellente Personenführung aus. Sie nützte auch für die insgesamt 14 Szenen geschickt die Drehbühne, wodurch das Haus der Familie stets im Mittelpunkt der Handlung stand (Bühne und Requisite: Michael und Markus Liszt). Die zeitgemäßen Kostüme, aus denen besonders das adrette Kleid der Tochter herausstach, entwarf Katherina Kappert.

Das 14-köpfige Orchester „PHACE – contemporary  music“ brachte unter der umsichtigen Leitung des temperamentvollen Dirigenten François-Pierre Descamps die vielschichtige Partitur, die oftmals etwas schrill klang, aber die Szenen musikalisch reizvoll untermalte, nuancenreich zum Erklingen. Zur Ouvertüre tanzte ein Paar – im Programmheft als Wächter  bezeichnet – rund um das Haus. Die Tänze von Bärbel Strehlau und Harald Wink – es folgten noch einige während der Vorstellung – waren gekonnt witzig gestaltet (Choreographie: Bärbel Strehlau) und reizten im Publikum nicht wenige Besucher des Öfteren zum Lachen.


Johannes Schwendinger in der Titelrolle und Johanna Krokovay als verliebte Tochter (Foto: sirene Operntheater, Helmut Hussian)

Wie fast immer bei Aufführungen des „sirene-Operntheaters“ bot das Sängerensemble erstklassige Leistungen. Der aus Bregenz stammende Bass Johannes Schwendinger konnte als Fremder darstellerisch besonders überzeugen. Er wirkte sehr sympathisch, was seiner Rolle voll entsprach. Ihm ebenbürtig war die Wiener Sopranistin Romana Amerling in der Rolle der Mutter. Mit angenehm weicher Stimme und betont ruhigem Spiel agierte sie auf der Bühne ebenfalls sehr überzeugend. Dass sie am Schluss den stärksten Applaus des Publikums erhielt, war hochverdient.

Kokett und anmutig präsentierte sich die junge aus Baden gebürtige Mezzosopranistin Johanna Krokovay in der Rolle der Tochter. Mit ihrem weißen Kleid und ihrem reizvollen Aussehen konnte sie spielend das Herz des Fremden gewinnen. Gesanglich musste sie einige Male allzu schrille Spitzentöne von sich geben. Nicht gerade einfach, aber sie schaffte es. Ihren  Bruder spielte der aus Innsbruck gebürtige Tenor Bernd Fröhlich. Er legte die Rolle des Sohnes der Familie ausgesprochen temperamentvoll an und outrierte bei seiner Empörung über das Beherbergen eines Fremden als gesetzwidrige Tat etwas zu stark. Eindrucksvoll agierte der amerikanische Bassbariton John Sweeney als Vater der Familie. Mit angenehmer Stimme und ruhigem Spiel bot er einen guten Gegensatz zu seinem Sohn. Man darf ihn als eine Idealbesetzung für diese Rolle bezeichnen.

Das von den Leistungen beeindruckte Publikum im gutbesuchten F 23-Areal des „sirene-Operntheaters“ spendete am Schluss der Vorstellung allen Mitwirkenden minutenlang frenetischen Beifall. Sonderapplaus gab es schließlich noch für den Komponisten und seinen Librettisten sowie für das gesamte Regieteam, das auf die Bühne gebeten wurde.

Udo Pacolt

 PS: Die Termine der letzten drei Teile des Kammeropern-Festivals sind: 17. bis 20. Oktober „Amerika oder Die Infektion“, 29. Oktober  bis 1. November „Ikarus“ und 10. bis 13. November 2020 „Die Verwechslung“.

 

 

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