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WIEN/ Burgtheater: BAROCCO – denkwürdiges Multimedia-Musiktheater im Rahmen der Wiener Festwochen

19.05.2024 | Oper in Österreich

Wiener Festwochen: „Barocco“ – denkwürdiges Multimedia-Musiktheater (19.5.2024)

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Die ‚Freie Republik Wiener Festwochen‘ hat sich am Beginn ihrer fordernd angetretenen Ideen-Expedition ein explosives Stück Musiktheater auf ihre temporäre Spielwiese geholt: „Barocco“ als Gastspiel im Burgtheater. Kein eigenes Gedankengut, doch eine denkwürdige Produktion des Hamburger Thalia Theaters – mit der Provenienz aus Moskau.

„Barocco“ beeindruckt als ein perfekt gestaltetes Multimedia-Musiktheater. Oder Show. Oder ein über zwei Stunden aufgeheiztes ‚musikalisches Manifest‘. Ein tragisches, mit dem Untertitel „#einmitspielfeuer“. Gestalter Kirill Serebrennikov, als ein in Putins Gewaltherrschaft verfolgter Theatermann, nun in Hamburg zuhause, hatte sein anklagendes Spektakel 2018 in Moskau in Szene gesetzt. Und 2023 für das Thalia Theater mit aller Brisanz aktuell aufbereitet. Nummer auf Nummer, nicht verbundene, doch reich an Gedankenverknüpfungen. Wie einem manipulierenden Würfelspiel sich fügend, begleitet von satten grellfarbigen Bildwirkungen, Videos, Schlagworten und einer zündenden Musikmixtur. Assoziationen werden gefordert: Jammermonologe, Groteskclownerie mitten im Publikum, ein skurriler Totentanz, immer wieder das Spiel mit Feuer, verbrannte Bäume auf der Bühne, filmisch ein brennendes Menschenopfer, schließlich ein Kriegszenarium mit all den Zerstörungen friedlichen Lebens. Nach der Einspielung von jungen Künstlerinnen hinter russischen Diktatur-Gittern folgt Serebrennikovs Konklusion: „Wir widmen die Aufführung allen politisch verfolgten Künstlern – in Russland und überall auf der Welt.“

„Barocco“? Renaissance-, Barockmusik erklingt, mit aller Intensität werden Purcells „Dido´s Lament“, Rameaus „Tristes apprets“, Monteverdis „Entschwundene Hoffnung“ gesungen. Doch wie: mIt E-Bass, Keyboard, Melodica verfremdet, von einem Streichquintett begleitet. Tanz in poppiger Showmanier fügt sich spielerisch ein. Daniil Orlov hat dieses außergewöhnliche Pasticcio höchst originell arrangiert, fancy erweitert, und er leitet die voll mitgehenden Gesangsinterpreten und das gemischte Ensemble in aller Stimmigkeit. Alte Musik als Ausdruck von Sehnsucht nach irdischer Schönheit – doch als russischer Freigeist musste sich Serebrennikov in seiner Heimat der derzeitigen gnadenlosen Diktatur beugen.

Meinhard Rüdenauer

 

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