WIEN / Brahmssaal: PHILHARMONIA SCHRAMMELN mit Bariton GÜNTER HAUMER
18. Feber 2023
Von Manfred A. Schmid
Günter Haumer. Foto: Claudia Prieler
Schrammelmusik und Wien sind, wie Wien und die Donau, untrennbar miteinander verbunden. Denn diese Anfang des 19. Jahrhunderts entstehende Volksmusik liefert ein überzeugendes Spiegelbild wienerischer Mentalität: Sie gibt sich raunzerisch bis weinerlich-melancholisch und schwebt doch tänzelnd und leichtfüßig beschwingt – in der typischen Besetzung mit zwei Violinen, Kontragitarre und der „das picksüße Hölzl“ genannten G-Klarinette – über alle sich auftuenden Abgründe hinweg. Das mag auch der Grund sein, warum die Philharmonia Schrammeln, zu denen auch der Bariton Günter Haumer an der Knopfharmonika gehört, im 3. Konzert ihres Musikvereins-Zyklus neben den gewohnten Tänzen und Wienerliedern auch Schubert-Lieder mitgebracht haben. Nicht mit der gewohnten Klavierbegleitung, sondern von Martin Kubik für den typische Schrammelklang arrangiert.
Der erste Teil des Abends unter dem Motto „Mein Nachbarin und i“ beginnt jedoch mit traditionellen kleinen Kostbarkeiten des Genres. Der flott gespielten „Gchnas-Marsch“ wie auch der „Faschingskrapfen“-Walzer von Johann Schrammel sind ein fröhlicher Abschiedsgruß an den eben erst abgetretenen Fasching. In den darauffolgenden Liedern „Zizerlweis“ von Ignaz Nagel und „Mein Nachbarin und i“ von Johann Baptist Moser bestätigt Günter Haumer einmal mehr seinen Ruf als würdiger Nachfolger der unvergessenen Wienerlied-Interpreten Erich Kunz und Heinz Holecek. Hohe Gesangskultur gepaart mit dem Gespür für unverkitschte, augenzwinkernde Volkstümlichkeit. Dass dabei auch der Humor nicht zu kurz kommen darf, zeigt seine Gestaltung des zungenbrecherischen Couplets „Dünn, dünn ist die Leopoldin“ aus Carl Michael Ziehrers Operette Die drei Wünsche. Im tanzseligen Walzerlied „Dunkelrote Rosen“ von Carl Millöcker zuvor macht das begeisterte Publikum von der Einladung, im Refrain doch mitzusummen, gerne Gebrauch. Eine Dame auf dem Balkon ist so mitgerissen, dass sie dann sogar noch weiter unterstützend mitwirken will…
Nach der Pause und dem einleitenden „Schnofler Tanz“ von Johann Mayer folgt dann der mit Spannung erwartete Schubert-Schwerpunkt. Die ausgewählten Lieder „An Silvia“, „Ständchen“ und „Der Wanderer an den Mond“ bieten, schrammelmusikalisch begleitet, ein neues, ungewohntes Hörerlebnis. Da es sich dabei aber um ziemlich getragene, nicht sehr rasch zu singende Lieder handelt, kann die instrumentale Begleitung, die zu chansonartigen Liedern besser passen würde als zu ernsten Kunstliedern, ihre trotzig-vorlauten Vorzüge nicht so recht ausspielen. Da wären an Volksweisen erinnernde Lieder aus der Feder von Schubert, die es auch gibt, wahrscheinlich besser geeignet gewesen, z.B. „Liebesbotschaft“ oder „Die Taubenpost“. An Haumers makelloser Interpretation liegt es jedenfalls nicht, dass den Rezensenten der geschrammelte Schubert nicht so recht überzeugen kann. Anders verhält es sich mit der am Schluss als Zugabe dargebotenen Canzonetta „Deh vieni a la finestra“ aus Mozarts Don Giovanni. Hier ist die Aufteilung der Solobegleitung durch die Mandoline auf zwei von Johannes Tomböck und Dominik Hellsberg pizzicato-gespielte Geigen überaus gelungen, was aber gewiss auch an der eingängigen Melodie Mozarts liegt.
Von den zahlreichen instrumentalen Stücken hervorgehoben zu werden, verdienen u.a. Josef Mikulas „Dressler Tanzweisen“, mit dem solistisch fabelhaften Klarinettisten Stefan Neubauer, und die vom Kontragitarristen Heinz Hromada arrangierten Tänze, darunter der „Sturm-Galopp“ von Karl Komzak, bei dem Haumer an der Knopfharmonika seine Affinität zur Schrammeltradition untersreichzen kann, sowie das Hermann-Leopoldi-Lied „A guater Tropfen, so dreimal täglich“. Erfreulich auch die Würdigung Edmund Eyslers anlässlich seines 150. Geburtstags mit „Du liebe gold’ne Meisterin“ aus der gleichnamigen Operette, ein weiterer Glanzpunkt des Abends, der von der Zuhörerschaft, darunter offenbar ein gut bestücktes, treues Stammpublikum, begeistert beklatscht und bejubelt wird.