„Lippen schweigen“…. Heidi Manser und Thomas Weinhappel. Copyright: Andrea Masek
WIEN/Borromäussaal: Thomas WEINHAPPEL und Heidi MANSER
Annäherung an Operette und Musical mit großem Respekt
21.9. 2018 – Karl Masek
Wer wäre berufener als Marcel Prawy, in Sachen Operette und Musical? War er es doch, der in den fünfziger Jahren das Musical als eigenständige Bühnenkunst aus Amerika nach Wien an die Volksoper gebracht und mit viel hartnäckiger Überzeugungsarbeit gegen so manche Widerstände konservativer Musik-Meinungsmacher mit Erfolgsproduktionen etabliert hat.
Er sagte auch immer wieder: „Die Operette ist ein kostbares Kulturgut … zum universalen Verständnis der Musik gehört ein profundes Verständnis der so genannten leichten Muse. Es erweitert das musikalische Weltbild. Manche großen Sänger, die auch Schlager oder Operette singen, haben mir gesagt, dass sie dadurch bei Verdi und Wagner besser wurden…“
Man muss sich der Operette wie dem Musical als Interpret mit großem Respekt nähern, davon ist der Bariton Thomas Weinhappel überzeugt. Verlangen beide Bühnenkünste doch neben adäquater Stimme auch ganzheitliches Können im Auftreten, der Kraft des Schauspiels, der Sprech- wie Tanzkunst. Ein „Stehtenor“, der bei ‚Dein ist mein ganzes Herz‘ nur die Tableau-Hände ausbreitet, wird heutzutage nicht mehr als ausreichend empfunden, da mag die Stimme noch so schön sein.
Weinhappel wählt sehr bewusst und durchaus vorsichtig (nicht mit Hans-Dampf-in-allen-Gassen-Attitüde!) die Rollen aus. Natürlich sind in dem Querschnitt des aktuellen Abends jede Menge „Ohrwürmer“. Eine Gesangsnummer wirkungsvoller als die andere. Eine Art Hitparade gab es da zu hören.
„Da geh ich zu Maxim“, das Werberlied des Grafen Homonay aus dem „Zigeunerbaron“ – die Rolle singt er übrigens in einer Neuinszenierung des Stadttheaters Baden (Premiere am 15.12.) 13x –, „Komm mit nach Varasdin“, „Komm, Zigán“. Ob Lehár, ob Johann Strauß, vor allem: Kálmán: mit überzeugendem Auftreten, den nötigen Facetten in Gestik, Mimik, Körpersprache, was den Duetten besonders zugutekommt. Bestechende Bühnenerscheinung, er weiß Frack, weißes Jackett, mit Stil zu tragen. Tanzen kann er. Ja, und die Stimme ist auch nicht ganz unwichtig. Ein farbiger, gerundeter Kavaliers-Bariton, der mit Aplomb auch ausladende Höhen erklimmt.
István Bonyhádi, Heidi Manser. Copyright: Andrea Masek
Heidi Manser: Die aus Kärnten stammende und in Wien (Universität für Musik und darstellende Kunst und am Konservatorium Privatuniversität) ausgebildete Sopranistin war ihm eine gute, sehr charmante Duettpartnerin. (bei „Tanzen möcht‘ ich“ waren sie z.B. ein sehr glaubhaftes „Csárdásfürstin“- Operettenpaar als Sylvia & Edwin!). Respektabel bewältigte Heidi Manser „Klänge der Heimat“: Da haben schon viele „Rosalinden“-Stars den gefürchteten abschließenden Spitzenton höchstens angetippt – mitunter nicht einmal erreicht. Sie sang ihn genussvoll aus. Chapeau!
Also sehr gelungen der Operetten-Block. Mit viel Jubel ging’s in die Pause zum obligaten Prosecco.
Der Musical-Teil berücksichtigt in kluger Selbstbeschränkung die eher klassischen Werke („Kiss me Kate!; „West Side Story“, „South Pacific“, „Der Mann von La Mancha“). Da scheint der Weg von Oper und Liedgesang schon etwas weiter und auch schwieriger, um als Interpret in einen „Flow“- Zustand zu kommen, gleichzeitig Mühelosigkeit zu suggerieren, den Mut, Improvisation und stimmliches Rubato vor „klassische Perfektion“ zu setzen und damit auch ein Publikum zu erreichen und zu berühren.
Aber auch hier ist Weinhappel schon relativ weit des Weges (naturgemäß noch lange nicht „am Ziel“). Dabei hilft ihm jedoch ein gut entwickelter „künstlerischer Instinkt“, das berühmte Schiller-Zitat „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur dort ganz Mensch, wo er spielt…“ anzupeilen.
Großes Bemühen um die passenden Ausdrucksnuancen (feurig in „Wo ist die zärtlich tolle Zeit“, wenn man bereit ist, für vier, fünf Minuten z.B. den legendären Peter Minich erinnerungstechnisch auszublenden; Nachdenklichkeit mit einem Hauch von Pathos in „Der unmögliche Traum“ im „Mann von La Mancha“ oder zärtlich in „Tonight“ aus dem Geniestreich des 100-Jahre-Jubilars Lennie Bernstein, der West Side Story). Auch hier singt Heidi Manser sehr gefühlvoll, sehr stilsicher mit, imaginiert als „Eliza“ bei „Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht“ ein ganz junges Mädchen absolut glaubwürdig. Solches honoriert das Publikum im ausverkauften Borromäus-Saal mit Bravorufen. Innig gesungen „Summertime“, auch so ein , in diesem Fall des Georges Gershwin, bei dem Oper und Musical sogar ineinander überzugehen scheinen…
Besonders glückhaft war an diesem Abend die musikalische Partnerschaft mit dem Pianisten István Bonyhádi („Bravo, Maestro!“ schallte es des öfteren aus dem Auditorium). Der gebürtige Ungar lebt seit langem in Wien, absolvierte schon das Konzertfach Klavier an der Wiener Musikhochschule und unterrichtet seit 20 Jahren an beiden Musikhochschulen, ist ein hervorragender Korrepetitor und Liedbegleiter – und überhaupt ein Erzmusiker. Er legte den musikalischen Teppich mit perfektem, zugleich völlig uneitlem Spiel und war den beiden Protagonisten ein inspirierter Mitgestalter.
Viele Bravorufe. Zwei Zugaben, eine davon „My way“, Frank Sinatra verzeiht es auf der „Wolke 7“, dass wir ein paar Minuten nicht an ihn gedacht haben. Alle guten Wünsche an beide für die weiteren künstlerischen Wege im „Schiller‘schen Sinne“. Und István Bonyhádi möchte man bald wieder begegnen!
Karl Masek
PS: Eine weitere Neuinszenierung mit Thomas Weinhappel im Stadttheater Baden in der laufenden Saison: „Show Boat“ (Prem.: 23.2. 2019; 13x die Rolle des „Lord Ravenal)