Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Borromäussaal: RICHARD STRAUSS ABEND „EMOTION“ –  ein Fest für alle Sinne

27.03.2025 | Konzert/Liederabende

Im Wiener Borromäussaal: 26.3.2025: RICHARD STRAUSS ABEND „EMOTION“ –  ein Fest für alle Sinne

Und damit meine ich nicht nur Augen und Ohren, sondern auch den Geschmackssinn. Thomas Weinhappel ist nicht nur stimmgewaltiger Charakter- und Heldenbariton, sondern auch Österreichischer Weinkulturbotschafter. Mit einem süffigen Muskateller des Weingutes Baumgartner hat er an diesem Abend sein Publikum, als Zusatzbonus zu seiner Gesangskultur, verwöhnt. Und als Nicht-Weinkennerin kann ich nur feststellen, dass das edle Tröpfchen beinahe so viel Genuss bereitet wie der Klang seiner Stimme.

Unter Musikkennern, darunter kein Geringerer als KS Falk Struckmann, hat es sich längst herumgesprochen (das heimische Musikmanagement braucht anscheinend etwas länger): der junge Niederösterreicher ist eine der ganz großen Hoffnungen im ohnehin so schwer zu besetzenden Wagner- und Strauss-Fach. Ob er sich in Klosterneuburg als Marquis Posa mit Günther Groissböcks König Philipp matcht, in Sofia als Telramund nach „Mein‘ Ehr‘ ist hin“ Beifallsstürme auslöst (Szenenapplaus in einer Wagner-Oper?! Ja, Weinhappel macht’s möglich) oder sich in Baden als Scarpia mit Natalia Ushakovas Tosca ein Psychoduell erster Klasse liefert: er stiehlt allen die Show, und seine Fangemeinde liegt ihm zu Füßen. Hardcore-Fans reisen ihm bis in die deutsche Provinz nach, um keines seiner ausgefeilten Rollenporträts zu verpassen. Schon lange sprengt die Dimension seines Baritons die Grenzen kleiner Konzertsäle, und es wäre hoch an der Zeit für die großen Bühnen. Dass er in Tschechien bereits zweimal als „bester Opernsänger des Jahres“ ausgezeichnet wurde, sei nur am Rande erwähnt.

Der Abend begann mit der leicht gestrafften Konfrontation Salome – Jochanaan. Hier zeigte sich bereits das Talent des geborenen Singschauspielers, auch ohne Kostüm und Maske zu hundert Prozent in seine Rolle zu schlüpfen. Der Fanatismus des Hasspredigers und seine ambivalente Reaktion auf Salome waren ebenso authentisch wie seine menschlichen Züge, als er versuchte, die Prinzessin zu bekehren. „Er ist in einem Nachen auf dem See von Galiäa“ war ein Ohrenschmaus in wunderschönem legato gesungen, umso furchterregender sein Fluch, nachdem die missglückte Bekehrung in Hass umschlug. Das klang wie Donnergrollen.

Als seine kongeniale Partnerin lernte man Sera Gösch kennen, eine junge österreichische Sopranistin mit Engelsgesicht und Model-Figur, die in prachtvollen Abendroben sehr gute Figur machte. Auch ihre Stimme klingt vielversprechend, mit der kleinen Einschränkung, dass der Reifeprozess noch nicht so weit fortgeschritten sein dürfte wie bei ihrem Partner. Ein hörbares Vibrato passt zwar gut zur schillernd-sinnlichen Salome, bei der Arabella hat es doch etwas irritiert. Als Salome hat sie mich sehr überzeugt.

Nach der Pause ging es weiter mit Szenen aus „Arabella“, und bereits bei Mandrykas Brautwerbung („Mein sind die Wälder…, und ich, mit aufgehobenen Händen bitte ich: Herr Vater, geben mir die gnädige Tochter, geben mir sie zur Frau…“) war Gänsehaut garantiert. Auch wenn das Libretto etwas aus der Zeit gefallen wirkt („Und du sollst mein Gebieter sein, und ich dir untertan“ – ernsthaft? So etwas kann nur einem Mann einfallen), zu Herzen geht die Handlung allemal. Ein Mädchen träumt von Mr. Right, er verliebt sich in ihr Foto und steht plötzlich als Brautwerber vor ihr. Mehr Romantik geht eigentlich nicht. Es ist wie in einer der Hollywood-RomComs der 90er-Jahre.

Auch hier machte Thomas Weinhappel die Achterbahn seiner Gefühle, von der Euphorie der ersten Verliebtheit, der Glückseligkeit im großen Liebesduett, bis zur Verzweiflung und den Schuldgefühlen über den vermeintlichen Verlust seiner großen Liebe, bis zum finalen, befreienden und beglückenden Happy-end beinahe körperlich spürbar, sowohl stimmlich als auch darstellerisch. Bei seiner Partnerin vermisste ich etwas die ganz großen Gefühle, auch die eine oder andere leichte Intonationstrübung war nicht zu überhören. Schwamm drüber. Die Arabella-Schlussszene endete natürlich mit dem obligaten zerdepperten Wasserglas. Man merkte wieder einmal, dass ein Mann das Libretto geschrieben hat! Die Raumpflegerinnen des Borromäussaals werden eine Sonderschicht einlegen müssen.

Als Sahnehäubchen gab es das „Te deum“ aus „Tosca“ bei dem sich mein Eindruck der Badener Premiere bestätigte, dass Herr Weinhappel die Vorzüge großer Rollenvorgänger wie Sherrill Milnes, Theo Adam, Ruggero Raimondi, Erwin Schrott und natürlich Falk Struckmann aufgesogen und zu seiner ganz persönlichen Interpretation des Baron Scarpia verschmolzen hat. Ein beeindruckender Abschluss des gelungenen Abends!

Last but not least, seien noch Frank Bornemann am Klavier in gewohnter Souveränität, sowie die charmant-witzige Ursula Wies als Gastgeberin und Moderatorin des Konzerts gewürdigt. Beide haben wesentlich zum Gelingen desselben beigetragen.

Eines stimmt doch immer wieder nachdenklich: Happy-ends in Opern – sofern es welche gibt – enden so gut wie immer damit, dass die Paare zusammenkommen. Über den nachfolgenden Ehealltag erfährt man meist gar nichts. Was wäre zum Beispiel, wenn Mandryka seine Arabella an ihr Versprechen der immerwährenden Unterwerfung erinnert, nachdem er wieder einmal die Wohnung mit Glasscherben zugemüllt hat? Und sie ihm kühl erwidert, das Versprechen habe sie gegeben, bevor er mit halbseidenen Koloratursopranistinnen herumgemacht hat. Sicher, sie verzeiht ihm alles, weil sie ihn liebt. Aber den Ausrutscher mit der Fiaker-Milli wird er wohl noch zu hören bekommen, solange Wasser „die schöne stille Donau am Haus vorbeifließt“.                                                 
Susanne Wismühler-Glattauer

 

 

 

 

Diese Seite drucken