Thomas Weinhappel, Volker Nemmer. Copyright: privat
Wien – Borromäussaal, 14.4.2018 – Thomas Weinhappel
Ein unbeschreiblicher Abend
Die mehr als 200 Besucher des Arien- und Liederabends waren zurecht voll großer Erwartung. Thomas Weinhappel hatte für sie eine Reise durch sein beachtliches bisheriges künstlerisches Leben vorbereitet, die schon in der Ankündigung verblüffte. Bei einem von Don Giovanni über Hamlet und Wolfram bis zu Posa und einigen Schubertliedern reichenden Programm, durften ganz unterschiedliche musikalische Leistungen erwartet werden. Angesichts der Verschiedenheit der Rollen, die dem Sänger eine große Bandbreite an musikalischer Ausdruckskraft abverlangt, harrte man im ausverkauften Borromäussaal, ob und wie es der junge Bariton bewerkstelligen würde, den unterschiedlichen Fächern zu entsprechen.
Und Weinhappel erfüllte alle Erwartungen, er übertraf sie sogar in vielerlei Hinsicht.
Mühelos schafft er es, den herausfordernd gegensätzlichen Anforderungen der unterschiedlichen Arien und Lieder gerecht zu werden: Das, von seinem herrlichen Piano getragene, zart geführte „Deh vieni alle finestra“ aus Don Giovanni ist nur die erste von vielen musikalisch überzeugenden, nuancenreichen Darbietungen des Abends. Ebenso schwärmerisch-melancholisch gestaltet er ganz sensibel geschmeidig phrasierend Korngolds Tanzlied des Pierrot „Mein Sehnen, mein Wähnen“. Kurz darauf bietet er mit seinem weit tragenden und kraftvollem Bariton ein gewaltiges Finale des ersten Teils: Auch hier in Wien verkörpert er geradezu idealtypisch den melancholischen Dänenprinzen, dem er mit fulminantem, strahlenden Fortissimo im „Ombre chere“ unglaubliche Würde und Tragik verleiht. Der ergreifende Vortrag lässt eindrucksvoll erkennen, warum Weinhappel in Prag mit seinem Hamlet zum besten Opernsänger des Jahres gewählt wurde.
Man kommt mit gemischten Gefühlen aus der Pause. Wie sollte er es nach diesem Finale zu Wege bringen, ganz nach alter Theatermanier, im zweiten Teil „noch eins draufzulegen“?
Und wieder verblüfft Weinhappel die Zuhörer. Mit sicherem Stimmsitz und beeindruckender Deutlichkeit in der Artikulation steht er nach der Pause als Wolfram auf der Bühne. Ein wahrhaft Edler unter Edlen! Ohne die kleinste Schwierigkeit singt er danach auch den „Abendstern“, den er durch intelligente Akzentuierung förmlich zum Strahlen bringt. Nach dem durch besonderes Feingefühl bestechenden Vortrag stellt der junge Bariton als Posa mit „Io morro“ unter Beweis, wie energiegeladen seine dramatische Stimme ist. So verzaubert er auch im zweiten Teil mit stimmlicher Meisterschaft. Und das Erstaunlichste: Immer bleibt er natürlich und ehrlich, wirkt nie theatralisch oder manieriert.
Im Handumdrehen wechselt er mühelos zu vier Schubertliedern, von denen er mit der größten Leichtigkeit den Musensohn, besonders leidenschaftlich „Leise flehen meine Lieder“ und ganz kontemplativ „An die Musik“ mit bemerkenswerter Könnerschaft singt.
Seine einnehmende Bühnenpräsenz bedarf keiner großen Gesten, die wenigen setzt er treffsicher und ungekünstelt ein. Mit beeindruckender Mimik verdeutlicht er die Dramatik oder Sinnlichkeit jedes Stückes. Er erweckt damit in der begeisterten Zuhörerschaft den Wunsch, ihn in Kostüm und Maske auf der Opernbühne erleben zu können.
„Schade, dass man ihn nicht öfter in Wien hört“, stellt mein Sitznachbar am Ende des außerordentlichen Abends traurig fest. Ich und viele andere können ihm nur beipflichten und spenden ihm und seinem ihm in nichts nachstehenden Partner am Klavier, Volker Nemmer, gerne viel Applaus und Bravo-Rufe.
Biljana Gajic