WIEN / Unteres Belvedere:
EMIL NOLDE. In Glut und Farbe
Vom 25. Oktober 2013 bis zum 2. Februar 2014
Wer mit dem Teufel essen will…
Als bedeutender und am Kunstmarkt teuer gehandelter Expressionist ist Emil Nolde (1867-1956) ein großer Namen in der Geschichte der deutschen Malerei. Dass sein Ruhm in hohem Lebensalter in sich zusammenbrach, hatte mit einer falschen Entscheidung zu tun. Nolde zeigte sich dem Nationalsozialismus sehr geneigt, musste aber nach anfänglicher Förderung durch die NS-Spitze bald erkennen, dass er für eine genormt-brave deutsche Kunst schlechtweg zu exzessiv war. Plötzlich fand er sich unter den „Entarteten“ wieder. Immerhin zeigt die Ausstellung im Belvedere, wie sich der Künstler trotz Arbeitsverbots zu helfen wusste. Und man erlebt noch mehr – in einer knapp 200 Werke umfassenden Retrospektive den gewissermaßen „ganzen“ Nolde in seinen Entwicklungsphasen und seiner thematischen Reichhaltigkeit.
Von Heiner Wesemann
Emil Nolde Geboren am 7. August 1867 in Schleswig, nannte sich Emil Hansen später nach seinem Geburtsort Nolde. Er wurde als Möbelschnitzer und –Zeichner ausgebildet und arbeitete einige Zeit in seinem Beruf, bevor er sich entschloss, als frei schaffender Maler zu leben. Von der Berliner Secession fand er zur Gruppe „Die Brücke“. Noch vor dem Ersten Weltkrieg unternahm er eine große Reise nach Neu-Guinea. Später ließ er sich in Nordfriesland nieder, sympathisierte mit der NSDAP und musste erkennen, dass, wer mit dem Teufel essen will, einen langen Löffel haben muss: Heimlich an Aquarellen malend, die er „ungemalte Bilder“ nannte, überstand er Arbeitsverbot und Kriegszeit. Er starb am 13. April 1956 in Seebüll. Wie vielschichtig und reichhaltig sein Werk ist, weit über seine „Bestseller“ hinaus – die charakteristischen Mohnblumen und andere Blumenbilder – , zeigt nun das Untere Belvedere in einer chronologisch gegliederten Ausstellung (Kurator Stephan Koja), die die meisten der gezeigten Werke aus der Nolde-Stiftung in Seebüll nach Wien holte.
Zum „Urwesenhaften“ hin Der junge Nolde war auf der Suche, nach seinen Themen und nach seinem Ausdruck. Frei von akademischen Zwängen gab er sich „in Glut und Farbe“ (Selbstzitat) dem Malen hin, schuf mit heftigem Strich leidenschaftliche Meereslandschaften und skurrile Großstadtbilder, immer wieder Blumen und seltsame Gesichter (ob Bergriesen oder großäugige Eingeborene in Neu-Guinea), viel Religiöses, aber auch Porträts, Groteskes, Phantastisches, „Urwesenhaftes“ (Selbstzitat), das ihn magisch anzog. In seiner Behandlung von Farbe und Form ein Expressionist reinsten Wassers, hebt er sich doch durch die Phantastik vieler seiner Werke höchst individuell von Zeitgenossen ab. Viele Bilder strahlen, nicht zuletzt in ihrer Kunstlosigkeit (auf den ersten Blick könnte man sie für „schlecht gemalt“ halten), auch etwas Verstörendes aus.
Einfluss auf die anderen Immer wieder „schleichen“ sich Zeitgenossen Noldes in die Ausstellung, ganz kompakt dann in jenem vorletzten Raum, wo man regelrecht Noldes Einfluss auf österreichische Maler thematisiert: Da findet man dann Kokoschka oder Herbert Boeckl bei so direkter Konfrontation tatsächlich als „Verwandte“.
Die ungemalten Bilder Der letzte Raum zeigt dann eine Fülle kleinformatiger Aquarelle. Wie Nolde glauben konnte, in einer Welt, die von Adolf Hitlers Kunstgeschmack diktiert wurde, bestehen zu können, ist ohnedies kaum nachzuvollziehen. Der erzwungene Rückzug in die heimliche Arbeit der kleinen Formate, die sich schnell verstecken ließen, zeigen doch Treue zu sich selbst: Bei aller Reduktion wiederholen die Aquarelle die starken Farben und grotesken Formen des „typischen“ Nolde.
Unteres Belvedere, Rennweg 6, 1030 Wien.
Bis 2. Februar 2014, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr.