Bank Austria Salon: WISE & der Schwanengesang eines großen Russen (13.2.2023)
Ein Geigenvirtuose ist schon etwas ordentliches, sehr beliebt. Und ein Bratschenvirtuose, mit dünkler gefärbtem Geigenton? Nun, jetzt lieber die Ohren auf für eine geigende Dame. Andrea Nikolic, Ensemblechefin von WISE und Virtuosin auf der Violine und mit der Viola. Und als Konzerthöhepunkt dazu eine mit ihren vielen Facetten höchst markante Sonate für Bratsche und Klavier, das allerallerletzte Werk eines der ganz großen und heute noch viel gespielten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Dmitri Schostakowitsch, in seinen späteren Jahren gesundheitlich schwerst gezeichnet und schließlich an einer Krebserkrankung 1975 verstorben, konnte die Uraufführung dieses seines Abgesanges nicht mehr erleben. Ein monumentales Werk, nicht enden wollend, dabei immer wieder mit subtilen Wendungen überraschend, dann markig auftrumpfend und in seiner Aussage berührend. Schwere, nun klassische gewordene Musik mit Tiefgang. Der letzte Satz, ein ausladendes Adagio, ist als Huldigung an Beethoven gedacht und die Mondscheinsonate klingt heimlich an.
Geigenvirtuosin Andrea Nikolic präsentierte Schostakowitschs Schwanengesang im Bank Austria Salon in Wiens Altem Rathaus und vermochte mit ihrer Interpretation, hingebungsvoll und klanglich aufrauschend, zu faszinieren. Der Abend ist auch der Auftakt einer Konzertreihe gewesen, in welcher das von Nikolic gegründete und geleitete Ensemble WISE / Wiener internationales Solisten Ensemble – auch das breit gestreute Musikfest im bosnischen Vares zählt zur Kulturlandschaft der Musiker / heuer sein zehnjähriges Jubiläum feiern möchte. Junge, jüngere Musiker, international zusammengesetzt, alle auch mit teilweisen Studien in Österreich. Mit Pianist Stipe Bilic als höchst feinfühligen Begleiter spielte Nikolic weiters ein feuriges Konzertstück für Viola und Klavier von George Enescu sowie neuere Piecen. Kurz zurück nach Russland: Auch Schostakowitsch, zuhause teils angefeindet und erst in älteren Jahren hoch geehrt, nach Stalins Tod, hatte wie der aus dem Westen zurückgekehrte Sergej Prokofiew und so viele andere Kunstschaffende schwere Angstgefühle vor der mörderischen Brutalität des damaligen Machthabers gehabt. Edles russisches Kulturleben in den despotischen Zarenjahren, in Sowjetzeiten, nun im 21. Jahrhundert: Diesen unzählbaren Russen mit der Geige in der Hand werden mit den Waffen in der Hand immer wieder Grenzen gesetzt.
Meinhard Rüdenauer