Bank Austria Salon im Alten Rathaus – 23. 4. 2024:
Gamechanger mit THOMAS WEINHAPPEL, Bariton,
FRANK BORNEMANN, Klavier, und URSULA WIES, Moderation
Wer sich noch nie Gedanken gemacht hat, wie eine große Oper zustande kommt, weil man sie eh gut genug zu kennen meint und sich damit befriedigt fühlt, dem wurde in diesem ungewöhnlichen Konzert klar gemacht, was für ein aufregendes Musiktheater vonnöten ist. Die oben genannten drei Künstlernamen haben bewirkt, dass dieser Abend seit langem ausverkauft war. Und dass gleich 6 (sechs) „Merker“ im Publikum saßen und überdies fast jeder jeden Anwesenden kannte, mag auch für dieses Unternehmen sprechen. Alle wussten, dass sie da von bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten etwas Neues erfahren würden. Seltsamerweise handelte es sich „nur“ um Ausschnitte aus Opern von Beethoven, Verdi und Puccini und der Pianist bot als Zwischenspiele Kompositionen von Brahms. Und alle Musiknummern – ohne Orchesterbegleitung -versetzten uns ebenso in Ekstase wie man Kostüme oder Schminke beim Sänger nicht vermisste. Geboten wurden mit ausdrucksstarken, treffenden Worten von Ursula Wies über die zu erwartende Situation im betreffenden Bühnenwerk die Nennung der dargestellten Rollen und reichlich Hintergrundinformationen..
Thomas Weinhappel kann mit seiner schönen und voluminösen Stimme, die in allen Lagen gleich souverän anspricht, jegliche Bühnensituation mit wenigen Gesten nachvollziehen und Wort und Ton so für sich sprechen lassen, dass man sich mitten im entsprechenden Drama wähnt. Als Pizarro kann er sich mit „Ha, welch ein Augenblick“ vokal und optisch mächtig entfalten. Als Macbeth mit „Perfidi! All‘ anglo contra me v`unite!“ und kann beklagen, dass man ihm: „Pietà, rispetto, amore…“ versagt. Als Scarpia – in Puccinis bekanntester Oper „Tosca“ – äußert er sich als Machtmensch über den Verlust von „La povera mia cena“ mit wieder ganz anderer, hintergründiger Stimmfarbe und im „Te Deum“ spielt er sich groß auf als gläubiger Christ.
Der Pianist, der großartig das Orchester ersetzte , hatte zwischendurch Gelegenheit, sein Lieblingsstück von Brahms zu spielen: das „Intermezzo opus 118 Nr 2“, das dieser seiner geliebten Clara Wieck gewidmet hat, was aus der Musik herauszuhören war, aber man vernahm aus dieser auch seine Erkenntnis, dass es zu keiner dauernden Bindung kommen konnte, und die musikalische Aussage anderte sich auf eine muntere Suche nach neuen Bindungen.
Nach der Pause wurde Thomas Weinhappel zu Rigoletto. Es war die erste Oper, die dreidimensionaler Bühnenbauten bedurfte. Seine Stimme müsse Zerbrechlichkeit und Beweglichkeit zum Ausdruck bringen und man ihr anhören müsse, dass er von großer Liebe erfüllt sei, aber auch die geforderte baritonale Wucht bietet. Das alles war da bei Weinhappels „Cortigiani, vil razza danata“.
Dem folgte die vielleicht schönste Liebes-Arie : „Il balen del suo sorriso“ aus „Il Trovatore“.
Einmal mehr durfte dann wieder Frank Bornemann als Meisterpianist einspringen. Aus der „Rhapsodie opus 79 Nr.1“ von Johannes Brahms war zu entnehmen, dass er sich in die Klavierschülerin verliebt hatte. Was er darüber geschrieben hat, klang nach Verzweiflung, wurde aber dann wieder kräftiger vorwärts denkend …
Die letzte italienische Oper dieses Abends war nicht ganz zufällig „Don Carlo“, von der Bizet gesagt haben soll, das sei keine italienische Oper mehr, sondern wie Wagner. Und schließlich konnte der Sänger ja als Marquis Posa im Vorjahr in Klosterneuburg einen sensationellen Publikumserfolg feiern – die Noblesse in Person als opferbereiter Freund für den Königssohn, vor dessen Angesicht er auf Befehl von König Philipp im Kerker getötet wird: „Io morro, ma lieto in core“ – edler, schöner geht’s einfach nicht – stimmlich und visuell. Natürlich fällt man bei einer konzertanten Opernwiedergabe nicht tödlich getroffen zu Boden, aber Weinhappel hat genau den auch vom Pianisten musikalisch richtigen Moment erwischt, der sein Ableben zum Ausdruck brachte.
Schlussapplaus. Copyright: Weinhappel
Nach jeder musikalischen Nummer kam aus dem ganzen Saal tosender Applaus und Dankesjubel. Hiemit steht für uns alle fest, dass dieser Sänger im großen Baritonfach alle Bühnen der Welt erobern kann.
Sieglinde Pfabigan