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WIEN / Architekturbüro: DAS WEITE LAND

30.05.2013 | Theater

WIEN / Architekturbüro:
DAS WEITE LAND nach Arthur Schnitzler
Theaterverein BABSI el ABSOLOM
Premiere: 29. Mai 2013,
besucht wurde die Vorstellung am 30. Mai 2013

Ein neuer Raum – das „Architekturbüro“ sieht tatsächlich nach einem Büro aus, geräumte Zimmer in der Gumpendorferstraße 65, einfach von der Gasse her zu betreten. Dort hat sich Alexander Pschill mit seinem „Theaterverein BABSI el ABSOLOM“ (auf so eine Bezeichnung muss man einmal kommen) eingemietet, um seine erste Regiearbeit zu bieten. Eventhaftes wird geboten, es gibt mehrere Schauplätze, man „wandert“ zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Abends. Wie das heute eben schon so ist.

Freilich, „Das weite Land“ von Arthur Schnitzler anzukündigen, ist Etikettenschwindel – bestenfalls hat man es mit „nach Schnitzler“ zu tun, denn Pschill und seine Kollegin Kaja Dymnicki teilen sich nicht nur die Inszenierungsarbeit, sondern auch eine Textfassung, die nur eines will: möglichst originell und heutig sein. Und die überall dort schlechtweg miserabel wird, wo sie sich von Schnitzler entfernt.

Offenbar hat niemand dem Duo Dymnicki / Pschill gesagt, dass ihre „Idee“, Schnitzlers Stück mit Filmelementen zu kombinieren, absolut nicht neu ist – vor etwa eineinhalb Jahren haben dies Grischka Voss und Ernst Kurt Weigel im „Off Theater“ unter dem Titel „Weit. Way. Land“ mit wesentlich höherer Überzeugungskraft getan, damals wirklich sorglich David Lynch-Elemente einarbeitend. Hier bleibt das Kino nur ein Effekt, der sich modernistisch gibt – dass Roy Scheider auf einem Boot von der Wand blickt (ein Motiv aus „Der weiße Hai“), zieht nicht nur nach sich, dass Genia Hofreiter andauernd Fisch-Motive auf die Wände klebt. Man hat auch Schnitzlers Stück in einem wesentlichen Motiv geändert – man fährt nicht in die Dolomiten, man fährt ans Meer (was die Sache weder besser noch überzeugender macht – auch nicht, dass man Tischtennis, pardon, Ping Pong, statt Tennis spielt und dass alle einander duzen).

Schlimmer noch andere dramaturgische Änderungen, am wenigsten einsichtig, dass die Nebenrolle des Leutnants Stanzides den Namen des hier nicht auftretenden Portiers Rosenstock erhält und dass er (man weist sogar auf „Rosenkranz und Güldenstern“ hin“) teilweise den Text von Dr. Mauer bekommt – die beiden sollen eine Art heitere Doppelconference liefern, was nicht nur an ihren Texten scheitert, sondern auch daran, dass gerade diese beiden Darsteller sprachlich und darstellerisch hölzern bleiben. Die wichtige Figur des Bankiers Natter fehlt, seine Frau muss auch seine Rolle übernehmen – unsinnig.

Dass man den dritten Akt in der Hotelhalle auf zwei Szenen reduziert, ist einzusehen, das könnte man hier wahrlich nicht spielen, aber dass Dr. Aigner nun nicht mehr Schnitzler spricht, sondern peinliches Gelabere der Autoren ebenso peinlich von sich gibt, wird noch verschlimmert, indem Pschill den Kernsatz „Die Seele ist ein weites Land“ jeden Abend von einem „Stargast“ aus dem Publikum heraus sagen lassen will. Aber nein – Hilde Dalik bietet das Zitat an, und der Aigner-Darsteller (auch er keine Stärke der Besetzung) erklärt ihr, das könne doch nicht stimmen… Na dann, wozu überhaupt?

Noch eine „Idee“ – der Mann, der zu Beginn „steppt“ und dann umfällt, ist der tote Korsakow (er erscheint im letzten Akt noch einmal und steppt…), so schleppt man das Gespenst des Stücks mit sich. Und noch eine extreme Peinlichkeit: Die Lustspielfigur des Paul Kreindl, mit der Schnitzler gerade die tragischen Szenen des Stücks gerne kontrapunktiert, wird zu einer „Paula“ und muss von einer Darstellerin als grotesk störende Clownin so penetrant und sinnlos und „schau, das ist modernes Theater!“ gemacht werden, dass man dem Unternehmen stellenweise seine Sympathie entzieht.

Nein, dramaturgisch ist das Ganze wahrlich nicht gelungen, absichtsvoll und albern, und immer, wenn man den Schnitzler-Text verlässt, wird es nachgerade ärgerlich. Und dennoch lohnt sich der Abend auf seltsame Weise, und dass die Darsteller in schwarzen Hosen und weißen Ruderleiberln wie Kino-Clowns herumstehen, stört nicht einmal. Denn es gibt drei darstellerische Leistungen von Damen, die einfach sehenswert sind. Ljubisa Lupo Grujcic in der zentralen Rolle des Friedich Hofreiter muss zu künstlich, mit zu vielen Willküraktionen agieren, aber er lässt die Vermutung im Raum stehen, dass er die echte Figur packen könnte. Immerhin.


Foto: Barbara Palffy

Man schätze Alexander Pschill außerordentlich, er ist ein Mann, der bewiesen hat, dass es auch nach dem Fernsehen noch ein Künstlerleben geben kann: Was er als Schauspieler in der Josefstadt sehen lässt, bewegt sich stets auf hohem Niveau. Und er hat zweifellos ein echtes Händchen für Regie: Dort, wo er sich nicht formal in Unsinn verbohrt, gelingt ihm außerordentliche Schauspielerführung. Die jungen Leute von heute sprechen Schnitzler in den besten Passagen, als könnte es nicht anders sein, mit der vollen Selbstverständlichkeit, die aus diesem brillanten Text erwächst, und der dann auch Figuren schafft.

Die dürfen durchaus anders konturiert sein als sonst – selten hat man eine so strahlend selbstbewusste, energiegeladene Genia Hofreiter gesehen wie von Carola Pojer, meisterlich, wenn sie nicht Dinge zwanghaft falsch machen muss (das „Happyend“ zu „You are forgiven“ – mein Gott!) Es ist überhaupt der Abend von drei Frauen, denn noch zwei sind außerordentlich: Wer hätte sich je eine Erna Wahl denken können, die schlicht und einfach kleinmädchenhaft oberösterreichischen Dialekt spricht – und wie unglaublich stark, richtig, überzeugend und präsent tut dies Lisa Reichetseder! Und noch ganz nachdrücklich: die Adele Natter der Lisa Habermann, wenn es auch – wie erwähnt – ein absoluter Unsinn ist, dass sie auch die Rolle ihres Mannes (!) spielen muss – und das Liebesgeständnis, das dieser (Herr Natter) im Stück ihr macht, nun als Adele Natter auf Hofreiter ummünzt…. Aber selbst damit wird sie fertig.

Man möchte diese drei Frauen nehmen, wie sie sind, und sie in eine „richtige“ Aufführung des „Weiten Landes“ stecken – die könnte dann ruhig Alexander Pschill inszenieren… Was er und seine Kollegin hier „bearbeitet“ haben, hat niemandem genützt – und nur ihnen selbst geschadet.

Renate Wagner

 

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