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WIEN / Ankerbrotfabrik: DIE GRATELLIS

12.10.2012 | Oper


Ingrid Oberkanins, Johanna Kugler, Monica Reyes, Bern Jeschek. Foto: Ferdinando Chefalo

WIEN / Ankerbrotfabrik:
DIE GRATELLIS von Bernd Jeschek
Uraufführung / Eine Produktion von Theater 04 Wien
Premiere: 12. Oktober 2012

Die drei Damen jüngeren und mittleren Alters, die da auf die Bühnenfläche schlendern, welche in einer riesigen Halle der Ankerbrotfabrik mit Musikinstrumenten aller Art bestückt ist, erweisen sich zuerst als Virtuosinnen darin, Geräusche zu erzeugen. Nach und nach merkt man, dass sie auch jede Menge von Instrumenten spielen und köstlich singen können, von ihrer Fähigkeit zur Komik einmal ganz abgesehen. Tatsächlich – man könnte Ingrid Oberkanins, Monica Reyes, Johanna Kugler geradezu als weibliche Musik-Clowns bezeichnen. Und für diese Eigenschaft hat ihnen Bernd Jeschek gewissermaßen eine „Revue“ auf den Leib geschrieben.

Jeschek, der aus dem Theaterbetrieb ebenso ausgestiegen ist wie aus dem Fernsehgeschäft, hat sich schon seit einigen Jahren in der Welt der alternativen Musik einen Namen gemacht – vor allem im Zusammenhang mit dem österreichischen Blasmusikensemble Mnozil Brass. Für sie hat er „Das trojanische Boot“ geschrieben, das sich die „erste Operette des 21. Jahrhunderts“ nennen darf. Nun wandte er seine Intentionen den drei Damen zu, die übrigens auch komponieren können – sie selbst und zwei Mnozil Brass-Mitglieder (Leonhard Paul und Thomas Gansch) sind für die Musik des Abends zuständig. Jeschek selbst erdachte die Geschichte und schrieb den Text. Das Ergebnis, „Die Gratellis“, trägt den umständlichen Untertitel „eine skurrile musikalische Komödie, wie sie nur das wirkliche Leben erfinden kann“ und wurde nun in der Ankerbrotfabrik uraufgeführt.

Von wegen wirkliches Leben – das ist einfach nur Theaterjokus, den sich Jeschek hier ausgedacht hat. Er selbst figuriert als Franco Gratelli, ein Showman aus der Welt der Kabaretts, der uns vor allem als geplagter Vater von drei Töchtern entgegentritt: Ihre Mamas haben sie ihm quasi vor die Tür gelegt, und so konnte er gar nicht anders, als eine Showtruppe aus ihnen zu machen.

Da hantelt sich der Abend handlungsmäßig von Nummer zu Nummer – erst hat Gratelli die drei als Kinder, als er selbst noch Staubsaugervertreter war, vor die Tore mitleidiger Damen geschickt, die dann kauften, um sie vorm Verhungern zu retten. Dann wurden sie als Showtruppe in den Karpaten von einem Räuber gefangen, dem sie das Jodeln beibringen mussten, um sich freizukaufen. Dann brachten sie sich bei Muttertags-Shows und mit Heilige-Drei-Könige-Auftritten durch. Zwischendurch beschweren sich die Schwestern über den Vater und der Vater lästert über die Töchter, die in heftige Rivalität ausbrechen, als sie sich verlieben…

Noch skurriler wird der zweite Teil, wenn sie nach einem Show-Wettbewerb auf einem Kreuzfahrschiff landen, bei Schiffbruch von einem Wal gefressen und schließlich von diesem wieder in der Südsee ausgespuckt werden. Dann erst, so versichern sie, begann ihre Karriere als Show-Stars wirklich – und für die Blumenkränze und geringe kostümliche Verwandlungen, die jedesmal in neue Szenen passten, sorgte Gerti Rindler-Schantl.

Der Abend besteht aus zahlreichen Liedern und Songs, die sich zwischen Jodeln und Brecht in zahlreichen Stilen umtun. Jescheks zugrunde liegende Texte huldigen der absurden Blödel-Manier und sind eher ungleichmäßig, am besten dort, wo sie ironische Zeitkritik sprühen. Der von ihm selbst inszenierte Abend gewinnt in der zweiten Hälfte durch einen starken Anteil an Tanz (Choreografie: Ferdinando Chefalo) an Schwung, und wo die Songs eher unterschiedlich sind (da selbst gedichtet und komponiert, kann man die Schuld für schwächere Produkte niemand Fremden in die Schuhe schieben, das muss man selbst verantworten), retten die Interpreten, um derentwillen das alles geschieht.

Bernd Jeschek ist zwar ein sehr guter Schauspieler, aber nicht wirklich ein begnadeter Sänger. Dagegen „können“ Ingrid Oberkanins, Monica Reyes und Johanna Kugler, wie schon erwähnt, einfach alles, und sie sind in frechster Laune unterwegs. Das Niveau der Interpretation ist untadelig, und das Publikum, das vollzählig erschienen war, applaudierte heftig.

Renate Wagner

 

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