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WIEN/ Altes Rathaus: WAGNER FESSELT UND ERREGT – auch im Barocksaal . Konzert Thomas Weinhappel

11.09.2024 | Konzert/Liederabende

Wagner fesselt und erregt!
Auch im Barocksaal des Alten Rathauses in Wien?

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Copyright: Weinhappel

Ja, wer das dort schon mehrfach erlebt hat, zweifelt nicht mehr daran.
Diesmal –  am 10.9.2024, durften wir unter dem Titel „Konfrontationen“ mit dem Initiator des Festes,  Thomas Weinhappel, und  seiner ihm ebenbürtigen Partnerin, der Mezzosopranistin Almerija Delic sowie dem Pianisten Frank Bornemann und originellen Ansagen von Ursula Wies mit Szenen aus „Die Walküre“, „Parsifal“ und „Lohengrin“ die Wagnerschen Menschenkreationen gleichsam persönlich kennenlernen! Aus nächster Nähe, denn der schöne Saal ist kein großes Opernhaus. Aber man wurde von allem Gehörten sowie physisch und mimisch Gezeigtem ganz erregend angesprochen. In normaler Abendkleidung vermochten die beiden Sänger glaubwürdig in die jeweilige Rolle zu schlüpfen.

Wie oft hat man in Opernhäusern erlebt, dass nach dem Erblühen des „Wälsungenbluts“ zwischen Siegmund und Sieglinde im 1.Akt „Walküre“ die Szene zwischen Wotan und Fricka im 2. Akt ins Hintertreffen geriet. Diesmal wahrlich nicht. Und es wird nicht nur jedes Wort, jede Phrase deutlichst vokal artikuliert, sondern mimisch und – vor allem bei Wotan -ganzkörperlich umgesetzt. Während Amerija Delic in der Bühnenmitte ihren fixen Platz einnimmt und vokal eindringlichst ihre Argumente vorbringt, reißt es den Göttergatten in alle Richtungen, wo er Lösungen für seine emotionalen Qualen zu finden hofft – immer im Einklang mit dem Gesungenen, und man erzittert mit ihm ob seiner inneren Nöte. Weiß man – auch aus jüngsten Erfahrungen in diesem Sommer – wie ungeheuer sympathisch das von Fricka verachtete Zwillingspaar sein kann, so kann man aus Weinhappels expressivem Bassbariton, seinem Gesicht und der gesamten Körpersprache alles vollemotional heraussehen und -hören. Es vergeht kein Moment während seiner Bühnenpräsenz, der einen nicht voll in seinen Bann schlägt. Dass daneben stimmkräftig und im Prinzip wohllautend ebenso wie ausdrucksstark die Sängerin der Fricka in allen Lagen es vermag, ihren göttlichen Gatten zur Verzweiflung zu bringen, natürlich auch vom Pianisten kräftigst unterstützt, macht die allgemeine Erregung komplett.  Wie sehr wünscht man sich einen kompletten  „Ring“ mit diesen Sängern, für die es offensichtlich keine vokalen Probleme gibt!

Eine Szene aus dem 3. Akt „Parsifal“ folgt. Nachdem Amerija Delic nur kurz als Kundry  agiert hat, hat Thomas Weinhappel sich in den leidenden Amfortas verwandelt, der im 3. Akt endlich von seinen Leiden erlöst wird. „Heraus die Waffen! Taucht Eure Schwerter  tief – tief  bis ans Heft!  Auf ihr  Helden! Tötet den Sünder mit seiner  Qual, von selbst dann leuchtet euch wohl der Gral!“ Und man wünscht sich diesen Sänger in der gesamten  Rolle.

Nach einer allgemeinen Atempause darf der Pianist Johannes Brahms zu „Wort“  bzw. Ton kommen lassen. Der hat sich Richard Wagner nie unterworfen  und ist auch nie nach Bayreuth gekommen. Gab es da verschiedene philosophische Weltanschauengen, die das verhindert haben? Auf dem Klavier hörte man klare Konfrontationen  – Abwehr von Nachahmung, gute Überlegungen, er verfolgt  eigene Gedanken, die Musik steigert sich vom forte ins fortissimo – er gibt nicht auf…“Ich lass mich nicht unterkriegen“?  –  Dieses Zwischenspiel war jedenfalls sehr animierend.

Und nach der Pause traten Ortrud und Telramund, 2. Akt, 2.Szene auf die Bühne, „eine Konfrontation, die sich gewaschen hat“ . In einem Brief an Liszt schrieb Wagner: „Jeder Takt ist nur dadurch gerechtfertigt, dass er etwas unterstreicht, was die Handlung betrifft…“ Großartig die Szene zwischen den beiden: „Erhebe dich, Genossin meiner Schmach, der junge Tag darf hier uns nicht mehr sehn…“ Da kann sich die Mezzosopranistin nun würdig entfalten und wenn ihr Telramund vorwirft: „Durch dich musst ich verlieren mein‘ Ehr‘, all meinen Ruhm…“  entgegnet sie raffinierterweise  mit „Ha, wie du rasest! Ruhig und besonnen! So lehr ich dich der Rache süße Wonnen!“  Da konnten beide Sängerdarsteller zeigen, was ihre Stimmen alles auszudrücken vermögen und gemeinsam gingen sie von der Bühne ab.

Als Draufgabe sang Weinhappel noch Telramunds „So zog das Unheil in dies Haus…“ – die Rolle, mit der er im Staatstheater Sofia einen sehr großen Erfolg hatte feiern dürfen.

Zum Ausgleich durfte Almerija Delic als Draufgabe sich in Erda verwandeln und aus der 4.Szene „Rheingold“: „Weiche, Wotan weiche!  Wie alles war, weiß ich, wie alles sein wird…. Ein düstrer Tag dämmert den Göttern: Dir rat ich, meide den Ring!“ singen – ein  Ende  eines großen Wagner-Abends.

Sieglinde Pfabigan

 

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