VAREŠ-ECHOS IN WIEN: DAS ABSCHLUSSKONZERT DES 13. VAREŠ-KLASSIKFESTIVALS IN WIENER ALTEN RATHAUS
Verfasst von: Senka Hodžić, Musikredakteurin in der Musikproduktionsabteilung des bosnisch-herzegowinischen Rundfunks für VaClaF

Das Czipra-Quartett  im Alten Rathaus.  Foto: Wise
Die Konzerte im Rahmen der 13. Ausgabe des Vareš Classic Festivals boten ein anspruchsvolles und harmonisch arrangiertes Repertoire, und das Konzert am 21. Oktober 2025 in Wien im eindrucksvollen Ambiente des Barocksaals des Bank Austria Salons im Alten Rathaus diente als eine Art Zusammenfassung. Die Stammgäste von VaClaF, Mitglieder des Cipra String Quartet unter der Leitung der Geigerin Andrea Nikolić, zugleich Direktorin und künstlerischer Leiterin des Festivals, stellten sich dem Publikum vor. Das Quartett, bestehend aus Nikolić, Dominika Witowicz (Violine), Weronika Strugala (Cello) und Weronika Izert (Viola), entschied sich, einige seiner bemerkenswertesten Darbietungen aufzuführen, wobei ihnen bei dieser Gelegenheit renommierte Musiker – die Oboistin Ivana Nikolić und der Kontrabassist Evan Hulbert zur Seite standen. Das Konzert markierte zugleich die Saisoneröffnung des Wiener Ensembles WISE (Wien International Soloists Ensemble), dessen Gründerin und künstlerische Leiterin Nikolić ist, und stellte das Motto „Echos & Horizonte – Wundersame Reisen“ vor, unter dem die nächsten drei Konzerte des Ensembles geplant sind. Das Repertoire des Wiener Konzerts erinnerte an einige der erfolgreichsten Auftritte des Cipra Quartetts bei früheren VaClaF-Auftritten und umfasste Aufführungen mehrerer populärer Kompositionen sowie die künstlerische Bearbeitung eines traditionellen Werks.
Zur Eröffnung wählten die Mitgliederinnen des Cipra Quartetts eine Reminiszenz an die Aufführung von Fratres des estnischen Komponisten Arvo Pärt (1935), ein Werk, das beim ersten Konzert im Rahmen des diesjährigen VaClaF aufgeführt wurde, und brachten Pärts kompositorischen Minimalismus mit einer durchdachten und detaillierten Interpretationsmethode ein. Es folgte ein energiegeladener und mitreißender Auftritt der Oboistin Ivana Nikolić, die sich als Solistin mit dem Werk Freilicht präsentierte, das 2024 von einer der renommiertesten zeitgenössischen österreichischen Komponistinnen, Gabriele Proy (1965), komponiert wurde. Wie ein impressionistisches Gemälde besteht Freilicht aus schwebenden Klanglandschaften und elegischen Sequenzen, die in diesem Werk mit Hilfe des einzigartigen Timbres der Oboe umgesetzt werden.
Nach dem Stück von Proy, wurde das Konzert mit einem Soloauftritt des brillanten kanadischen Kontrabassisten Evan Hulbert fortgesetzt, einem Mitglied des renommierten Wiener Klangforums, der die Serenade des deutschen Komponisten Hans Werner Henze (1926–2012) aufführte. Dieses Werk konnte das treue Publikum des VaClaF in Kraljeva Sutjeska bereits einen Monat zuvor in Hulberts ebenso erfolgreicher Aufführung hören und sehen.
Einen Teil voller fantastischer Darbietungen des Solorepertoires schloss Andrea Nikolić mit einer inspirierten und leidenschaftlichen Darbietung eines weiteren Stücks von Gabriele Proy namens Amethyst ab. Der Titel der Komposition aus dem Jahr 2015 verrät, dass die Faszination der Autorin für den Edelstein Amethyst ihren Platz im Klangraum fand, der durch die Komposition für Solovioline begrenzt wurde. So wurde die Kantabilität einfacher Motivwiederholungen durch lebhafte Pizzicato-Dopplegriffe ersetzt.
Das Cipra Quartett spielte anschließend die zarten und wehmütigen Capricen für Streichquartett – Ein anderes Land des renommierten zeitgenössischen österreichischen Komponisten Meinhard Rüdenauer (1941). Die Aufführung der wehmütigen und elegischen Komposition, die sich durch breite Phrasen auszeichnet, war geprägt von einem soliden, sicheren und vor allem inspirierten Wechsel von Solo- und gemeinsamen Passagen der Quartettmitgliederinnen.
Ein weiterer kammermusikalischer Leckerbissen folgte mit dem Auftritt von Andrea Nikolić und Evan Hulbert, die nach Kraljeva Sutjeska auch das Wiener Publikum mit Fünf Stücken für Violine und Kontrabass des russischen Spätromantikers Reinhold Gliére (1875–1956) begeisterten und damit einmal mehr nicht nur ein beneidenswertes technisches Niveau, sondern auch eine hervorragende gegenseitige Verschmelzung der Temperamente der Interpreten im gemeinsamen kammermusikalischen Ausdruck zeigten.
Der letzte Abschnitt des Wiener Konzerts setzte sich mit Kompositionen fort, die als wertvolle und interessante Ergänzungen dienten und damit erneut auf die vielseitige Gestaltung des Konzertrepertoires durch das Cipra Quartet hinwiesen. Nach einer exzellenten und harmonischen Aufführung zweier Tangos für Violine und Kontrabass von Astor Piazzola (1921–1992), (Auftritt von Andrea Nikolić und Evan Hulbert) spielte das Cipra Quartet den berühmten Underground Tango von Goran Bregović (1950) und eine von den Quartettmitgliedern arrangierte Version des polnischen Volksliedes Lipka. Die Aufführung des letzten Stücks zeichnet sich durch das besondere Bemühen der Quartettmitgliederinnen aus, neben dem Spiel auf einheimischen Instrumenten auch die menschliche Stimme in die Komposition einzubeziehen. Damit ist das Quartett eines der wenigen kammermusikalischen Streichensembles mit klassischem Profil, das dies tut.
Das Konzert „Echos aus Vareš“, das vor allem von der künstlerischen Vision Andrea Nikolićs und den außergewöhnlichen Darbietungen der Mitgliederinnen des Cipra Quartet sowie der unvergleichlichen Künstler Evan Hulbert und Ivana Nikolić getragen wurde, bot dem Wiener Publikum und der Kulturöffentlichkeit nicht nur ein hervorragendes Konzert mit einem facettenreichen Repertoire, sondern auch eine geniale Verbindung der Musikfestival-Ereignisse einer kleinen Stadt in Bosnien und Herzegowina mit denen einer großen europäischen Stadt, die seit Jahrhunderten die Hauptstadt der europäischen klassischen Musik ist. Wenn eine Vision und ein Wille vorhanden sind, entstehen Brücken, selbst solche, die zunächst kaum möglich schienen. Die musikalischen Grundlagen, die durch die Echos der Ereignisse des Vareš-Klassikfestivals im Alten Rathaus von Wien entstanden, waren, wie dieses Konzert zeigte, bereits vor langer Zeit gelegt worden.
Senka Hodžić

