WIE ES 1994 AUF DEM WIENER OPERNBALL ZU KEINER WAGNER- SENSATION KAM
Die Seitenblicke-Chefin des ORF, Dr. Ulrike Messer Krol, bei einer Lagebesprechung vor Beginn des Balls im Jahr 1994. Foto: Andreas Friess
Vor dreißig Jahren am 10. Februar hätten alle Wiener Wagner-Fans wenn schon nicht den Haupteingang der Oper so zumindest den Bühneneingang belagern müssen. Gleich zwei Stars vieler Wagner-Aufführungen waren an dem gewissen Donnerstag vor dem Faschingswochenende in Wien zu Gast. Heuer sind für den Ball der Bälle mit Elina Garanca und Piotr Beczala zwei Opernstars engagiert, die zwar auch als Kundry und als Lohengrin zu den Großen des Wagnerfachs gehören, aber in anderen Rollen Weltkarriere machten.
Der Ball war damals auf einem Tiefpunkt angelangt, die Demonstrationen der Jahre vorher hatten seinem Image zugesetzt , es wurden keine berühmten Gäste wie früher erwartet, die auf Einladung, ohne Honorar gekommen waren. Baumeister Richard Lugner hatte Ivana Trump gebracht, damals berühmter als ihr noch nicht Präsident-Ehemann. Nicht für den Ball, aber für eine erfolgreiche Berichterstattung über die Grenzen Österreichs hinaus und für die Fernsehsendung unabdingbar fehlten die Stars.
Opernball-Chefin Lotte Tobisch mit Dr. Ulrike Messer-Krol, die als ORF-Seitenblicke-Gestalterin ihr Opernball-Debüt beging. Foto: Andreas Friess
Das Event wurde unter der Ägide von Lotte Tobisch organisiert und lag in der Zuständigkeit der Bundestheaterverwaltung . So waren die Auftritte der Gesangssolisten aus dem Ensemble oben auf der Empore nicht so glamourös wie später, als der dann zuständige Hausherr es sich nicht nehmen ließ, auf dem Kutschbock Anna Netrebko in einer Kalesche persönlich auf das Parkett der Oper zu führen, und auch selbst zu singen begann.
1994: Jochen Kowalski und Dame Gwyneth Jones. Foto: Andreas Friess
Vor 30 Jahren war die Unterstützung der Live- Übertragung zurückhaltend . Der ORF reagierte und engagierte selbst Opernstars. Und so kamen – eher zufällig und nicht unbedingt für eine Ballnacht erwartet- zwei der größten Wagner- Soprane ins Spiel Über eine Agentin gelang es , Hildegard Behrens, später Kammersängerin, aus den USA einfliegen zulassen, dank eines Opern affinen Herrn in der Chefetage der AUA – damals noch österreichisch- in die erste Klasse up gegradet. Deren Weltkarriere begann 1977 , als Herbert von Karajan sie in Richard Strauss‘ Salome für die Salzburger Festspiele engagierte. In den 80 Jähren sorgte sie dann als Brünnhilde für legendäre Auftritte bei den Bayreuther Festspielen. Noch eine zweite Wagner- Ikone war auf dem Ball, die Brünnhilde des hochgerühmten Jahrhundert-Rings von 1976: Als Ehrengast und als eine Art Co- Moderatorin fungierte Gwyneth Jones. Sie präsentierte gemeinsam mit Mezzo Countertenor Jochen Kowalkski, der heuer seinen 70. Geburtstag feiert, mitten auf der Ehrenstiege, auf engstem Raum mit den „normalen“ Gästen das Rossini zugeschriebene Katzenduett. Die beiden sangen live, das Publikum zu Hause hörte eine Playback – Aufnahme. Anders wäre das technisch auf diesem Platz nicht zu lösen gewesen. Das war aber nur für ein Opernpublikum wirklich interessant, und dieses scheute damals den Ball und seine Übertragung im Fernsehen . Ganz wie der amtierende Direktor Ioan Holender, der ständig über den Geschäftsverlust durch die Schließtage jammerte. Und so blieb eine große Chance durch fehlendes Wissen und fehlendes Interesse ungenutzt: Es hätte eine Sensation werden können , aber die besondere Historie des Balles wurde erst viele Jahre später durch detaillierte Recherchen bekannt :
Am 2.1.1716 fand der erste öffentliche Pariser Opernball statt. Diese Institution erlangte im gesamten 18. Jh. sowie im 19. Jh. große Popularität. Im Jänner 1877 erzielte Johann Strauss mit einem 150 Mann Orchester in der Pariser Oper einen so großen Erfolg, dass der Monarch in der Wiener Hofburg dem nachdrücklichen Wunsch der „feinen“ Gesellschaft, getragen vom damaligen Direktor Franz von Jauner nachgeben mußte. An einem Dienstag, am 11. Dezember 1877 , vor knapp 150 Jahren war es soweit. Es wurde eine Opern- Soirée gestattet, zugunsten des Pensionsfonds der Hoftheater, eine elegante musikalische Abendunterhaltung, die Damen in großer Toilette, die Herren in Frack.
Auch damals gab es zu Beginn ein großes Musikprogramm. Die Produktion, so hieß der abwechslungsreiche Konzert-Teil, begann, ganz wie heute, um 22 Uhr. Nicht mit den Fanfaren zum Einzug des Monarchen, die Kaiserloge blieb leer, sondern mit dem Hochzeitsmarsch von Felix Mendelsohn- Bartholdy. Gefolgt vom Scherzo von Léo Delibes.
Es folgte der Auftritt zweier Wagner Stars . In einer Robe in Rosa-Atlas mit Draperie in Tüll brachte Amalie Materna „Vöglein im Fliederbusch“ zum Vortrag. Ein Zwiegesang nach einem französischem Volkslied , mit Marie Wilt und gemischtem Chor. Es „machte einen zauberhaften Eindruck!“. Ein Jahr vorher , sie war gerade 32 Jahre alt, war Amalie Materna die erste Brünnhilde in Bayreuth. Kammersängerin Marie Wilt ging im Jahr danach nach Leipzig und brillierte dort als Wotanstochter. Komponist ist Franz Adalbert Doppler, k. k. Hofoperntheater-Kapellmeister in Wien . Das Hofopernorchester, auch damals Vorstufe für die Mitgliedschaft bei den Wiener Philharmoniker spielte.
Billig war de Opernball auch 1994 nicht (Preise in österreichische Schillinge:
Die Preisliste für 1994:
Vor nunmehr 30 Jahren sang eine berühmte Brünnhilde das Katzenduett, die zweite blieb überhaupt stumm, von ihr auf dem Ball gibt es im ORF-Archiv kein einziges Foto. Das war es damals mit dem Opernball der Stars. Vielleicht sollte sich ein Wagner-Sopran die Vöglein- Noten einmal anschauen !