Pippa Galli und Juliette Khalil. Copyright: Festival Weitra/Cornelia Benischek
THEATERFEST NIEDERÖSTERREICH / WEITRA: Eine freche Fledermaus im Waldviertel – und Kultur in reinster Natur – 15.8.2018
Die Lokomotive der Waldviertler Schmalspurbahn pfeift und dampft und rattert. Rattert gemütlich mit ihrer Nostalgiegarnitur im Nordwesten des Waldviertels an bestimmten Tagen. Fährt nahe der Grenze zu Tschechien, wirbt dabei auch für Kulturveranstaltungen in der Region wie das ‚Schrammel.Klang.Festival‘, bietet ein ‘Mozart Schmalspurbahn-Menuett‘ oder gibt sich als ‚Dorfwirteexpress‘ aus. Macht auch im schmucken historischen Städtchen Weitra Station.
Hier im stolz thronenden, im stadtbeherrschenden Schloss ist Peter Hofbauer, der langjährige Chef des Wiener Etablissement Metropol, der sommerliche Operetten-Intendant. Nein! „Die Fledermaus“ ist zwar heuer am Programmzettel gestanden, doch nicht als Operette, sondern als ‚musikalische Komödie von Peter und Florentina Hofbauer nach der Operette von Johann Strauß‘ bezeichnet. Forsch und wagemutig hat Hofbauer gemeinsam mit Tochter Florentina die Weltmeisteroperette Nummer eins auf Weitra-tauglich getrimmt. Allzu keck gewagt? Das Ergebnis stimmt. Als turbulentes Spiel ins frühe 20. Jahrhundert versetzt, mit einem Pianisten auf der einfach gestylten Bühne im Hof des Schlosses. Immer wieder klingen originale Orchestereinspielungen auf. Der Plot ist leicht verändert, garniert mit vielen alten wie aber auch guten neuen Gags. Und was sich so schön straußisch anhört, das zählt melodisch ja zum Allerbesten. Das Publikum des Niederösterreichischen Theaterfestes, hier eher reifere Semester, hat seine Freude daran, wenn sich das singende, mimende, outrierende Jungvolk (überwiegend zumindest und opernerprobt wie etwa Franziska Hetzel, Juliette Khalil etwa) oder Ronald Kuste als deftiger Frosch hier so richtig austoben kann. Zu hören sind manch rauhere Stimmchen, es ist aber auch manch Süßes dabei. An frischen Einfällen mangelt es nicht, auch nicht an anzüglichem Sex (gehört heute überall dazu). Die Regie von Andy Hallwaxx macht es auf flott, geizt nicht mit spielerischen Gags. Und die Jungen lassen sich locker in dieses metropolisch Fledermausische fallen.
Peter Hofbauer bedenkt die kulturellen Zielsetzungen in dieser Region: „Das Einzugsgebiet ist nicht gerade Theater-affin. Die Stärken hier sind die Natur mit ihren wunderbaren Badeseen und eine überall hervorragende Gastronomie. Die Menschen haben doch auch Scheue vorm Theater. Manche benötigen eine Einstiegsdroge. Regietheater kommt so nicht durch, man benötigt populäres Theater.“ Und somit steht Franz Lehárs „Lustige Witwe“, ebenfalls mit ähnlich metropolischem Zuschnitt, im nächsten Sommer am Programm.
Litschau im nördlichste Zipfel Österreichs ist die Endstation der Waldvierteler Schmalspurbahn. Zeno Stanek, auch Chef der Festspiele Stockerau, ist hier am Herrensee der kreative Kopf. Mit seinem ‚Schrammel.Klang.Festival‘ ist er dort seit 2007 erfolgreich verdienstvoll, und ‚Hin & Weg – Tage für zeitgenössische Theaterunterhaltung‘ ist jetzt neu hinzugekommen. Mit einem dichten, sich überschneidenden Programm an zehn Tagen (bis 19. August). Interessante kleinere neue Stücke möchte Stanek in Zukunft zeigen. Allerdings kein allzu intellektuelles Theater, nicht in komplizierter Form – doch es soll ein emotionell berührendes sein. Seine originellen Spielstätten: ‚Unorte‘ – wie diverse Stadl, die Post, die Feuerwehr, auch gar am Küchenherd in Privathäusern mit Autorenlesungen vor handverlesenem kleinen Publikum.
Das nördliche Waldviertel muss sich auch wegen seiner Ausstellungen nicht schämen. Wohl nicht die große Kunstwelt, doch sogar eine ‚Eremitage‘ ist hier zu finden. Die ‚Eremitage am Kamp‘ in Wegscheid ….
Oder das attraktive moderne ‚Kunstmuseum Waldviertel‘ in Schrems mit seinem interessanten Skulpturenpark, vom verstorbenen Architekturprofessor Makis Warlamis (1942–2016) mit einer Kreativakademie zur Kunstvermittlung und Persönlichkeitsbildung junger Menschen erdacht und erbaut. Dieses Jahr heißt es dort mit einer Multimedia-Show ‚Wunder Wald‘ – die Waldlandschaft in moderner Bildbetrachtung, welche das Gefühl von Eins-Sein mit der Natur geben soll. Und dazu gibt es ein kleinwenig mehr noch an Ausstellungsstätten: Die ‚Kunstfabrik‘ in Große Siegharts, ‚Blaugelbzwettl‘, der Kunstverein Horn, der Lindenhof in Raabs ….
Eins-Sein mit Natur stellt sich im Waldviertel andererseits von selbst ein. Dieses vormals nordwestliche wilde Waldviertel präsentiert sich heute als es eine ungemein gepflegte Naturlandschaft, welches mit seinem satten Grün und dem Wolkenspiel eine faszinierende Ruhe ausstrahlt. Mitten drin setzt das hoch gelegene Moorbad Harbach auf seine kultivierte Xundheitswelt. Gesundheitswelt. Es kann auch eine Xundheitswelt für Kultur sein – eine stille, abgeklärte, beinahe menschleere, welche zu besonnenem Ein- und Ausatmen einladet. Auch Komponist Gottfried von Einem fand hier mit seiner dichtenden Gattin Lotte Ingrisch viele Jahre ein ländliches Refugium. Die Schweineställe sind rundum zwar schon so auf richtig sauisch eingerichtet – somit sind sie aber völlig korrekt pflegegerecht. Und die zahlreichen lokalen Trachtenkapellen sind echt o.k. – auch wenn sie sich erlauben, zwischendurch mit modischen Shirts gekleidet aufzuspielen.
Infos:
Meinhard Rüdenauer