Kurt Weill: Der Silbersee – Ein Wintermärchen feierte am 21.01.2023 Premiere im Deutschen Nationaltheater Weimar.
In Weimar ist die Neuinszenierung von Georg Kaisers und Kurt Weills „Der Silbersee“ zu sehen. Operndirektorin Andrea Moses lässt die Schauspieloper am Deutschen Nationaltheater in der Gegenwart spielen.
Szenenfoto© Candy Welz
Bevor ich aber zu der Premiere komme, seien mir ein paar Worte zum Stück und der Uraufführung am 18. Februar 1933 gestattet. Georg Kaisers schrieb den Silbersee in Grünheide bei Berlin. In allen drei Häusern, die das Stück in einer Ringuraufführung zeigten, wurde das Stück nach der Premiere abgesetzt. Es war sein letztes Werk, dass im 3. Reich aufgeführt wurde. Seine Bücher fielen der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 zu Opfer. Der Dirigent der Leipziger Premiere Gustav Brecher nahm sich im Mai 1940 mit seiner Frau das Leben, aus Angst den deutschen Besatzern in Belgien in die Hände zu fallen. Ernst Hardt, es sei mir erlaubt ihn hier zu erwähnen, hat nicht direkt mit dem Stück etwas zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt begannen die Vorbereitung für seine Entlassung als Leiter des Westdeutschen Rundfunks, die mit einem faktischen Berufsverbot endete. Zwei Tage vor der Uraufführung am 16. Februar 1933 verkündete der Völkische Beobachter: „Die Tage des Herrn Hardt und seines jüdisch-marxistischen System sind gezählt.“ Was ihn aber mit dem Deutschen Nationaltheater besonders verbindet, ist seine Intendantschaft des Hauses nach dem ersten Weltkrieg und er war es auch, der dem Haus seinen heutigen Namen gab. Es zeigt deutlich, wie nahe vieles zusammenhängt und sollte auch heute uns klar Zusammenhänge erkennen lassen.
Aber auch in der neueren Vergangenheit wurde das Stück fast nie aufgeführt, was ich mir nur damit erklären kann, dass die Weill Erben an die Urheberschaft und Werkstreue große Ansprüche stellten. Im Herbst 1995 gab es mehrere Vorstellungen an der Neuen Oper Wien. Nun hat die Operndirektorin Andrea Moses das Stück inszeniert und es nach Grünheide verortet, einen kleinen Ort mit viel neuerer Geschichte. Nicht nur Kaiser schrieb dort das Stück und traf sich in Grünheide mit Weill, sondern nun wird dort die Tesla-Fabrik gebaut. Moses vergisst aber nicht, u.a. im Programmheft auf diese historische Dimension hinzuweisen.
Grünheide liegt am Rande einer Seenplatte, die so auch für den Namen des Stücks sorgt. Die Giga-Fabrik für Elektrofahrzeuge von Elon Musk, die dort gebaut wird, gefährdet das Grundwasser und möglicherweise auch die Seenplatte. Diese Szenerie ist die Kulisse bei Andrea Moses, die mit wenigen Mitteln von Jan Pappelbaum recht plastisch dargestellt wird.
Severin (Alexander Günther) lebt obdachlos mit weiteren Burschen in Wald am Rande des Silbersees. Hunger ist ein vorherrschendes Thema in der „Freien Republik Silbersee“, wie sie ihr zu Hause nennen. Also beschließt man, dass man den Hunger durch den Überfall auf einen Supermarkt besiegen will. Dieser Überfall wird gut in das Bühnenbild mit Filmsequenzen von Sarah Derendinger eingespielt und so wird der in Weimar bekannte Supermarkt und dann auch die Tiefgarage, durch die Bande flieht, ein Teil des Stückes. Die filmischen Einspielungen passen sich perfekt an die gesamte Aufführung an. Besonders will ich hier den Ton von Harms Achtergarde erwähnen. Ich habe solche Einspielungen anderswo schon sehr viel schlechter erlebt.
Szenenfoto© Candy Welz
Severin überkommt es im Supermarkt, dass es nicht nur notwendigen Lebensmittel, sondern eine Ananas stiehlt, bevor nun die durch die Verkäuferin entdeckten Bande flieht. Nun auf dieser Flucht durch die Tiefgarage schießt der Landjäger Olim (Uwe Schenker-Primus) auf Severin und trifft ihm am Bein. Diese gesamte Szene mit viel Unterstützung vom Opernchor, ist sehr unterhaltsam und hat eine große Leichtigkeit. Es darf auch in der Oper gelacht werden. Gewissensbisse plagen Olim und er quittiert seinen Dienst, nachdem er in einer Lotterie den Hauptpreis gewonnen hat. Severin wird hingegen depressiv, obwohl Olim ihn nun in sein neues Domizil aufnimmt und gut versorgt. Severin erkennt zunächst nicht, dass der feine Herr, der ehemalige Landjäger war, dem er seine Verletzung zu verdanken hat und sinnt nach Rache auf seinen Peiniger. Die Haushälterin Frau von Luber (Camila Ribero-Souza) spiet die beiden gegeneinander aus. Sie überredet Olim, dass er ihr eine Blankovollmacht gibt und verhilft Severin mit Unterstützung ihrer Nichte Fennimore (Heike Porstein) zur Erkenntnis, dass Olim auch der Landjäger ist, dem er sein bleibendes hinkendes Bein zu verdanken hat. Severin sucht Olim und beide werden aus dem Schloss vertrieben. Frau von Luber feiert mit Baron Laur (Jörn Eichler), der hier die Figur von Elon Musk annimmt, die Wiederherstellung der alten Herrlichkeit. Und zu guter Letzt versöhnen sich Severin und Olim und fahren in einem Tesla gemeinsam. Es bringt große Freude beide mit ihrer Leidenschaft, die sie bemerkenswert für das Stück einbringen, zu sehen. Wie immer ist der Opernchor (Einstudierung Emanuel Winter) mit einer Spielfreude dabei, die bemerkenswert ist. Das Stück lebt insgesamt von der Spielfreude des Ensembles.
Szenenfoto© Candy Welz
Es ist eine Schauspieloper und der junge 2. Kapellmeister Friedrich Praetorius führt die Staatskapelle souverän durch das Stück, dass jedoch etwas mehr schmutzigen Jazz auch vertragen könnte. Es ist eine Oper die gerade auch das nicht opernaffine Publikum ansprechen wird. Andrea Moses gestaltet die Oper recht unterhaltsam. Leider teilten nicht das ganze Premierenpublikum meine Auffassung und die Reihen leerten sich schon etwas zu Pause und der Schlussapplaus hätte auch kräftiger ausfallen dürfen. Weimars Silbersee ist auf jeden Fall aber sehenswert.
In den weiteren Rollen Nahuel Häflinger als erster Arzt, Phillipp Otto als zweiter, Isabel Tetzner als Krankenschwester, Emma Moore als erste Verkäuferin, Marlene Gaßner und Johanna Geißler als dritte Verkäuferin, sowie Taehwan Kim als erster Bursche, Andreas Koch als zweiter, Matthias Purdel als dritter und Klaus Wegener als vierter Bursche und Sebastian Kowski als Landjäger.
Weitere Vorstellung sind am 29.01., 10.02., 23.02., 16.03., 14.04., 21.04. und 01.05.2023
Weimar, den 24. Januar 2023
Olaf Schnürpel