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WEIMAR/Nationaltheater: DER GOLDENE HAHN von Rimski-Korsakov. Premiere

06.11.2022 | Oper international

2022-11-05 Der Goldene Hahn von Rimski-Korsakov, Premiere im Deutschen Nationaltheater Weimar

 Wie aktuell kann eine Oper heute sein? 

 Am Samstag, den 5. November feierte der Goldene Hahn von Rimski-Korsakow im Deutschen Nationaltheater seine Premiere. Zunächst ist es sehr schön, dass viele Besucher die Premiere wahrgenommen haben. Ich hätte mir gewünscht, dass das Haus aber auch ausverkauft gewesen wäre. Die Oper und deren Inszenierung hätten es sich verdient.

Der goldene Hahn ist eine Oper in drei Akten mit Prolog und Epilog von Nikolai Rimski-Korsakow auf ein Libretto von Wladimir Bjelski nach dem gleichnamigen Märchen von Alexander Puschkin, die 1906/1907 komponiert wurde. Im Jahr 1908 ist Rimski-Korsakow verstorben. Besonders durch die Pariser Aufführung von 1914 wurde die Oper zum Sensationserfolg und erlangte Bedeutung als Meilenstein in der Entwicklung des modernen Musiktheaters. Die Rolle des Astrologen, die sowohl innerhalb wie auch außerhalb des Dramas agiert, ist mit einem extrem hohen Tenor besetzt. Diese Stimmlage bezeichnete Rimski-Korsakow als Tenore altino und es war ihm von großer Bedeutung, dass seine Oper auch nach seinen Anweisungen aufgeführt wird und er sah sie als bindend an.

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Der goldene Hahn: Andreas Koch (General Polkan), Tadas Girininkas (König Dodon) und Heike Porstein (Der goldene Hahn), im Hintergrund: Opernchor des DNT Weimar © Candy Welz

Zur Handlung: Der Prolog ist für das Stück sehr wichtig. Ein Astrologe erscheint auf der Bühne und kündigt die nachfolgende Handlung an.

Erster Akt: Auf dem alt gewordenen König Dodon lasten schwere Sorgen. Sein Reich wird von allen Seiten bedroht. Ein Astrologe bietet als Lösung einen goldenen Hahn an, der mit den Schwingen schlägt und laut zu krähen beginnt, sobald Gefahr droht. Der König und seine Berater gehen freudig auf diese bequeme Lösung ein. Der Astrologe verschiebt die angebotene königliche Belohnung auf später. Bei dem ersten Alarm des goldenen Hahns rücken die Königssöhne mit den Soldaten ins Feld. Der zurückbleibende Hofstaat verfällt in Nichtstun. Doch schon bald warnt der goldene Hahn vor neuem Unheil. Das Volk versammelt sich angstvoll vor dem Palast, und endlich weckt General Polkan den schlafenden König. Missgelaunt zieht Dodon mit den verbleibenden Soldaten unter dem Jubel der Menschen in die Schlacht, um seinen Söhnen zu helfen.

Zweiter Akt: Der König in einer engen Schlucht. Seine Armee ist geschlagen, und seine Söhne liegen tot zu seinen Füßen. Dodon will Rache. Er vermutet den Feind in einem plötzlich aus dem Nebel auftauchenden Zelt. Da tritt aus dem Zelt eine junge, betörend schöne Frau. Sie besingt die aufgehende Sonne, es ist die Königin von Schemacha aus Dodons Traum, und sie will sein Reich. Aber nicht mit Gewalt, sondern mit Schönheit soll es erobert werden. Rätselhaft und spöttisch lächelnd umgarnt sie den geschlagenen König. Dodon verfällt ihr völlig und merkt nicht, wie ihn die Königin verhöhnt.

Ditter Akt: Die Aufseherin Amelfa verkündet dem Volk den Ausgang der Schlacht und das Heimkommen Dodons mit der neuen, fremden Königin. Der Astrologe verlangt vom König als Preis für den goldenen Hahn die Königin von Schemacha. Wütend schlägt Dodon den Astrologen und tötet ihn. Ein Unwetter zieht auf, die Königin lacht verstohlen.  Der goldene Hahn stürzt auf ihn und hackt so lange mit dem Schnabel auf ihn ein, bis er leblos zusammensinkt. Die Königin entflieht mit dem Wundervogel in einem sich entladenden Gewitter. Verlegen und ohne Einsicht betrachtet das Volk die neue Lage nach dem Tod des Zaren.

Epilog: Ein letztes Mal betritt der Astrologe die Bühne und rät dem Publikum, den düsteren Schluss des Märchens nicht zu ernst zu nehmen.

Soweit die Handlung. Rimski-Korsakow hat in einem Vorwort geschrieben, wie der die Oper aufgeführt haben möchte und was nicht gestattet wird. An seinem Vermächtnis sollte sich jeder halten. Für ihn steht der Gesang im Vordergrund und soll nicht durch die Handlung auf der Bühne gestört werden. „Eine Oper ist vor allem ein musikalisches Kunstwerk.“

 Schon Puschkin begann sein Märchen mit den Worten: „Es war einmal irgendwo, irgendwann“ Diese Zeitlosigkeit setzt Stephan Kimmig ins heute sowie auch gleichzeitig in die Zeitlosigkeit. Sein Bühnenbild von Katja Haß sieht wie eine Halle oder zerfallenes Herrschaftszentrum aus und schafft eine Gestaltungsmöglichkeit für die ganze Oper. Mit wenige Mitteln wie vorhänge wird gestaltet und auch mit Videoprojektionen von Mirko Borscht ergänzt, die nur auf den ersten Blick wie eine abstrakte Farbgestaltung wirken. Ergänzt wird das ganze Schauspiel durch sehr zeitlose Kostüme von Anja Rabes. Ich mag solche Szeneiren. Sie lassen den Zuschauer viel Raum für die eigene Fantasien. Grenzwertig im Sinne des Vermächtnisses von Rimski-Korsakow sind die Szenen, wo auf der Stelle marschiert wird, da diese durch die Lautstärke der Schritte schon ziemlich stark in die Musik eingreifen. Ein „lautloser“ Schritt wäre sicher auch möglich gewesen. Es greift jedoch nicht so stark ein, dass es das Werk zerstört.

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Der goldene Hahn: Tadas Girininkas (König Dodon), Taejun Sun (Astrologe) © Candy Welz

Da die Oper vor allem ein musikalisches Kunstwerk sein soll, liegt natürlich ein großes Gewicht auf der musikalischen Umsetzung, wofür der erste Kapellmeister Andreas Wolf die Verantwortung trägt. Und er nimmt diese Verantwortung sehr ernst. Rimski-Korsakow hat keine leichte Musik geschrieben und Wolf gelingt es, ein ausgewogenes Klangbild zwischen Graben und Bühne dem Publikum zu schenken. Die Staatskapelle nimmt die Herausforderung der Musik an und setzt sie entsprechend souverän um. Eingangs habe ich auf die Wichtigkeit des Astrologen für Rimski-Korsakow verwiesen und hier muss ich meine höchste Anerkennung für Taejun Sun aussprechen.  Er überstrahlt mit seinem „Tenore altino“ alle und zeigt, dass gesanglich sehr viel möglich ist. Um es deutlich noch einmal auszusprechen, die Oper wird selbstverständlich in Russisch gesungen. Brava, brava, brava. Aber nicht nur gesanglich überzeugte er auf ganzer Linie, Textverständlichkeit, die häufig bei neueren Inszenierungen zu wünschen übriglässt, kann man ihn nur attestieren. Es ist mir schon bei Samson aufgefallen, wie gut Sun sich entwickelt und wie ernst er seine Partie nimmt. Eine sensationelle Entwicklung und es ist zu befürchten, dass es nicht nur mir auffällt und die großen Bühnen auf ihn warten. Aber wenn ich es bereits für seine gesanglichen Qualität hier ausgesprochen habe, so ist er schauspielerisch ebenso überzeugend. Hier hätte sich Rimski-Korsakov sicher sehr gefreut.

König Dodon wird sehr ordentlich gesungen von Tadas Girininkas. Alik Adbukayumov und Jörn Eichler als Söhne des Königs singen und spielen ihre Rollen gewohnt zuverlässig. Andreas Koch zeichnet ebenso die Rolle des Generals Polkan.

Ein heimlicher Star ist für mich fast immer der Opernchor. Nicht nur musikalisch überzeugt er unter der Leitung von den Opernchordirektor Jens Petereit, er bringt auch die nötige szenische Unterhaltung mit, die jede Oper wie auch der goldene Hahn braucht.

Sehr viel schwerer habe ich es mit den Frauen. Heike Porstein als goldener Hahn singt ihre Partie, wie man es für die Rolle erwarten kann, auch mit einer klaren Textverständlichkeit. Leider fallen sowohl Sarah Mehnert in der Rolle der Amelfa als auch Ylva Sternberg in der Rolle der  Königin Schemacha deutlich zurück. Textverständlichkeit wäre hier Luxus und der Königin fehlt jede Seele einer russischen bzw. orientalische Frau im Gesang und auch im Ausdruck. Diesen Eindruck hatte nicht nur ich, sondern teilten es mir andere Besucher auch mit, aber viele andere scheinen es nicht zu hören, was ich sehr Schade finde. Wären diese Partien entsprechend besetzt gewesen, wäre es eine Operninszenierung, die Maßstäbe hätte setzen können. So bleibt für mich ein Wehmutstropfen der weiblichen Stimmen.

Rimski-Korsakov hat hier ein bedeutendes Werk geschaffen. Bedenkt man, dass die Programmauswahl hierfür schon vor langer Zeit erfolgte, so ist es beeindruckend wie aktuell sie ist. Wenn ich auf Paris hingewiesen hatte, so ist die Parallele zu Heute, dem Hier und Jetzt schon gespenstisch. Es zeigt deutlich, wie sich Machtmissbrauch entwickelt, ohne den Unterhaltungswert zu verlieren. Es ist eine Oper, die zu Unrecht so selten gezeigt wurde. Hinzu kommt die fabelhafte Musik und deren Umsetzung, die der erste Kapellmeister Andreas Wolf uns schenkt und natürlich ich kann mich nur wiederholen, das Strahlen von Taejun Sun. Schon um ihn zu hören, sollte man eine der nächsten Vorstellungen besuchen.

Das Publikum honorierte die Aufführung mit starkem Applaus.

Das waren meine Eindrücke von der Premiere des goldenen Hahns am Samstag. Machen Sie sich ihr eigenes Bild und besuchen Sie einen der nächsten Vorstellungen im Deutschen Nationaltheater am 11., 24. November, 3., 21. Dezember sowie den 13. Januar 2023 jeweils um 19:30 Uhr. Weitere Informationen zum Stück finden sie auch auf der Homepage des Deutschen Nationaltheaters.

(https://www.nationaltheater-weimar.de/de/programm/stueck-detail.php?SID=3124)

Olaf Schnürpel

Weimar, den 6. November 2022

 

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