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WEIMAR / Lyric Opera Studio Weimar im „mon ami“ / Johann Strauss – Die Fledermaus / Aufführung am 27.08.2025 / Regie: Damon Nestor Ploumis  Wiener Charme in Weimar: „Die Fledermaus“ als internationale Erfolgsgeschichte

28.08.2025 | Operette/Musical/Show

Weimar / Lyric Opera Studio Weimar im „mon ami“ / Johann Strauss – Die Fledermaus / Aufführung am 27.08.2025 / Regie: Damon Nestor Ploumis

 Wiener Charme in Weimar: „Die Fledermaus“ als internationale Erfolgsgeschichte

 Wenn die Realität grau erscheint, kann ein wenig Operetten-Zauber wahre Wunder wirken – diese Philosophie setzt der Künstlerische Direktor und Bassbariton Damon Nestor Ploumis mit seinem internationalen Ensemble des Lyric Opera Studios Weimar in einer bemerkenswerten „Fledermaus“-Inszenierung um.

41 internationale Gesangsstudenten aus 18 verschiedenen Ländern: aus den USA, Kanada, Südamerika, Europa und Asien stellen sich der Herausforderung einer szenischen Aufführung in deutscher Sprache. Was als Sommerkurs-Projekt beginnt, entwickelt sich zu einer künstlerischen Erfolgsgeschichte, die Wiener Lebensfreude mit internationalem Flair vereint.

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Foto: Thomas Janda

Regie mit Weitblick und Humor

 Damon Nestor Ploumis beweist als Regisseur nicht nur ein feines Gespür für die humoristische Vielschichtigkeit der Strauss’schen Operette, sondern auch den Mut zu zeitgemäßer Interpretation. Seine Inszenierung spielt geschickt mit lokalen Anspielungen auf Weimarer Stadtpolitik und Kulturszene, ohne dabei die universelle Botschaft der Geschichte zu verlieren.

Besonders gelungen ist sein Bühnenkonzept: Im zweiten Akt verwandelt Ploumis den gesamten Raum des „mon ami“ in eine immersive Ballszene, die das Publikum direkt ins Geschehen bei Prinz Orlofsky hineinversetzt. Diese räumliche Konzeption schafft eine Unmittelbarkeit, die die traditionelle Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum aufhebt und zu einem „prächtigen Erlebnis“ wird.

Die Überraschung im Publikum ist spürbar: Zunächst unsichere Blicke, dann begeistertes Raunen, als die Darsteller zwischen den Tischen hindurchwandeln und einzelne Zuschauer charmant in das Ballgeschehen einbeziehen. Ein älterer Herr in der ersten Reihe wird sichtlich rot, als Adele ihm zuzwinkert – sehr zur Freude seiner Begleiterin.

Internationales Ensemble mit Wiener Seele

 Das vielsprachige Ensemble bewältigt die sprachlichen Herausforderungen der deutschen Operette mit beachtlicher Authentizität. Nicola Montfort als Rosalinde brilliert mit einer stimmlichen Bandbreite von tiefen Mezzo-Tönen bis zu strahlendem Sopran, besonders mitreißend im ungarischen Csárdás.

Der Csárdás wird zum absoluten Höhepunkt des Abends: Das Publikum hält kollektiv den Atem an, als Nicola Montfort ihre virtuosen Koloraturen entfaltet, und bricht anschließend in minutenlangen, stehenden Applaus aus. Mehrere Zuschauer rufen „Brava!“ in den Saal.

Joe Ashmore als Gabriel von Eisenstein versprüht durch seine Wiener Erfahrungen echten „Schmäh“ mit volkstümlichem Charme und „Grinzinger Wein-Weisheiten“.

 Oliver Hassall als Dr. Falke überzeugt mit seinem „wohl timbrierten Schmelz“, während Klara Vermeer als Adele ihre Arien „lustvoll und mitreißend“ interpretiert.

Ashmores Wiener Dialekt-Einlagen sorgen für kontinuierliche Heiterkeit im Saal – besonders seine improvisierten Kommentare zum „Weimarer Nachtleben“ bringen das Publikum zum Kichern. Bei Vermeers „Mein Herr Marquis“ wippen viele Zuschauer unbewusst im Takt mit, einige summen sogar leise mit.

Besondere Erwähnung verdient Lena Haleem als Prinz Orlofsky, die mit „wohltönendem Mezzo“ eine überzeugende Hosenrolle bietet. Jorge Zazuela als Alfred berührt mit seiner lyrischen Tenorführung, während Fernando Watts als Frank und Robert Erickson als Dr. Blind ihre komödiantischen Talente voll ausspielen. Victoria Bjornn komplettiert als Ida das starke Ensemble.

Das gesamte internationale Ensemble mit Sängern aus den USA, China, Großbritannien, Dänemark, Serbien und Finnland beweist die erfolgreiche Internationalisierung des deutschen Operetten-Repertoires.

Haleems Auftritt als Orlofsky wird mit anerkennend-überraschtem Murmeln quittiert – die perfekte Mischung aus aristokratischer Arroganz und charmanter Gelassenheit überzeugt auch die letzten Skeptiker in Sachen Hosenrolle.

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Foto: Thomas Janda

Ein internationales Sprungbrett: Das Lyric Opera Studio Weimar

 Die beeindruckende Qualität dieser Aufführung wird vor dem Hintergrund des Lyric Opera Studios noch bemerkenswerter.

Über 250 Sänger haben sich 2025 für das mittlerweile international hoch angesehene Programm beworben. Seit 18 Jahren richtet sich das Lyric Opera Studio Weimar an Sänger*innen, die vor kurzem ihre Hochschulausbildung abgeschlossen haben und ihren beruflichen Einstieg am Theater vorbereiten. Der Erfolg spricht für sich: Mehr als 75 Teilnehmer der vorigen Jahre fanden von hier den Weg an das Deutsche Nationaltheater Weimar, die Deutsche Oper Berlin, die Semperoper Dresden, Glyndebourne sowie an weitere Theater weltweit. Insgesamt haben mehr als 1.300 Studenten aus 79 verschiedenen Ländern diesen international renommierten Trainingskurs besucht – ein Beweis für die nachhaltige Wirkung dieser kulturellen Bildungsarbeit auf höchstem Niveau.

Musikalische Leitung und künstlerisches Niveau

 Unter der umsichtigen musikalischen Leitung von Dirigent Costas Tsourakis entfaltet die Produktion ein „urtümliches wie feines wienerisches Kolorit“. Die professionelle Klavierbegleitung durch Shufan Ge und Brendan Kennedy bildet das solide Fundament für diese szenische Operetten-Aufführung. Die intensive Vorbereitung durch internationale Trainer zahlt sich in der technischen Sicherheit und stilistischen Geschlossenheit aus – ein beeindruckendes Zeugnis für die Qualität der Ausbildung im Lyric Opera Studio Weimar, das seine Teilnehmer gezielt auf den Einstieg in den deutschen Opernmarkt vorbereitet.

Die musikalische Präzision wird besonders beim berühmten Uhren-Duett deutlich – das perfekte Zusammenspiel zwischen Montfort und Ashmore erntet begeistertes Kopfnicken und zustimmendes „Ah!“ aus dem Publikum.

Besonders der Chor glänzt in der „packenden Polka Donner und Blitz“ mit mitreißender Energie.

Bei der Donner-und-Blitz-Polka ist die Begeisterung nicht mehr zu bremsen: Das Publikum klatscht rhythmisch mit, einige Zuschauer wiegen sich in ihren Sitzen, und am Ende gibt es spontan skandierten Applaus im Polka-Takt.

Publikumsreaktionen: Von Skepsis zu Begeisterung

Der Abend beginnt mit der typischen Zurückhaltung eines klassischen Opern-Publikums – höflicher, aber gemessener Applaus nach der Ouvertüre. Doch bereits nach den ersten Dialogen zwischen Eisenstein und Rosalinde taut die Atmosphäre merklich auf. Die geschickte Mischung aus Slapstick und sprachlichem Witz lässt die anfängliche Steifheit schwinden.

Ein besonderer Moment entsteht, als Robert Erickson als Dr. Blind mit seinem übertrieben wichtigtuerischen Auftreten die Bühne betritt: Ein Zuschauer in der dritten Reihe kann sich ein lautes Prusten nicht verkneifen, was eine Welle des Gelächters durch den gesamten Saal sendet.

Der große Durchbruch kommt mit dem Beginn des zweiten Akts: Als das Publikum plötzlich Teil der Orlofsky-Gesellschaft wird, weichen Zurückhaltung und eventuelle Berührungsängste vollständig einer ausgelassenen Atmosphäre. Ältere Damen kichern wie Teenager, wenn die Darsteller sie galant zum Tanz auffordern, und selbst normalerweise steife Herren lassen sich zu einem Lächeln hinreißen.

Der emotionale Höhepunkt zeigt sich in der Reaktion auf Jorge Zazuelas Ständchen: Seine lyrische Interpretation der „Täubchen“-Arie bringt mehrere Zuschauerinnen sichtlich zu Tränen – nicht nur wegen der schönen Stimme, sondern auch wegen der rührenden Darstellung des treuherzigen Tenors.

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Foto: Thomas Janda

Fazit: Botschaft der Menschlichkeit

 Damon Nestor Ploumis gelingt mit seiner „Fledermaus“-Inszenierung mehr als nur eine gelungene Operetten-Aufführung. Er schafft eine „erfolgreiche Botschaft von Menschlichkeit, Wiener Lebensfreude und internationaler Zusammenarbeit“, die in Zeiten politischer Spannungen besondere Relevanz gewinnt.

Der finale Applaus spricht Bände: Fast fünf Minuten stehende Ovationen, mehrfache Vorhang-Calls und spontane „Bravo!“-Rufe aus allen Teilen des Saals. Besonders rührend ist der Moment, als das internationale Ensemble gemeinsam nach vorne tritt und das Publikum in rhythmisches Klatschen ausbricht – ein wahrhaft verbindendes Erlebnis.

Die gut verkauften Vorstellungen und der anhaltende Beifall bestätigen, dass Operette als Kunstform durchaus zeitgemäß interpretiert werden kann, ohne ihre ursprüngliche Leichtigkeit zu verlieren.

Beim Verlassen des Theaters hört man überall begeisterte Gespräche: „So lebendig habe ich Operette noch nie erlebt!“, schwärmt eine Dame mittleren Alters. Ein älterer Herr meint zu seinem Begleiter: „Das war ja mal richtig erfrischend – hätte nie gedacht, dass mich so etwas noch zum Lachen bringen kann!“

Die Produktion zeigt exemplarisch, wie kulturelle Bildungsarbeit funktionieren kann: Junge internationale Künstler erarbeiten sich unter professioneller Anleitung das deutsche Repertoire und bringen dabei ihre eigenen kulturellen Perspektiven ein. Das Ergebnis ist ein lebendiges, authentisches Musiktheater, das sowohl künstlerisch überzeugt als auch menschlich berührt.

Ein junges Paar diskutiert beim Hinausgehen angeregt über die verschiedenen Akzente der Darsteller: „Gerade das macht es doch so interessant – jeder bringt etwas anderes mit, aber zusammen ergibt es etwas ganz Neues!“ Der Kommentar einer Studentin fasst den Abend perfekt zusammen: „Das war keine Museum-Operette, sondern wirklich lebendiges Theater!“

Fazit: Eine rundum gelungene Aufführung, die beweist, dass Operette in den richtigen Händen auch heute noch das Publikum zu begeistern und zu bewegen vermag. Wiener Charme, internationale Vielfalt und Weimarer Lokalkolorit verschmelzen zu einem unvergesslichen Theatererlebnis.

Thomas Janda

 

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