WEIMAR/ Jugend- und Kulturzentrum mon ami: Revolution im Rokoko : Mozarts „Le nozze di Figaro“ in Weimar
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Aufführung: 16. 07. 2025 im Jugend- und Kulturzentrum mon ami
Reich an subversivem Esprit, durch den sich die Dienstboten im Klassenkampf gegen ihre Herrschaft erfolgreich behaupten können – so präsentiert sich Mozarts Le nozze di Figaro in der aktuellen Inszenierung des Lyric Opera Studio Weimar. Man sagt, Beaumarchais’ Theaterstück enthalte eine Vorahnung der Französischen Revolution – und tatsächlich gelingt Mozart und seinem Librettisten Lorenzo da Ponte eine perfekte Gratwanderung zwischen bitter und süß, Tragödie und Komödie.
Oft gerühmt als die großartigste Komische Oper, die je geschrieben wurde, wirbelt uns Le nozze di Figaro durch einen Sturm von Ereignissen – „La Folle Journée“, wie Beaumarchais seine Vorlage betitelte. Figaro, Kammerdiener des Grafen Almaviva, möchte seine geliebte Susanna, Zofe der Gräfin, heiraten – doch der schürzenjagende Graf hat andere Pläne. Was folgt, ist ein raffiniert gesponnenes Netz aus Intrigen, Verkleidungen und Enthüllungen, das mit musikalischem Witz und psychologischer Tiefe erzählt wird.
Inszenierung: Klassisch mit klarem Blick auf das Heute
Regisseur Damon Nestor Ploumis setzt auf eine Inszenierung, die die historischen Wurzeln des Werks respektiert, dabei aber nie in museale Starre verfällt. Die Bühne ist bewusst reduziert gehalten – mit mobilen Elementen, die schnelle Szenenwechsel ermöglichen und die Handlung in einem fließenden Rhythmus vorantreiben. Die Kostüme zitieren das Rokoko, doch mit modernen, fast minimalistischen Akzenten, die die sozialen Gegensätze zwischen Dienerschaft und Adel visuell unterstreichen.
Besonders eindrucksvoll ist der Umgang mit Raum und Bewegung: Die Figuren agieren oft auf mehreren Ebenen gleichzeitig – ein Spiegel der doppelbödigen Handlung. Türen, Vorhänge und Spiegel werden zu Symbolen für Täuschung, Verstellung und das Spiel mit Identitäten. Ploumis versteht es, die Komik der Situationen auszukosten, ohne sie ins Groteske kippen zu lassen – und gerade dadurch gewinnt die Inszenierung an Tiefe.
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Ein Ensemble mit internationalem Atem
Die jungen Sängerinnen und Sänger aus aller Welt bringen nicht nur stimmliche Qualität, sondern auch eine spürbare Begeisterung für das dramatische Spiel mit. Die Sprachbehandlung des italienischen Originals ist klar und ausdrucksstark, was besonders in den Rezitativen zur Geltung kommt. Die Intensität wird noch in den Arien gesteigert. Die Ensembleszenen – etwa das große Finale des zweiten Akts – sind präzise choreografiert und musikalisch fein abgestimmt. Sänger und Klavierbegleitung bilden eine fantastische Klang-Symbiose, dafür sorgt Dirigent Olaf Storbeck mit seiner musikalischen Leitung.
Die tief gehenden Charakterstudien und brillanten Arien und Ensembles des Le nozze di Figaro stellen hohe Anforderungen an die jungen Sänger. 38 internationale Gesangsstudenten aus 18 verschiedenen Ländern stellen sich dieser Herausforderung und nehmen in diesem Jahr am Sommerkurs des Lyric Opera Studio Weimar teil, der ihren Einstieg in den deutschen Opernmarkt fördern soll.
Publikumsreaktionen: Begeisterung und Staunen
Das Publikum in Weimar zeigte sich sichtlich bewegt und begeistert. Bereits nach der Ouvertüre war gespannte Aufmerksamkeit im Saal spürbar, die sich im Laufe des Abends in immer wieder aufbrandendem Applaus entlud. Besonders gefeiert wurden die Arien der Gräfin und Susannas „Deh vieni, non tardar“, die für viele zu den emotionalen Höhepunkten des Abends zählten. In den Pausen hörte man begeisterte Stimmen: „So lebendig habe ich Figaro noch nie erlebt!“ oder „Man spürt, dass hier mit Herzblut gearbeitet wurde.“
Am Ende gab es stehende Ovationen – ein verdienter Lohn für eine Aufführung, die nicht nur musikalisch überzeugte, sondern auch mit ihrer klugen Regie und dem internationalen Ensemble ein starkes Zeichen für die verbindende Kraft der Oper setzte.
Fazit
Diese Aufführung von Le nozze di Figaro ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Menschlichkeit, Gleichheit und die Kraft der Musik, Grenzen zu überwinden. Das Lyric Opera Studio Weimar beweist, dass große Oper auch auf kleinen Bühnen mit großer Wirkung erzählt werden kann – mit Herz, Verstand und einem Hauch Revolution.
Abgesang
Leider gibt das Lyric Opera Studio Weimar unter der Leitung von Damon Nestor Ploumis seine letzte Vorstellung der Saison 2025 mit der Oper „Le nozze di Figaro“ in Weimar.
Danach wird es das Lyric Opera Studio Weimar zumindest in dieser Form nicht mehr geben. Schade! Denn „der deutsche Fleiß, das amerikanische Knowhow und der griechische Charme“ wird den Weimarern fehlen.
Diese Aufführung ist übrigens Teil des renommierten Sommerprogramms, das jungen Opernsängerinnen und -sängern aus aller Welt – darunter aus den USA, Kanada, Afrika, Europa, Australien und Asien – eine Bühne bietet. Die Inszenierung hat noch einmal Damon Nestor Ploumis selbst übernommen, ein international erfahrener Bassbariton und künstlerischer Leiter des Studios seit 2008. Das Programm richtet sich an Absolventen von Musikhochschulen, die den Einstieg in den deutschsprachigen Opernmarkt suchen
Seit seiner Gründung im Jahr 2008 hat das Studio über tausend Sänger aus 72 Ländern ausgebildet und viele von ihnen an bedeutende Häuser wie die Deutsche Oper Berlin, die Semperoper Dresden oder die Bayerische Staatsoper vermittelt.
Copyright: mon ami
Weitere Termine: 17., 18., und 20.07, 21.07. 2025
Thomas Janda