Weimar / Herderkirche: BACH-KONZERT MIT CHRISTOPH PRÉGARDIEN UND LE CONCERT LORRAIN BEI DEN „THÜRINGER BACHWOCHEN“ – 13.4.2021
Eigentlich sollte das Konzert mit ausschließlich Werken von Johann Sebastian Bach, der im Thüringer Raum, wo seine weitverzweigte Familie die Musiker in den Städten und Ortschaften stellte, seine Kindheit und Jugend und die ersten Dienstjahre verbrachte, schon vor einem Jahr im Rahmen der Thüringer Bachwochen in der Weimarer Herderkirche (St. Peter und Paul) stattfinden, aber die erste Coronawelle mit dem anschließenden Lockdown verhinderte das.
Jetzt fand dieses Konzert an gleicher Stelle statt, jedoch ohne Publikum. Es wurde (am 8.4.) aufgezeichnet und nun (13.4.) gesendet (mdr Kultur). Die Musiker von Le Concert Lorrain, einem im Jahr 2000 gegründeten und jetzt von der französischen Cembalisten Anne Catherine Bucher und dem deutschen Cellisten Stephan Schultz geleiteten Kammerorchester aus Metz (Belgien), das sich besonders der französischen und deutschen Barockmusik widmet und schon vor einigen Jahren bei den Thüringer Bachwochen für Aufsehen sorgte, hatten im Altarraum der größten und bedeutendsten Kirche Weimars Platz genommen, im Hintergrund das Altargemälde von Lucas Cranach d. J. In dieser Kirche wirkte einst Johann Gottfried Herder, Theologe, Dichter, Philosoph und Schriftsteller der Aufklärung, der mit Goethe, Schiller und Wieland zum „klassischen Viergestirn von Weimar“ gehört und auch „Initiator der deutschen Volksliedforschung“ war.
Die Leitung des Konzertes lag – etwas ungewöhnlich – in den Händen des Cellisten, Stephan Schultz, der von seiner Position aus die Musiker inspirierte, die sehr engagiert, mit selbstverständlicher Stilsicherheit in der allerbesten Tradition und vor allem mit einer ungewöhnlichen Klangschönheit im Dienst der Musik Bachs musizierten. Sie begannen mit der „Sinfonia“ aus der Kantate „Am Abend aber desselbigen Sabbats“ (BWV 42) in der richtigen Balance zwischen zügigem Tempo, wunderbarer Klangfülle und deutlicher Diktion, unmittelbar ansprechend und berührend. Da ging kein Ton verloren, keine Phrase erschien nur „beiläufig“.
In einer guten Programmgestaltung folgte mit Leila Shayegh als Solistin und 1. Konzertmeisterin zunächst Bachs „Violinkonzert a Moll“ (BWV 1041) und etwas später, zwischen zwei Kantaten, das optimistische, lebensbejahende „Violinkonzert E-Dur“ (BWV 1042). Mit schönem, geschmeidigem Ton und mit dem Orchester in schöner Einheit verwoben, wirkte die Solovioline nicht vordergründig. Sie wuchs aus dem Orchesterklang heraus und ergab im Einklang mit dem Orchester durch die „Personalunion“ ein homogenes Ganzes.
Solist der beiden bekannten und oft aufgeführten Bass-Solokantaten „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ (BWV 56) und „Ich habe genug“ (WV 82) war der Tenor Christoph Prégardien, dessen sängerischer Schwerpunkt neben der Oper auf Lied und Oratoriengesang liegt. Er sang professionell, mit langem Atem, technischer Sicherheit und stilistischer Genauigkeit, entsprechend der großen Vorbilder auf diesem Gebiet, aber auch einer gewissen Lockerheit, wobei ihm Le Concert Lorrain eine überaus klangvolle und sichere Basis bot. Es gab oft gute, in den Orchesterklang eingebundene, gesangliche Passagen, auch mit guten Verzierungen, aber oft auch unterbrochen durch Stakkato-ähnliche Zäsuren, die die durchgängige Ernsthaftigkeit, wie man sie bei anderen Oratoriensängern kennt, unterbrachen.
Der vierstimmiger Chor in der abschließenden Choralstrophe der „Kreuzstabkantate“ sang tonrein, wirkte aber etwas zaghaft infolge kleiner Besetzung und geforderter Abstände im immer noch andauernden Lockdown.
Wegen des fehlenden Publikums gab es keinen Applaus, aber im Anschluss an das Konzert noch einige „Zugaben“ im wahrsten Sinne des Wortes. Prégardien sang mit edlem Timbre das Arioso „Am Abend als es kühle war“ und die anschließende Arie „Mache dich mein Herze rein“ sowie die Arie „Gebt mir meinen Jesum wieder“ aus der „Matthäuspassion“, die ihm reichlich Entfaltungsmöglichkeiten gaben, bei denen er sich aber auch auf ein Terrain begab, wo die Maßstäbe sehr hoch liegen. Er sang mit sicher geführter Stimme und entsprechenden Akzenten, aber weniger tiefer Auslotung. Das Orchester überzeugte auch hier, so wie es sich während des gesamten Konzertes mit seiner hohen Qualität in allem überaus überzeugend erwies.
Ingrid Gerk