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WEIMAR: Gründungskonzert ENSEMBLE „CAMERATA TEMPORALIS“

20.12.2019 | Konzert/Liederabende

Weimar, Gründungskonzert Ensemble „Camerata Temporalis“ 18.12.2019

Weimar hat ein neues und junges Ensemble für Alte und Zeitgenössische Musik.

„Camerata Temporalis“

„Camerata Temporalis“ während des Konzertes, Foto O. Schnürpel

Am 18. Dezember 2019 fand in Weimar im „Mon Ami“ das Gründungskonzert mit dem Titel „Also sprach… das Plastik“ mit Werken von Antonio Vivaldi, Simon Knighton (UA), Johann Joachim Quantz, Acacio Piedade (UA), Jean-Philippe Rameau, Frederik Neyrinck, Johann Sebastian Bach, Johannes K. Hildebrandt(UA).

Der Titel des Gründungskonzert irritierte mich doch ein wenig und ich konnte mir nicht vorstellen, wie er im Einklang mit den Werken stehen kann. Versprochen wurde: „Die Mischung aus Alter und Neuer Musik bietet ein breites Feld für Versuche- und wir bieten jungen Musikern und Künstlern eine Plattform für szenisch-musikalisch-künstlerische Experimente, die nicht nur die Bühne betreffen, sondern auch das Publikum. Wir wachsen über das klassische Konzertformat hinaus und ziehen die Zuhörerschaft in eine bunte und fantastische Realität hinein, in der sowohl die Alte Musik als auch das zeitgenössische Repertoire Teil eines Ganzen sind. Durch die avantgardistische Emulsion mit der szenischen Kunst entsteht eine Symbiose, die zusätzlich auch Musik und Philosophie auf eine gesamtsinnliche Ebene bringt und somit traditionelle Rezeptionsgewohnheiten umwirft. In unserer Konzertreihe „Also sprach…“ lassen wir Materialien unseres Alltags zu Wort kommen, die uns sonst stumm begleiten. Dabei verlässt das Publikum seine festgefahrene Rolle als statische, passive teilhabende Masse und wird Teil der künstlerischen Auseinandersetzung.“

Entsprechend diesem Versprechen wurde das Publikum von einer in glitzerndem Kleid gehüllten Performancekünstlerin, Carina Heidl, vor dem Konzert aus dem Foyer abgeholt. Die Begrüßungsworte wiesen auf die Schüchternheit des Plastiks hin, so dass ich erwartete doch eine Auseinandersetzung mit dem Plastik oder der Umwelt ausgesetzt zu werden. Aber das war auch schon im Wesentlichen die Auseinandersetzung mit dem Plastik. Im Konzertsaal wurden dann die Musiker mit einer Plastikwäscheleine mit dem Publikum verbunden und verknüpft. Ein Einfall, der ganz nett war. Die Verknüpfungsaktion dauerte fast das ganze Konzert über an und das Knüpfwerk erinnerte an ein Nervensystem. Angereichter wurde das Konzert mit einem Film von Amanda Lasker-Berlin, die auch die Regie innehatte aber leider nicht anwesend war und einer Lesung, die auf dem Boden vom Konzertsaal von Carina Heidl gehalten wurde. Weder die rezitierten Gedichte noch der Film „Wir sprechen“, der für sich genommen auch beeindruckend war und über die Verfolgung auch besonders der Frauen unter Nicolae Ceaușescu handelten, passten so richtig zum Konzert und konnten auch nicht den Titel erklären. Eigentlich Schade, denn diesem Anspruch wurde das Konzert nicht gerecht. Unter künstlerische Auseinandersetzung verstehe ich etwas anderes.


Das zeigt die Verknüpfung der Musiker, die mit dem Publikum folgte in der Generalprobe. Foto: Olaf Schnürpel

Aber da war ja noch etwas! Das Gründungskonzert von dem Ensemble

„Camerata Temporalis“

Für die musikalischer Leitung übernahm der junge Komponist und Dirigent Giordano Bruno do Nascimento die Verantwortung. Im Oktober führte er seine bereits fünfte Oper auf, für die Amanda Lasker-Berlin auch ein beeindruckendes Libretto schrieb. (https://onlinemerker.com/weimar-mon-ami-die-wahrheitsschwester-von-giordano-bruno-donascimento-urauffuehrung/ ). Giordano Bruno do Nascimento ist für mich eine der beeindruckendsten musikalischen Entdeckungen der letzten Jahre. Eine Beschäftigung mit seiner Vita lohnt sich wirklich. Neben seiner musikalischen Verantwortung für diesen Abend, bei der er von der jungen Musikwissenschaftlerin Eszter Johanna Barta unterstützt wurde, dirigierte er auch selbst die Werke von Acaio Piedale „Lamento in G“ und Simon Knighton „Amplitude“. Es waren zwei von den drei Uraufführungen des Abends. Er zeigte dem Ensemble deutlich, was er sich unter den Werken selbst vorstellt und war darüber hinaus in der Lage, sein Ensemble zu „kitzeln“, so dass der Funke bei einer Aufführung überspringen und die Musik ihr Feuer entfachen konnte. Am ganzen Abend konnte man sein musikalisches Konzept bewundern, dass sich wie der rote Faden durch das Programm zog. Die Entwicklung und Gegenüberstellung der zeitgenössischen Musik mit der Alten Musik machte deutlich, warum man in einem Konzert alles hören kann und auch sollte.

Musikalisch eröffnet wurde das Konzert von dem sehr jungen Konzertmeister Nikita Geller, der virtuos auf seiner Geige dem Publikum den ersten Satz der Sonate in g-Moll Von Johann Sebastian Bach BWV 1001 darbot. Er führte das Ensemble immer dann geschlossen, wenn do Nascimento nicht selbst dirigierte. Die ersten Ansätze sind vielversprechend und es bleibt sein weiterer Entwicklungsprozess abzuwarten. Nach dieser Eröffnung folgte die erste Uraufführung des Abends „Vier und einer“ von Johannes K. Hildebrecht und als Kontrapunkt dann von Antonio Vivaldi Triosonate d-Moll RV 63 „La Follia“. In beiden Stücken steht das Temperament im Mittelpunkt der Musik.

Es folgte dann Johann Joachim Quantz Konzert in g-Moll für zwei Flöten, QV 6:8. Die Flöten wurden von Pia Scheibe und Frederike Rechter gespielt. Dieses Werk habe ich zuvor noch nicht gehört.

Die nächste Gegenüberstellung erfolgte mit Werken von Acacio Piedade „Lamento in G“, JeanPhillipe Rameau „Entre de Polymnie“ aus Les Boreades und Simon Knighton „Amplitide. Ausgelebte Melancholie in diesen Stücken ist jedoch sehr unterschiedlich zu erleben.

Zu dem guten Ensemble gehören neben den obengenannten Silke Weller Violine, Assia Weissmann Viola, Daniel Gutiérrez Cello, Diego Furian Kontrabass und Miroslawa Cislek Cembalo.

Alles im allen war der Abend ein musikalischer Vollgenuss. Das junge Ensemble „Camerate Temporalis“ hat überzeugt und sollte sich auf die Musik konzentrieren, denn hier hat es gezeigt, dass es auch nicht mehr braucht, um das Publikum mitzunehmen.

Wer mehr über Giordano Bruno do Nascimento und dem Ensemble „Camerata Temporalis“ erfahren möchte, hat die Möglichkeit am Sonntag, den 5. Januar 2020 um 19:00 Uhr Ausschnitte aus dem Gründungskonzert sowie ein ausführliches Interview über Homepage von „Radio LOTTE“ in meiner Sendung „Lotte Kultur, Kultur ganz nach“ zu hören (https://www.radiolotte.de /).

Weimar, 2. Januar 2020

Olaf Schnürpel

 

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