Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WEIMAR/ DNT: ELECTRIC SAINT von Stewart Copeland und Jonathan Moore. uraufführung im Rahmen des Kunsfestes

12.09.2021 | Oper international

Ein Stromheiliger elektrisiert

 Die Uraufführung der Oper „Electric Saint“ von Stewart Copeland und Jonathan Moore am DNT Weimar im Rahmen des Kunstfestes Weimar

7349 sth2 electric saint 048 foto candy welz
Copyright: Candy Welz

Das DNT Weimar hat in seiner Vergangenheit schon einige Uraufführungen gesehen und setzt diese Tradition mit der Uraufführung „Electric Saint“ von Stewart Copeland und Jonathan Moore lebendig fort. Ideen- und Auftraggeber dafür waren Hans-Georg Wegner, inzwischen ehemaliger Operndirektor des DNT und Kunstfestleiter Rolf C. Hemke.

Übrigens agiert Jonathan Moore gleich in dreifacher Funktion: als Librettist, Regisseur und Mitarbeiter am Bühnenbild und den Kostümen.

Nach drei früheren gemeinsamen Opern, darunter zwei literarische Adaptionen, 2013 „The Tell-Tale Heart“ für das Royal Opera House Covent Garden und 2017 „The Invention of Morel“ für das Chicago Opera Theatre und die Long Beach Opera, wenden sich Copeland und Moore dem Realen zu. Gegenstand der Oper „Electric Saint“ ist die Lebensrivalität zwischen Nikola Tesla und Thomas Edison, zwei brillanten Köpfen und Erfindern mit diametralen Lebens- und Weltsichten.

Tesla wollte, dass seine Erfindungen und besonders der Wechselstrom zum Wohle der Menschheit kostenlos verfügbar sein sollten; Edison sah in seinen Patenten persönlichen Reichtum. Damit ist der Konflikt umrissen. Edison ist der Clevere und Tesla der Geniale, aber auch der Naiv-Gläubige. Daraus erwächst in dem Stück eine spannungsreiche Struktur, die musikalisch stringent und temporeich umgesetzt wird.

Copeland hat dazu einmal bemerkt: „Trockene wissenschaftliche Konzepte mit opernhafter emotionaler Intensität zu beleuchten, war eine Herausforderung, führte aber letztendlich zu interessanten Anwendungen für die menschliche Stimme. Menschen können wie Elektronen klingen!“

Ebenso interessant für Moore, den Librettisten, und Copeland, den Komponisten, ist Teslas Verhältnis zum Glauben und zum Göttlichen. Sein Vater war Priester und Tesla selbst sah nie einen Konflikt zwischen seinen eigenen spirituellen Überzeugungen und seinem Engagement für den wissenschaftlichen Fortschritt.

Keine Dualität, sondern ein Zusammenfall der Gegensätze wird im Titel der Oper zum Ausdruck gebracht. Auch Moore ist der Meinung, dass Wissenschaft und Spiritualität sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen müssen und dass spirituelle Einsichten neue Perspektiven für die Wertschätzung der wissenschaftlichen Grundlagen des Universums eröffnen können. Durch die Fragen nach der Natur des Genies und der Symbiose zwischen Glauben und Wissenschaft eröffnet Tesla völlig neue Blickwinkel. Ob Technologie zum Gemeinwohl oder zur Bereicherung einiger weniger eingesetzt werden sollte, da sehen Moore und Copeland den Knackpunkt für ihr Stück „Electric Saint“.

7355 electric saint 087 foto candy welz
Copyright: Candy Welz

Robert Lippoks Bühnenbild kommt mit wenigen elektrischen Utensilien aus, die umso intensiver wirken, da ihr Einsatz vor dunklem Hintergrund sehr präsent ist.

Die Musik zieht die Zuschauer in das Geschehen hinein. Dynamisches Schlagwerk, aber auch Bläserakzente forcieren und dramatisieren das Geschehen auf der Bühne. Xylophon- und Marimbaklänge runden das Klangbild ab. In diesem Klangbild vokalisieren die Sänger. Gesungen wird Englisch und Deutsch untertitelt. Zum Klang aus dem Orchestergraben werden Geräusche eingesetzt, so entstehen Klangwelten, die diese Welt der Neuentdeckungen für den Zuschauer hörbar machen. Das ist das Besondere an dieser Oper.

Dirigent Gregor Bühl führt die Weimarer Staatskapelle mit sicherer Hand durch diese neue Klangwelt. Tempi und Dynamik werden präzis eingesetzt.

Gesanglich überzeugen alle Akteure. Richard Morrison als Tesla singt mit einem sehr klar intonierten Bariton und vermittelt mit seinem Spiel viel von seiner Sehnsucht, seinem Glauben und seinem Zweifel.

Sein Gegenspieler Uwe Schenker-Primus als Edison dagegen ist gierig, sucht hemmungslos seinen Vorteil und macht sich noch lustig. Sein Spiel und seine Stimme vermitteln den Egozentriker.

Die Gegensatz-Dramaturgie setzt sich fort bei den Investoren: JP Morgan wird gesungen von Oleksandr Pushniak, er zeichnet einen moralisch ungehemmten Gründerkapitalisten, der mit List und Tücke alles erreicht und auch aus diesem Selbstverständnis lebt.

Anders tritt der Teslaförderer Westinghouse auf, gesungen wird er von Alexander Günther. Ein freundlicher Mann, dem man seine Freundlichkeit auch stimmlich abnimmt. Kraftvoll und mit schönem Timbre stellt er die Gegenwelt zu JP Morgan dar. Zwischen diesen Gegenpolen treten die anderer Figuren auf: Die Eltern Teslas: Avtandil Kaspeli als Vater und Priester und die Mutter, Marlene Gaßner, beide singen und spielen einfühlsam und mit elterlicher Liebe.

Weitere Figuren sind: der Verleger Robert, gesungen von Jasper Sung und seine Frau Katharine, gespielt von Emma Moore. Er ist ein bedauernswerter Ehemann, der erleben muss, wie seine Frau Kate sich zu diesem Erfinder immer mehr hingezogen fühlt. Die Beziehung bleibt platonisch. Am Ende teilt Robert mit, dass seine Frau plötzlich verstorben ist. Die Nebenrolle der Anna wird dargestellt von Olivia Warburton. Auch sie überzeugt gesanglich.

Orchester und Sänger zeigen sich den Herausforderungen dieser Uraufführung gewachsen. Den fantastischen Gesamteindruck rundet der Chor ab, in der Einstudierung von Jens Petereit und Emanuel Winter.

Dem Regisseur Jonathan Moore gelingt eine Inszenierung, die vollkommen dieser dynamischen und facettenreichen Musik entspricht. Durch die präzise Verknüpfung mit spannenden Bühnen-Effekten werden die Zuschauer unmittelbar in das Geschehen hineingezogen. Jonathan Moore erzählt die Geschichte gut verständlich, dass der Zuschauer auch ohne Inhaltsangabe auskommt. Er lässt die Opernbesucher eintauchen in dies Klang- und Bühnenwelt. Die Spannung lässt erst nach, wenn der letzte Ton erklingt. Was will man mehr!

 Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

Weitere Vorstellungen: Sa 18.09.2021/19.30 Uhr – Do 30.09.2021/19.30 Uhr – Fr 15.10.2021/19.30 Uhr – So 07.11.2021/18.00 Uhr – Sa 11.12.2021/ 19.30 Uhr

 

 

Diese Seite drucken