Weimar/Deutsches Nationaltheater/Premiere 23.11.2019 von „Lanzelot“ Oper von Paul Dessau
Eine gute Oper ist immer aktuell!
Mate Solyom-Nagy (Lanzelot), Foto Candy Welz
Am Samstag feierte man im Deutschen Nationaltheater die Premiere von Paul Dessaus Oper „Lanzelot“, eine Kooperation mit dem Erfurter Theater. Seit nunmehr 50 Jahren ist diese Satire-Oper nicht mehr aufgeführt worden und dem Regisseur Peter Konwitschny gelingt eine überzeugende Darstellung, die an Aktualität nicht zu überbieten ist.
Paul Dessau in der Tradition der Avantgarde schrieb diese Oper und Heiner Müller gab mit einem Libretto, das höchsten Ansprüche erfüllt, der Oper ein Märchenhaftes Kleid, dass den Ritter Lanzelot gegen einen Drachen kämpfen lies, der die Stadt beherrschte. Doch wen wundert es eigentlich wirklich, dass die Gesellschaft von den Ideen Lanzelots nichts wissen wollte, hatte sie sich doch recht bequem eingerichtet. Der „Neue Mensch“, der für sich selbst die Verantwortung übernimmt, gibt es wohl nicht, jedenfalls fehlt gerade dieser Zug den meisten Weltverbesserern. So ist der Ort, das Land auch völlig egal, denn es geht hier nicht darum gegen die Unterdrückung aufzustehen, sondern um die innere Haltung eines jeden. So lässt Peter Konwitschny das Märchen zeitlos in der Gegenwart bzw. in die jüngere Vergangenheit spielen. Mit Helmut Brade hat er einen alten Bekannten an der Seite, der seine Ideen mit einer faszinierenden Brillanz umsetzt und ausstattet, die feinfühliger nicht geht. Man beachte, dass Brade die Buchstaben der Bühnenbilder in der Bezeichnung noch selber zeichnet. Dieses menschliche Zittern in der Schrift bringt so auch die innere Anspannung und den Charakter der beiden in die Aufführung selbst zum Ausdruck. Brade versteckt subtil auch in den Bühnenbildern seine Botschaften, wenn so am Elektrohändler geschrieben steht: „Elektro Müller“, denn hier erweisen Konwitschny und Brade auch Heiner Müller große Anerkennung, zumal beide sowohl Dessau als auch Müller noch selbst erlebten.
Lanzelot, Foto Candy Welz
Dessaus monomentale Oper wurde wohl aus politischen Gründen und auch wegen des großen Aufwands lange nicht gespielt. Umso erfreulicher ist es, dass nunmehr das Deutsche Nationaltheater und das Theater Erfurt gemeinsam an das Werk trauten und sich der Herzensangelegenheit von Konwitschny und Brade widmen. Mit Dominik Beykirch haben die beiden großen Herren der deutschen Theaterlandschaft einen jungen und hungrigen Dirigenten an der Seite, der wie sie selbst, sich lange mit dem Werk von Dessau auseinandersetzt. Die liebe zur Partitur und zum Libretto ist unverkennbar und zeigt auch, dass vieles keiner neuen Interpretation bedarf. So unterstützt die Musik mit einem Ritt durch die Musikgeschichte mit zahlreichen Zitaten und mit über Einhundert Sängern eindrucksvoll die Botschaft, die uns Konwitschny mitgeben will. Aber wer jetzt denkt, dass man ein Heldenepos serviert bekommt und nur genießen muss, ist hier auf den Irrweg. Satire wirkt hier gegen die Gleichgültigkeit. Konwitschny gibt den Besucher eine bitter süße Analyse unserer Gesellschaft. Er kritisiert den Untertanengeist und die Gleichgültigkeit, die sich breit gemacht haben. Mit den tragischen und komischen Elementen schafft er eine Spannung, die den Zuschauer zerreißt. Zu tief gräbt sich Konwitschny in die Seelen. Aufwühlend und wachrüttelnd die Gedanken, die entstehen. Einfach nur großartig. Und man fühlt doch, die Oper lebt.
Das Premierenpublikum honorierte es mit starkem Applaus. Jeder sollte schon wegen der eigenen Auseinandersetzung mit den Ansätzen der Gleichgültigkeit diese Oper sich anschauen. Vorher sich mit Paul Dessau und Heiner Müller beschäftigen und wird dann eine große Freude verspüren, wie zeitgemäß die Oper ist.
Olaf Schnürpel
Weimar, den 24. November 2019
Mit Mate Sólyom-Nagy, Wolfgang Schwaninger, Oleksandr Pushniak, Emily Hindrichs u.a.