Premiere AIDA im Deutschen Nationaltheater Weimar am 30. Oktober 2021
Kunstforum und ein 38Tonner anstatt Elefanten. Die Operndirektorin Andrea Moses eröffnet die Spielzeit mit AIDA am Deutschen Nationaltheater in Weimar. Eine Aufführung, die zur Premiere polarisierte.
Foto: Candy Welz
Die neue Operndirektorin am Deutschen Nationaltheater Weimar ist Andrea Moses und die Oper AIDA ist ihre erste Produktion als Operndirektorin am Haus. Mit Spannung wurde nun die Oper erwartet, möchte man sehen, ob und was sich verändert hat. Die Operndirektorin Andrea Moses ist im DNT bekannt. Sie hat als Gast schon mehrere Produktionen inszeniert. Die Oper AIDA ist eine der bekanntesten und auch von der Inszenierung größten Opern überhaupt. Große Chöre und viele Personen auf der Bühne und zeichnen die Oper neben der Musik natürlich aus. Ich finde es sehr mutig, in diesen Zeiten so ein großes Werk aufzuführen. Vieles ist wegen den herrschenden Regeln derzeit in den Proben und auch auf der Bühne nicht möglich, was sonst eher selbstverständlich ist. Aber dieser Mut wurde belohnt, man merkte nicht, dass es eine „Pandemie-Oper“ ist. Vielleicht ist es in einigen Szene noch leicht spürbar, die vor der Pandemie mit mehr Akteuren*innen aufgeführt wurden. Es ist jedoch nicht als Mangel wahrnehmbar und das verdient Achtung und Anerkennung. In AIDA geht in aller Kürze um einen Konflikt zwischen den äthiopischen König, dessen Tochter Aida als Sklavin am ägyptischen Hofleben muss und Ägypten, das von den Äthiopiern überfallen wird. Aida und Amneris, die Tochter des ägyptischen Königs. Sie sind beide in Radames, einen ägyptischen Heeresführer verliebt, der sich heimlich mehr zu Aida hingezogen fühlt. Die Äthiopier werden überwältig und Aidas Vater, König Amonasro, wird gefangen genommen. Es geht dann über Verrat durch die Liebe von Aida an ihrem Volk und Rache. So entwickeln sich zahlreiche Konflikte.
Andrea Moses hat sich zunächst mit dem Umstand unter der die Oper von Verdi geschrieben wurde auseinandergesetzt, was eine spannende Recherche ist. Ich kann nur jeden empfehlen es ebenfalls einmal zu machen. Man merkt sofort, dass sich die Oper im Allgemeinen und diese im Besonderem doch sehr mit spannenden gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt. Obwohl bereits vor 150 Jahren uraufgeführt, sind viele Themen enthalten und auch die Art und Weise wie Verdi mit dem Stoff umgegangen ist, die zu einer Auseinandersetzung reizen, die Andrea Moses auch annimmt. Bei Verdi erwartet der Opernbesucher*in große Tempelanlagen und Elefanten. Andrea Moses lässt die Oper in hier und jetzt in Berlin spielen. Der Palast der Republik besser das heutige Kunstforum in Berlin ist eine dankbare Auseinandersetzung und anstatt Elefanten gibt es ja noch einen 38-Tonner. Auch darf die „Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche“ in der Auseinandersetzung nicht fehlen. Ob alle im Publikum es verstehen, weiß ich allerdings nicht. Auch die Anspielungen auf Beutekunst regt sicher zum Nachdenken an, wenn man überhaupt dazu bereit ist. Natürlich polarisiert dies. Aber der Umgang mit Geschichte ist wichtig, besonders mit unserer eigenen. Andrea Moses erzählt aber keine neue Oper und greift auch nicht in die Partitur ein. Sie lässt AIDA auch AIDA sein. Obwohl das Bühnenbild und die Kostüme in die heutige Zeit transformiert wurden. Jan Pappelbaum und Kathrin Plath haben ein durchaus überzeugendes Werk geschaffen, was mit der damaligen Größe der Paläste konkurrieren kann. Dominik Beykirch als Chefdirigent führt die Staatskapelle souverän und in gewohnter Qualität. Wenn ich auf hohem Niveau meckern darf, möchte ich AIDA noch etwas freier, ja italienischer hören. Aber es ändert an der durchweg guten musikalischen Aufführung nichts. Eine musikalische Besonderheit war der Einfall „AIDA-Trompeten“, also zwei Meter lange Instrumente, die als unspielbar gelten, einzusetzen. Szenisch war es ein Beispiel, wie wir als Gesellschaft mit Beutekunst umgehen, musikalisch haben die Trompeter*innen der Staatskapelle es hervorragend geschafft, den Triumphmarsch zu blasen. Meine Achtung haben die Musiker*innen hierfür schon.
Das DNT verfügt auch über einen sehr guten Opernchor, der szenisch die AIDA sehr gut ausschmückte, obwohl gut gesungen, hört man hier eine kleine Einschränkung, die durch die Pandemie und den Umstand begründbar ist, dass große Chöre derzeit nicht möglich sind. Bei AIDA wünsche ich mir, dass sich auch der Chor voll entfalten kann, aber im Ergebnis war es immer noch eine gute Leistung.
Camila Ribero-Souza sang die Aida, Eduardo Aladrén Ramandes, Andreas Koch den König, Heike Porstein Tempelsängerin und Taejun Sun den Boten. Es sind fast alle Sänger*innen Ensemblemitglieder hier in Weimar und auch in gewohnter Qualität waren durchwegs ihre Leistungen. Sie merken natürlich, dass noch einige Sänger*innen fehlen und Sie ahnen auch warum. Avtandil Kaspeli ist ein stimmgewaltiger Bass und stellt Ramphis auch mit seiner Erscheinung gut da. Besonders habe ich mich über Alik Abdukayumov gefreut, seine schöne Stimmfarbe als Bariton führte er als Amonasro sehr leicht und elegant. Es ist eine deutliche Entwicklung bei ihm zu sehen.
Margarita Gritskova als Amneris und Eduardo Aladrén als Radames. Foto: Candy Welz
Aber wer diese Oper AIDA sieht, muss sich fragen, weshalb sie nicht Amneris heißt. Es ist wirklich überwältigend Margarita Gritskova in der Mezzo-Partie Amneris zu hören. Es ist ganz große italienische Oper, wie spielerisch leicht sie mit einem tiefdunklen Timbre und einer Urgewalt dramatischer Wucht die Partie singt und auch in den höheren Lagen keine Grenzen kennt. Brava!!! Es ist leider nur zu verständlich, warum sie vom DNT an die Wiener Staatsoper ging. Aber so hatten wir bei der Premiere auch etwas Größe der Staatsoper Wien zu Gast in Weimar.
Andrea Moses ist mit dieser Produktion ein guter Einstieg gelungen, auch wenn es für sie und ihr Regieteam einige Buhrufe beim Applaus gab. Ich fand diese Rufe unangemessen und führe sie auf das politische Klima zurück, dass in unserem Land herrscht. Vielleicht zeigen die Rufe auch, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Geschichte auch in der Oper ist. Andrea Moses hat zwar ihre politische Meinung mit der Inszenierung gezeigt, hierzu mag jeder sich seine eigene Auffassung bilden, es ist ihr aber auch bei aller möglichen Polarisierung gelungen, AIDA als solche erkennbar auch AIDA sein zu lassen.
Wir haben einen schönen Opernabend erlebt, der natürlich von Margarita Gritskova klar geprägt wurde. Ich finde es auch sehr wichtig, dass Sänger*innen wie „Die Gritskova“, das hat sie verdient, im Mittelpunkt zu stehen. Ich glaube fest daran, dass es für die Bindung des Publikums notwendig ist, dass man eine große Sängerin wie Margarita Gritskova hört und wegen ihr auch in die Oper geht.
Olaf Schnürpel
Weimar, den 1. November 2021