Weber, Beethoven, Brahms: Edition Staatskapelle Dresden Vol. 40, Profil 2 CDs
Bernhard Haitinks erstes Abonnementkonzert als Chefdirigent des Orchesters
Der MDR KULTUR-Mitschnitt des 2. Symphoniekonzertes der Sächsischen Staatskapelle Dresden 2002/2003 am 29. September 2002 im Kulturpalast Dresden war gleich aus mehreren Gründen von historischer Bedeutung. Künstlerisch natürlich – Noblesse oblige – weil der mittlerweile 87-jährige Altmeister aus Amsterdam Aufführungen von großer klassischer Ausgewogenheit, mit untrüglichem Sinn für Dramaturgie als auch für höchste romantische Klangästhetik bot. Schon anhand dieses Mitschnitts wird klar, dass Haitink nicht nur ein willkommener „Einspringer“ nach dem plötzlichen Tod von Giuseppe Sinopoli 2001 war. Sein Verständnis für den spezifischen Charakter des großartigen Dresdner Klangkörpers, den er bereits seit 1989 durch Aufnahmen und Konzerte in Deutschland und der Welt kannte, sein Wissen um Traditionen, um die klassische Konzertliteratur generell führten auch 2002 zu beglückenden musikalischen Ergebnissen.
2002 war das Jahr des Hochwassers. Wegen gravierender Schäden waren die Staatskapelle und die Semper-Oper vorübergehend ihrer Spielstätte verlustig gegangen. Das Orchester, das im Sommer bei den Salzburger Festspielen hoch beschäftigt war, gab aus diesem Grund Benefizkonzerte zugunsten der Hochwasseropfer und zerstörter Bauwerke. Anfang September hatte Haitink das „Konzert für Dresden“ dirigiert, mit der Prager Symphonie und der Alpensymphonie.
Das mit der Neuerscheinung vorliegende zweite Symphoniekonzert eröffnete Haitink mit einem Werk dem der Dresdner Hofoper so verbundenen Carl Maria von Weber, und zwar der Ouvertüre zu Oberon. Holzbläser, Hörner, Trompete lassen diese Elfenwelt in märchenhaften Klangfarben erstehen. Alles strebt nach Höherem in diesem Preislied auf die Liebe. Mit ruhiger Hand lässt Haitink die Themen sich entwickeln, alles atmet organisch, die Temporelationen bilden ein stimmiges Ganzes.
Im Konzert in D-Dur Op. 61 für Violine und Orchester von Ludwig van Beethoven steht Frank Peter Zimmermann im Zentrum der Aufnahme. Mit schlankem Ton scheint Beethoven hier direkt mit Weber verwandt zu sein. In der Romanze und dem durch eine Kadenz verbundenen Rondo Finale leiht Zimmermann dem Glück und final dem fröhlich ausgelassenen Treiben sein Instrument. Er tritt dabei nicht so sehr als emotional auftrumpfender Virtuose denn als kunstfertiger Sänger auf, so voller vokal Finesse geht der berühmte deutsche Solist das Konzert an. Auch bei diesem Konzert geben Dirigent, Orchester und Solist eine Lektion in Sachen Ebenmäßigkeit und Ausgewogenheit des Vortrags, klassischer Schönheit des Klangs und kultivierten Jubels.
Im zweiten Teil des Konzerts erklang die erste Symphonie von Johannes Brahms, auf der Insel Rügen und in Baden-Baden komponiert und die laut Hans von Bülow eigentlich auch als zehnte Symphonie Beethovens charakterisiert werden könnte. Auf jeden Fall verbindet Brahms und Beethoven in der äußerst komplexen ersten Symphonie die programmatische Beethoven’sche Idee „Durch Nacht zum Licht“. Haitink scheint den höchst persönlichen, durch Brahms gefassten Entwicklungen in den vier Sätzen seine eigene altersweise Sicht hinzuzufügen. Die existenzielle Dringlichkeit einer in Not geratenen Seele findet mit symphonischer Intensität in allerlei Umwegen einen hoffnungsfrohen Ausgang. Für aller Musikfreunde unnötig zu erwähnen, dass die Staatskapelle Dresden als eines der edelsten Orchester überhaupt bei diesem Programm auf dem Weltmeisterpodest steht. Das höchst informative zweisprachige Booklet mit vielen Fotos machen diese CDs auch editorisch zu einer höchst vergnüglichen Sache.
Dr. Ingobert Waltenberger