Wattens: „listening closely“ mit Katharina Konradi – 21.5. 2023– Liedermatinee der Kontraste und Gemeinsamkeiten
Katharina Konradi (Sopran) und Ammiel Bushakevitz (Klavier) © Thomas Nußbaumer
Eine Liedermatinee, gestaltet von Katharina Konradi (Sopran) und Ammiel Bushakevitz (Klavier) mit Werken von Schumann, Rachmaninoff, Fauré, Ginastera, Montsalvatge, Weinberg und Kurtág, bildete den eindrucksvollen Abschluss der Reihe „listening closely“, die in der Nachfolge des Festivals „Musik im Riesen“ von Thomas Larcher und Friederike Gösweiner in Wattens (Tirol) kuratiert wird.
Die Aufzählung der Komponisten mag nach bunter Vielfalt und Raritätenwert klingen, doch überwogen in der wohldurchdachten Programmgestaltung die Gemeinsamkeiten, Parallelen und Anknüpfungen. Sowohl Robert Schumanns „Sechs Gesänge“ (op. 107) als auch die ausgewählten Beispiele aus Sergej Rachmaninoffs und Gabriel Faurés Liedschaffen tauchen in die dunklen Tiefenschichten von Leidenschaft und Liebe ein. In Alberto Ginasteras „Cinco canciones populares argentinas“ und Xavier Montsalvatges „Cinco canciones negras“ wird diese Thematik auf das „Volkston“-Genre ausgeweitet, allerdings in akkordisch-dissonanten, rhythmisierten Verfremdungen und Brechungen. Sowohl in Schumanns „Sechs Gesängen“ als auch in György Kurtágs „Attila-Jószef-Fragmenten“ (op. 20) nähert man sich psychischen Ausnahmezuständen an, die gefährlich an den Rand von Suizidvorstellungen rücken. Mieczysław Weinbergs „Jüdische Lieder“ (op. 13) wiederum, die schlussendlich die Grausamkeit der Shoa im Bild des mütterlichen Grabes und niedergebrannten Elternhauses einfangen, berühren sowohl Grenzerfahrungen als auch Volkston-Vorstellungen, sie wurden an den Beginn des Konzerts gestellt.
Die Vielfalt des Programms liegt nicht in der stilistischen Bandbreite der ausgewählten Werke allein, sondern ebenso in den Kontrasten zwischen Kurtágs expressiven, a-cappella zu singenden „Attila-Jószef-Fragmenten“ mit Vokaltechniken, die an das Joiken der Sami im Norden Europas oder albanische Totenklagen erinnern, und Gabriel Faurés leicht dahinfließenden, klang- und melodieverliebten Kompositionen. Ein wichtiger Kunstgriff des Programms bestand darin, Kurtágs und Schumanns Lieder zu durchmischen bzw. abwechselnd vorzutragen, um jedoch in den Kontrasten die Gemeinsamkeiten auszuloten.
Katharina Konradi, die für diese außergewöhnliche, qualitativ hochwertige Zusammenstellung verantwortlich zeichnet, verfügt über alle stimmlichen Fähigkeiten, derer es zur Bewältigung dieses anspruchsvollen Programms bedarf. Ihre Stärken liegen besonders in der ausdrucksvoll leuchtenden, ebenmäßigen Mittellage. Im Spitzenbereich spürt man die im Musiktheater geschulte, große Stimme. Diese setzt sie beispielsweise bei Kurtág sehr effektvoll ein und auch bei Ginastera und Montsalvatge spart sie nicht mit Momenten großer Dramatik, während sie Schumanns und Faurés Lieder klanglich und dynamisch abgestuft und in differenzierender Empfindsamkeit vorträgt. Bei Rachmaninoff, dessen Lieder sie wie aus einem Guss formt, geht ihr zudem wahrlich das Herz auf. Hervorzuheben ist, dass das Programm auch mehrsprachig war: Konradi sang in ihrer Muttersprache Russisch sowie auf Ungarisch, Französisch, Spanisch und Deutsch.
Ammiel Bushakevitz am Flügel erwies sich als ein vollwertiger musikalischer Partner. Besonders beeindruckend ist sein flexibler, vielseitiger Anschlag verbunden mit der Fähigkeit, dem Instrument eine reiche Palette an Klangfarben zu entlocken. Bushakevitz ist auch stilistisch äußerst sicher und trifft in jeder Hinsicht stets den richtigen Ton.
Thomas Nußbaumer