Lorenz Lütteken (Hg.)
WAGNER HANDBUCH
512 Seiten. Verlag Bärenreiter / Metzler, 2012
Schon 2012, also vor dem Wagner-Jahr, hat der Verlag Bärenreiter seiner verdienstvollen „Handbuch“-Reihe den diesjährigen Jahres-Regenten Richard Wagner hinzugefügt. Das ist als kompakte Wissens-Ergänzung zu den verschiedenen, in alle Richtungen interpretierenden Biographien gedacht – Bücher wie dieses, die große Themen „scheibchenweise“ angehen, also in Einzelaspekte zerlegen, stellen eine notwendige Ergänzung zu großen Fragenkomplexen dar – und wenn es je einen Künstler gab, der die Detailbeschäftigung erfordert, ist es die Person, das Leben und das Werk von Richard Wagner.
Überaus vielfältig gegliedert, sind die 64 Beiträge zu den einzelnen Fragen nicht überlang und meist gut zu lesen (wobei die verschiedenen Autoren natürlich verschiedene Zugänge auch durch ihre Sprache und ihre „Wissenschaftlichkeit“ bzw. Allgemeinverständlichkeit bieten). Grundsätzlich geht es hier nicht um die Wagner-Diskussion, sondern um das konzise Zusammentragen von Wissen. Ideologisches ist dennoch nicht ausgespart – etwa das Wagner-Bild, das sich aus Cosimas Tagebüchern schälen lässt (mit reichen Belegen zu seinen Äußerungen über das Judentum).
Sinnvoll für den Benutzer (der ja jedenfalls zu den „Fortgeschrittenen“ unter den Interessenten zählt) sind Listen – eine Zeittafel von Jahr zu Jahr, die Wagners Leben parallel zur Zeit- und Kulturgeschichte führt, was immer nützlich ist, aber man findet etwa auch Wagners Schriften aufgelistet, wobei man die alphabetische Form wählte, allerdings mit dem Artikel („Das Judentum in der Musik“ findet sich also bei „D“) – neben dem Datum der Entstehung wird Band und Seite der Gesamtausgabe verortet.
Große Komplexe behandeln u.a. die Themen „Lebenswelten“, „Politik und Gesellschaft“, „Schriften“, „Interpretation und Rezeption“, d.h., der Leser wird schon im Inhaltsverzeichnis auf jene Fragestellungen zusteuern können, die ihn besonders interessieren.
Natürlich sind in einem Werk wie diesem die Schilderungen der Opern extrem wichtig, sind sie doch die Basis, um die sich der ganze Interpretations-Komplex „Wagner“ letztlich dreht. Da man die einzelnen Opern verschiedenen Autoren anvertraut hat, merkt man allerdings bedeutende Diskrepanzen in den Darstellungen – etwa einen genauen Nachvollzug von Wagners musikalischer Leistung im „Holländer“, während dasselbe beim „Tannhäuser“ fehlt. Manches fällt auch etwas kurz aus, etwa die „Wirkungsgeschichte“ der einzelnen Werke, aber man muss überhaupt feststellen, dass die goldenen Zeiten vorbei sind, wo man Büchern dieser Art jeden Umfang einräumte: So gönnte man dem Verdi-Handbuch vor 11 Jahren fast 250 Seiten mehr, was auch ein zwar nicht übergroßes, aber wichtiges kommentiertes Personenverzeichnis seines Lebens ermöglichte, das man für Wagner auch gerne vorgefunden hätte.
Aber Wagnerianer sind ja bekannt dafür, immer noch mehr und mehr zu wollen. Hier bekommen sie jedenfalls sehr viel, und manches findet man anderswo nicht (etwa eine kommentierte Darstellung der Wagner-Bildnisse!).
Renate Wagner