VLADIMIR KLOS – Ups and downs, mein Leben – einziger Tanz
aufgezeichnet von Silke Meier-Brösicke
(Henschel-Verlag 2021 ISBN 978-3-89487-834-4)
Rechtzeitig zum 75.Geburtstag von Vladimir Klos am 1. Juli dieses Jahres ist die biographische Lebensaufzeichnung des tschechischen Tänzers erschienen, der so etwas wie das fünfte Rad am Zugpferd des John Crankos Stuttgarter Ballettwunder maßgeblich beeinflusst habenden Erste Solisten-Quartetts Marcia Haydée, Birgit Keil, Richard Cragun und Egon Madsen gewesen ist. Hat der 1946 in Prag geborene Tänzer doch als häufigster Partner und seit 2011 mit Trauschein auch offizieller Lebensgefährte von Birgit Keil im Prinzip genauso hohen Anteil am Ruhm der Compagnie gehabt.
Silke Meier-Brösicke, die in den letzten vier Jahren als Dramaturgin zu seinem Team als Co-Direktor des Badischen Staatsballetts Karlsruhe gehört hatte, zeichnet für dieses Buch mitverantwortlich. In den locker mit vielen Fotos seiner bedeutendsten Rollen und seiner Weggefährten angereicherten Kapiteln kommt immer wieder die große Dankbarkeit zum Ausdruck, mit der der Jubilar auf sein reiches künstlerisches Leben zurück blickt. Die größte Erfüllung bedeutete für ihn mit seiner Kunst des Durchlebens von Persönlichkeiten auf der Bühne Menschen berührt zu haben und dabei aber auch selbst berührt gewesen zu sein.
Ohne Umschweife und unter Verzicht auf nebensächliche Details wird der Lebensweg aufgeblättert. Angefangen von seiner überaus glücklichen Kindheit bis zum politischen Umschwung 1968, seiner im Alter von fünf Jahren ersten Ballett-Begegnung bei einer „Schwanensee“-Vorstellung in der Staatsoper seiner Heimatstadt, dem Beginn seiner Ballett-Ausbildung im Alter von acht Jahren in der gleichen Schule, in der ein Jahr hinter ihm mit Jiri Kylian ein weiterer bedeutender Name in der Ballettwelt am Start war.
Die nächsten Kapitel beschäftigen sich mit seinem Erstengagement beim Studio Ballett Prag mit seinem für damalige Verhältnisse weltoffeneren Repertoire, mit seinem ersten Hauptrollen-Debut als Romeo (allerdings zu Musik von Tschaikowsky!), zu der er bis heute trotz vieler anderer großartiger Bühnencharaktere die persönlichste Verbindung hat, und dem Leben aus dem Koffer während der vielen Gastspiele in aller Welt von 1964-68. Dabei erfahren wir, dass er dazwischen auch für sechs Monate in einer Musical-Produktion am Theater an der Wien mitwirkte und durch eine Zufallsbegegnung mit Helmut Weiss sogar einen Ausflug ins Schauspielmetier in einer Hauptrolle in dessen Film „Bonifatius Kiesewetter“ unternommen hatte.
Eindrücklich wird seine von der Mutter angetriebene Flucht in den Westen Ende August 1968 in einem Zug nach Wien geschildert. Bereits ein Jahr zuvor hatte er durch eine Einladung zum Vortanzen in Stuttgart, die Voraussetzung für die Gewährung eines Visums war, einen diesbezüglichen Anlauf unternommen, musste jedoch aufgrund einer Verletzung absagen. 1968 klappte es dann bei einem Vortanzen bei Cranko in München, wo er bald zum ersten Mal Birgit Keil begegnete und ab 1.12. desselben Jahres einen Vertrag für die Stuttgarter Compagnie bekommen hatte.
Sehr bewegend und aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel wird der Tod Crankos geschildert, der ihn kurz zuvor noch zum ersten Solisten beförderte. Dasselbe gilt für weitere besonders schwere Zäsuren seiner Karriere wie eine Halswirbel-Verletzung mit weitreichenden Folgen, seinem umjubelten Comeback als Romeo 1993, dem Rücktritt von Marcia Haydée als Gelegenheit seines eigenen Bühnenabschieds 1996 mit rund fünfzig Jahren, was als Tänzer ohnehin schon ein sehr reifes Alter ist, und er als Übergang zu einem Neuanfang betrachtete anstatt in Depressionen zu verfallen.
Mit der Ernennung zum Lehrbeauftragten 1996 und drei Jahre später zum Professor an der Musikhochschule Mannheim in der Ausbildung von TänzerInnen zu Pädagogen und Ballettmeistern sowie im Repertoire-Unterricht in klassischem Ballett für Abschluss-Klassen wartete bereits die zweite Karriere auf ihn. Gekrönt wurde sie 2003 als Partner von Birgit Keil zum Co-Direktor des 2012 zum Staatsballett avancierten Karlsruher Balletts. In dieser Zeit fungierte er noch zusätzlich als Kostümbildner einiger Produktionen, nachdem er bereits früher erste Entwürfe für seine Frau kreiert hatte.
Sehr berührend ist Klos Bekenntnis zum Entschluss bei der Compagnie-Leitung in Karlsruhe denselben Weg wie einst Cranko zu gehen und jungen Tänzern Chancen zu geben anstatt auf renommierte Gasttänzer zu setzen. Der Erfolg gab ihm Recht genauso wie damals seinem berühmten Mentor.
Bewegend ist schließlich noch die Erwähnung seines Schicksalsschlages in Form einer schweren Krebserkrankung, die er über alle Leiden des langwierigen Heilungsprozesses hinweg durch den festen Willen, bei der Abschieds-Gala 2019 in Karlsruhe unbedingt dabei zu sein, überwinden konnte.
Am Ende dieses sehr lesenswerten, kurzweiligen Buches, das bei den Zeitgenossen seiner Tänzerkarriere viele Erinnerungen lebendig werden lässt und Nachgeborene über vieles sicher Nicht Gewusste in Kenntnis setzt, stehen ein Rollenverzeichnis von Vladimir Klos Repertoire sowie seine Vita in Kurzform.
Udo Klebes