VINYL EUGÈNE YSAYE „Sechs Violinsonaten“ – JULIA FISCHER; hänssler classic – JF Club Limited Edition
Der große Vinyl-Coup der Julia Fischer, Mount Everest der Geige auf einem sonnenbeschienenen Platz von Liège
Musikalische Allrounderin, beherrscht Julia Fischer Geige und Klavier. Zu ihren Kammermusikpartnern zählen erlauchte Leute wie Daniel-Müller-Schott und Nils Mönkemeyer. Als Pionierin gründete Fischer die Musikplattform JF CLUB, ein Streamingportal, über das wir ihre stets singulär aufgerauten Musikinterpretationen bestaunen können. Dass die offenbar HiFi-bewusste Künstlerin einer limitierten Vinyl-Edition der Sechs Sonaten von Eugène Ysaÿe bei Hänssler Classic ihren Sanktus gegeben hat, ist für Freunde intensivsten Violinspiels und Freaks von Vinylklang ein Geschenk wie Weihnachten und Ostern miteinander.
Ysaÿe widmete jede seiner Sonaten einem Geiger oder Schüler und schuf ein technisch forderndes und musikalisch bekenntnisreiches Werk, das neben Bachs “Solosuiten” und Paganinis “Capricen“ Bestand hat. Julia Fischers erklärt die Werke ungefähr so:
Die erste Solosonate von Johann Sebastian Bach hörte Ysaÿe mit Joseph Szigeti im Konzert und inspirierte ihn zu diesem Zyklus. Ysaÿes erste Sonate ist daher Szigeti gewidmet und in der Form an Bachs g-Moll Sonate angelehnt.
Das Präludium von Bach in Es-Dur wird in der zweiten Sonate zitiert. Die Sonate ist Jacques Thibaud gewidmet, der das Präludium jeden Morgen zum Aufwärmen übte. Er traute sich jedoch nie, es im Konzert zu spielen, weil er Angst hatte, einen Gedächtnisfehler zu haben. Ysaÿe hat nicht nur Zitate aus dem Präludium übernommen, sondern auch die Wut hineinkomponiert, die der Geiger empfunden haben mag, wann immer er sie verspielte.
Der Kosmopolit Georges Enescu ist der Protagonist der dritten Sonate. Diese Sonate von
Ysaÿe heißt “Ballade” und ist in ihrer Sprache rhapsodisch, wild und frei. Alles Begriffe, die sowohl auf den Geiger als auch den Menschen Enescu zutreffen.
Die vierte Sonate gehört Fritz Kreisler. Als Fischer die Sonate vor Jahren lernte, erkannte sie Zitate aus Kreisels “Präludium” und “Allegro”. Sein Kompositionsstil war nicht nur konservativ, sondern lehnte sich an barocken Mustern an.
Mathieu Crickboom war Schüler von Ysaÿe, Geiger in Ysaÿes Streichquartett und leidenschaftlicher Lehrer. Er schrieb mehrere Bände über das Violinspiel mit Fingerübungen und Bogenstrich-Anleitungen. Die fünfte Sonate Ysaÿes enthält viele leere Saiten. Es gibt die Theorie, die besagt, dass das eine Anspielung auf Crickbooms Anweisung an seine Studenten war, immer die Intonation mit den leeren Saiten zu kontrollieren.
Manuel Quiroga ist Pate der sechsten Sonate. Er wurde als wahrer Erbe von Sarasate angesehen und die Kollegen lieben seinen überaus romantischen Geigenton, wie auch seine agogische Freiheit im Spiel. In der sechsten Sonate Ysaÿes findet sich eine Habanera, die sicher auch Quiroga hätte spielen können.
Julia Fischer legt mit der vorliegenden Edition einen neuen Standard in Sachen Ysaÿe vor. So expressiv wahrhaftig und technisch makellos zugleich ward dieser Zyklus noch nie gehört. Schon rein musikalische eine referentielle Sache. Dazu kommt eine brillante Tontechnik und eine selten makellose Pressqualität. Bravo.
Dr. Ingobert Waltenberger