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VINYL/CD JULIUS ASAL spielt Klaviermusik von SCRIABIN und D. SCARLATTI; Deutsche Grammophon

22.07.2024 | cd

VINYL/CD JULIUS ASAL spielt Klaviermusik von SCRIABIN und D. SCARLATTI; Deutsche Grammophon

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Ein Tausendsassa ist er, der junge Julius Asal, ein Gründlicher und Nachdenklicher, der außer seiner pianistischen Tätigkeit auch Vorträge über Musik hält oder beides miteinander verbindet. Musik hat er sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen, die Mutter ist Pianistin, der Vater Fagottist und als familiäres i-Tüpfelchen der Bruder noch dazu Schlagzeuger.

Zuletzt Eldar Nebolsin-Schüler an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, legt der frischgebackene Exklusivkünstler des Gelblabels nun ebenda sein erstes Solo-Album vor. Auf dem Programm stehen Alexander Scriabins Klaviersonate Nr. 1 in f-Moll, op. 6, frühe Präludien, die Etüde in b-Moll, Op. 8/11 kombiniert mit sechs Sonaten von Domenico Scarlatti, u.a. diejenigen in f-Moll, K 238, und in B-Dur, K 544.

Eine formale Kohärenz will sich bei der Gegenüberstellung bzw. der integrativen Interpretation nicht sofort erschließen, eine gemeinschaftliche Atmosphäre eigentümlicherweise schon. Beim Hören eröffnen sich tatsächlich melancholisch getönte Traumwelten und surreale Landschaften, in der “Fabelwesen aus einer anderen Dimension – mit eigenem Charakter, eigenem Leben, eigener Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft” (Asal über Scarlattis Sonaten) ihr Wesen treiben. Unruhige, unheimliche Stücke, wie die Prélude in es-Moll, Op. 11/14 oder in b-Moll, Op. 11/6 von Scriabin bilden dazu den eigensprachlich dialogisierenden Kontrast. Als Klammer (Prolog/Epilog) für das gesamte Programm dient das ‚Quasi niente‘ aus Scriabins erster Sonate (4. Satz).

Asal bevorzugt getragene Tempi und einen romantisierenden Grundtonus. Das Album durchweht, obwohl so gegensätzliche Typen wie der größte neapolitanische Barockmeister des 18. Jahrhunderts für das Cembalo und ein pantheistischer Mystiker, der begnadeter Exzentriker Scriabin dafür Pate stehen, ein impressionistischer, malerischer Zug, der zwischen „dem Realen und dem Imaginären“ pendelt.

Schon der Prolog gerinnt zu einer universellen Ewigkeit, das Geheimnisvolle, Undurchdringliche, Unsagbare nimmt hier in den eigenwilligen Tönen Scriabins pars pro toto Gestalt an, um sogleich im traurigen Andante moderato der spanischen Sonate in f-Moll von Scarlatti K 466 aufzugehen, die schon auf die Stilistik in Beethovens Mondscheinsonate verweist. Asal spielt beide Stücke so, wie Scriabins Biograf und Musikologe Leonid Sabaneyev über des russischen Meisters Kunst generell philosophierte. Er sprach u.a. von „verfeinert sinnlichen Berührungen der Klänge, seltsamen und unsagbaren Träumen von letzten Liebkosungen im Mysterium.“

Julius Asal pflegt eine differenzierte Anschlagskultur, mal perlend klar wie in Scarlattis Sonate in c-Moll, K 56 con spirito – auch hier nicht auf eigenwillige Temporückungen verzichtend – mal introvertiert seelenvoll wie in der anschließenden Fuga der Sonate in c-Moll K 58, wo er die Musik in nahezu sakrale Sphären aufwehen lässt. Asal, hat um die unterschiedlichen Sphären zu unterstreichen, für die Aufnahmen zwei verschiedenen Steinway-Flügel gewählt, einen mit einem „üppigen und dunklen, einen andere mit einem kristallin gestochenen Klang.“

Leicht macht er es einem nicht, dieser Julius Asal, weder von den breiten Tempi noch von der sphärisch-märchenhaften Erzählweise her. Asal wirkt intellektuell und ist dennoch ein Instinktmusiker. Wie der so völlig andere Glenn Gould, der Barockes streng rhythmisch, bisweilen scheint es trocken maschinell und zugleich kosmisch transparent spielte, ist Asal ein künstlerisch integrer, ein konzeptuell nachschöpfender Interpret. Ja, und improvisieren mag er auch, wie die beiden Transitionen auf dem Album belegen. Eine herausfordernde Begegnung.

Link zu einem Video über die Transition II

https://www.youtube.com/watch?v=Vd-Avvr1Gbs&list=RDEMjh1RIz6HVCo3lDsfGy1gLA&start_radio=1

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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