VINYL/CD „GROUND“ – TAMAR HALPERIN am Klavier, Rhodes Piano, Cembalo und Synthesizer; Neue Meister
Ikonen alter Musik und zeitgenössische Counterparts: Sternspritzendes Kaleidoskop recomposed von Tamar Halperin
Im 17 Jahrhundert bezog sich der Begriff „ground“ auf eine musikalische Technik, mit der eine wiederholte Basslinie als Fundament über improvisierte oder erdachte Melodien diente, erklärt die Pianistin den Titel ihres neuen Albums. Beim basso ostinato haben wir es mit einem universellen Stil zu tun, der sich über die Barockmusik und „Klassik“ bis Pop, Rock, Jazz und Techno erstreckt.
Tamar Halperin interessiert sich für diese Dualität, die musikalisch organisch rund um Cantus Firmus und Toccaten gewebt, erwächst: „Konstanz versus Wechsel, exakte Wiederholung entlang ständiger Variationen, das Ewige reflektiert im unablässigen Fließen.“
Ich liebe an diesem harmonisch so eindringlichen und pianistisch glasklar musizierten Album, dass das Gären lassen kontrapunktischen Humus‘ barocker Meister wie J. S. Bach, Buxtehude, Frescobaldi mit musikalischen Nährstoffen von Francesco Tristano, Omar Klein, Idan Raichel, Craig Armstrong, Michael Wollny oder Tamar Halperin ein in sich amalgamiertes Zusammen ergibt. Etwas logisch und gefühlt Kohärentes. Weit entfernt von einer bloßen Aneinanderreihung mehr oder weniger populärer musikalischer Inventionen, gelingt es Tamar Halperin mit ihren bestechenden Überarbeitungen tatsächlich, einen metaphorischen Raum für kulturelle Kontinuität zu schaffen.
Die tranceartige Wirkung repetitiver Muster baute zu allen Zeiten auf denselben Prinzipien und schwankt je nach Härte von Rhythmus und Tempo in ihrer Intensität. Der Hörer kann sich in diese so eigentümlich originellen atmosphärischen Klangteppiche sinken lassen, ohne je das Gefühl zu haben, manipuliert oder sediert zu werden.
Im Gegenteil. Das Album regt uns dazu an, Verbundenheit wieder einmal neu zu reflektieren. Oder um mit Tamar Halperin zu sprechen: „Man könnte, sagen, dass unsere gemeinsame Menschlichkeit der verbindende Faden ist. In dieser metaphorischen großen Struktur existiert keine Melodie für sich allein. Jeder Klang, jeder Komponist und jedes Genre ist Teil einer größeren Kette, verbunden durch Geschichte, Einfluss und Kontext.“
Oder man lässt alle Gedanken sausen und begibt sich mit diesen barock strengen bis frei improvisatorischen Klängen emotional ad libitum auf sanft Neugier erregende Entdeckungsfahrt.
Dr. Ingobert Waltenberger